Peter Jackson stellt ein paar Minuten aus Der Hobbit: Eine unerwartete Reise vor, Warner versucht, die Fans mit einem Teaser von Man of Steel zu überzeugen und Edgar Wright begeistert in einer anderen Halle mit Test-Footage von Ant-Man. Die Comic-Con lockte dieses Wochenende alle digitalen Augen auf das Convention Center in San Diego. Wie jedes Jahr besuchten Hunderttausende Fans in skurrilen Kostümen die Messe, die 1970 gegründet und von 300 Besuchern geehrt worden war. Die Comic-Con ist mittlerweile eine Art Cannes für Geek-zentrische Blockbuster und Serien, wobei das Wort Geek mit jedem Jahr weiter gefasst wird.
Den unmittelbaren Reaktionen auf erste Bewegtbilder und Poster werden ungeheure Kräfte über die späteren Einspielergebnisse nachgesagt. Schon in frühesten Stadien der Produktion werden die Projekte den Fans vorgeführt, um die Saat für einen Hype zu legen. Schmiert ein Film in der Comic-Con ab, so lohnt es sich im Grunde nicht, ihn überhaupt ins Kino zu bringen. Das ist auch 2012 der Nimbus der Veranstaltung, obwohl die Ergebnisse der vergangenen Jahre ihre Bedeutung nicht immer untermauert haben. Die Comic-Con ist, mit anderen Worten, Sinnbild von Hollywoods ins Straucheln geratener Liebesaffäre mit der Geek-Kultur.
Von 300 Besuchern zu 300 Spartanern
Für die Fans bietet die Comic-Con den Kontakt mit Stars im Rahmen von Panels und Autogrammstunden. Die Messe ermöglicht jedoch auch den Eintritt in eine andere Welt, in der Cosplay alltäglich, die fanatische Zuneigung zu einem Objekt der Popkultur quasi Voraussetzung ist. Um Hefte mit Bildern und Sprechblasen ging es ebenfalls irgendwann mal, doch im letzten Jahrzehnt, das nicht zufällig mit dem Aufkommen des Superhelden-Genres im Kino zusammenfällt, ist die Comic-Con zum Marktplatz der großen Studios, Publisher und TV-Anstalten geworden. Der Hype um Filme so vielfältig wie 300, Avatar – Aufbruch nach Pandora, Twilight – Bis(s) zum Morgengrauen und Marvel’s The Avengers nahm in San Diego seinen Anfang und das oft genug zu einem Zeitpunkt, als noch nicht einmal die Dreharbeiten begonnen hatten.
So blasen die Verantwortlichen jährlich Millionen in die Präsentation erster Videoschnipsel, neuer Poster und esoterisch gehüteter Plot-Wendungen durch ihre Stars in den Hallen des Convention Centers. 2011 wurden beispielsweise 35 Filme und 80 Serien beworben, denn nichts anderes als Werbung für die treueste Zielgruppe vollzieht sich in den wenigen Tagen, welche die Comic-Con trotz ihrer immensen Größe in Anspruch nimmt.
Die Herrschaft der Geeks
In einem Artikel der Variety wird als Meilenstein in der Entwicklung der Comic-Con die Veröffentlichung von Krieg der Sterne 1977 gesetzt sowie die spätere Präsentation des Trailers für Das Imperium schlägt zurück im Rahmen der Messe. Die Wegbereiter des Blockbuster-Kinos hatten recht früh ihre ersten Ansprechpartner unter dem Publikum ausgemacht. Der Siegeszug der Comic-Con lässt sich allerdings erst im Neuen Jahrtausend ausmachen. Zwischen 2000 und 2011 wuchs die Anzahl der Besucher von 48.500 auf über 126.000.
In dieser Zeit entdeckten die Studios in Hollywood eine Kultur für sich, die zuvor ein Schattendasein führte. In den 90er Jahren stellten wir uns unter Fandoms diese komischen Leute vor, die mit falschen Ohren Autogramme von William Shatner sammeln. Heute ist die exzessive oder zumindest scheinbar exzessive Auseinandersetzung mit popkulturellen Produkten en vogue geworden und das reicht von der Verehrung von Barney Stinson bis hin zur Teilnahme an den Quidditch-Weltmeisterschaften. Obwohl die Studios in den USA nach dem Millennium einige Chancen ausgelassen haben, ist ihre Antizipation der Geek-Kultur und deren rasanter Entwicklung im Internet fraglos eine der Erfolgsgeschichten des letzten Jahrzehnts. Glenn Kenny datiert den Aufstieg derselben auf die Veröffentlichung von Star Wars: Episode I – Die dunkle Bedrohung, womit sich der Kreis gewissermaßen schließt.
Die Comic-Con bot jedenfalls die Dating-Plattform für die Annäherung. Sie bildete den Treffpunkt von Produzenten und Konsumenten, wobei letztere durch ihre Affinität zum World Wide Web die perfekten Kanäle für die Vermarktung im Internet bereitstellten. Wurde in den Hallen der Comic-Con erstmals vom Hype um einen Film geflüstert, landete es wenige Tage, später Stunden und heute, dank Twitter, Minuten im Äther der weltweiten Vernetzung. Die Herren über die Filmseiten in der Nachhut von Ain’t It Cool News und Co. verbreiteten und verbreiten die nicht mehr ganz so stille Post im Nu.
Es ist nicht alles grün, was glänzt
Der Status der Comic-Con lässt sich nun jedes Jahr aufs Neue daran ablesen, dass Artikel über ihre sinkende Bedeutung geschrieben werden. Das hat sie mit ähnlich bedeutsamen Events wie Cannes oder selbst dem Oscar gemein. Letztes Jahr begann die Fassade tatsächlich zu bröckeln. Zwar hatte sich das Cast der Avengers 2010 auf der Con präsentiert, ein Jahr später ließ Disney die Veranstaltung trotzdem aus. 2