Die (fast) perfekte deutsche Komödie ist da – und der Albtraum eines jeden Scheidungskindes

19.02.2023 - 12:30 UhrVor 2 Jahren aktualisiert
Wann wird es endlich wieder so, wie es nie warKomplizen Film GmbH / Warner Bros. Entertainment GmbH / Frédéric Batier
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Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war vereint gleich mehrere Familientragödien mit Loriot. Er könnte selbst Leute überzeugen, die keine Fans deutscher Mainstream-Komödien sind – und läuft ganz bald im Kino.

Ich hatte schon geahnt, dass Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war wehtun würde. Der Film von Regisseurin Sonja Heiss erzählt über 18 Jahre hinweg das Kaputtgehen einer Familie, alles aus der Perspektive des jüngsten Sohnes Joachim aka Josse, von seinen beiden älteren Brüdern "Wasserkopf" genannt. Die Meyerhoffs sind eine Familie, die sich auf ihre ganz eigene Art liebt. Auch wenn sich Vater Richard (Devid Striesow) und Mutter Iris (Laura Tonke) unaufhaltsam voneinander entfernen.

Die Scheidung scheint unabwendbar – doch das ist nicht der letzte Schicksalsschlag, der die ungewöhnliche Familie trifft. Wie gesagt: Ich hatte geahnt, dass mich das als Scheidungskind treffen würde. Allerdings hätte ich nicht gedacht, wie sehr die Tragik-Komödie wehtut. Und das, obwohl ich mich gleichzeitig nicht daran erinnern kann, wann ich das letzte Mal bei einem deutschen Film so gelacht habe wie bei der Berlinale-Aufführung von Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war. (Der übrigens ab dem 23. Februar deutschlandweit im Kino läuft.)

Die beste deutsche Komödie seit langem ist tieftraurig und todlustig zugleich

Potenzial für Komisches hat der Film ohne Ende: Josse (gespielt von Camille Loup Moltzen, Arsseni Bultmann und Casper von Bülow) hat ein Aggressionsproblem, das sich nur dadurch lösen lässt, ihn auf eine scheppernde Waschmaschine zu setzen. Mutter Iris träumt sich zurück in den Italien-Urlaub, in dem sie zwanghaft Gemälde italienischer Landschaften malt und im Haus aufhängt. Und Vater Richard ist der großkotzige Leiter einer psychiatrischen Einrichtung und integriert seine Patient:innen nicht nur dann in den Familienalltag, wenn gerade der Ministerpräsident für einen PR-Termin vorbeikommt.

Eine Szene, in der Richard Meyerhoff sich zunehmend bockig darauf versteift, sich jetzt in diesem Moment rasieren zu müssen, obwohl – wie ihm Josse und seine Frau bescheinigen – absolut keine Notwendigkeit dazu besteht, könnte so auch aus Pappa ante Portas vom deutschen Humor-Altmeister Vicco von Bülow stammen. Für mich gibt es kein größeres Kompliment, das man einer deutschen Komödie machen kann.

Die langsam eskalierenden Situationen fühlen sich nicht an wie etwas Konstruiertes, das auf einen offensichtlichen Gag hingeschrieben wurde. Ich habe das Gefühl, danebenzusitzen, wenn die Familie die Autofahrt mit Wissensspielen überbrückt. Oder das zwanghaft auf Harmonie ausgerichtete Weihnachtsfest rapide den Bach heruntergeht, nachdem Vater Richard seiner Frau ein elektronisches Schneidemesser schenkt.

Auf schlechte Geschenke folgt in Komödien meist direkt ein Streit, in Wann wird es endlich so ... entscheidet sich Mutter Iris allerdings anders – und benutzt aufgesetzt fröhlich das Messer an allem, was ihr in die Quere kommt. Während Richard erst so ganz langsam dämmert, dass er womöglich einen Fehler gemacht hat. Den er natürlich nicht zugeben kann. Wenn Schauspielerin Laura Tonke für diese Szene allein nicht einen Preis bekommt, weiß ich auch nicht.

Über familiäre Dynamiken lachen zu können, die zum Standard-Erlebnis-Repertoire einer emotional schwierigen Kindheit gehören, fühlt sich beinahe therapeutisch an. Umso härter trifft es, wenn der Film beinahe brutal die Spur ändert. Im einen Moment ist Richard Meyerhoffs emotional distanzierte, nahezu ausschließlich auf sich selbst fokussierte Art witzig. Im nächsten fühlt es sich wie ein Schlag ins Herz an, wenn er im gleichen Tonfall die schlimmstmögliche Nachricht für Josse am Frühstückstisch verkündet. Ganz beiläufig, so als wäre nichts passiert.

Jeder Aspekt des Films hat seine Kehrseite. Und so endet auch die unfassbar lustige Weihnachtseskalation damit, dass sich die so oft streitenden Brüder gemeinsam ins Kinderzimmer zurückziehen und sich fassungslos fragen: Musste das sein? Können wir nicht einmal an Weihnachten so tun, als wäre hier irgendetwas in Ordnung?

Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war basiert auf einer wahren Geschichte und erinnert an einen Hollywood-Geheimtipp

Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war basiert in Teilen auf dem Leben des Autors Joachim Meyerhoff, der seine Erfahrungen in der gleichnamigen Romanreihe * verpackte. Kein leichtes Schicksal, als überfordertes Kind zwischen Menschen mit psychischen Problemen und vermeintlich "gesunden" Erwachsenen groß werden, die ihr eigenes Leben nicht so richtig auf die Reihe kriegen.

Seht hier den Trailer zu Krass mit u.a. Gwyneth Paltrow und Brian Cox:

Running with Scissors Trailer for Class
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Hier erinnert der Film immer wieder an Krass aus dem Jahr 2006. Ryan Murphys wundervoll skurrile Romanverfilmung basierte ebenfalls auf einem halb-biografischen Buch: Running With Scissors * von Augusten Burroughs. Die Coming-of-Age-Geschichte lieferte ähnlich absurde Szenen wie Wann wird es endlich wieder so ..., zeigt aber eine deutlich verstörendere Familiendynamik.

Die Tragik-Komödie hat Fehler – und ist trotzdem ein uneingeschränkter Kinotipp

Nicht alles an Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war ist uneingeschränkt gut: Die beiden Brüder von Josse bleiben vergleichsweise blass und in ihrer Motivation kaum greifbar – was dem Film später etwas auf die Füße fällt. Auch die Befunde der Patient:innen bleiben vage. Vielleicht, damit sich das Publikum nicht allzu viele Gedanken beim Lachen macht. Vielleicht, um sich nicht der Kritik aussetzen zu müssen, ganz reale Erkrankungen falsch darzustellen oder sich über sie lustig zu machen.

Ihre Funktion beschränkt sich meistens darauf, bestimmte Dynamiken innerhalb der dysfunktionalen Meyerhoffs bloßzustellen. Wie in einer (allerdings fantastischen) Szene, in der ein Patient ernsthaft irritiert fragt, nachdem er beobachtet hat, dass Mutter Iris die komplette Geburtstagsvorbereitung für ihren Mann allein gestemmt hat: "Müssen Frauen immer umsonst arbeiten?"

Am Ende will Wann wird es endlich wieder so ... das Publikum mit einem guten Gefühl nach Hause schicken. Geweint werden soll am Schluss zwar schon ein bisschen, aber mit einem Lächeln. "Typisch deutsche Komödie", denken sich jetzt vielleicht einige, "immer muss es kitschig werden!".

Aber der Film von Sonja Heiss und Mit-Drehbuchautor Lars Hubrich ist mehr als ein paar ausgelutschte Versatzstücke. Er ist 116 Minuten emotionale Achterbahnfahrt, die man unbedingt mit anderen Menschen im Kino gucken sollte. Schließlich weint und lacht es sich nirgendwo schöner gemeinsam. Scheidungskinder sollten aber vielleicht ein paar Taschentücher mehr mitbringen.

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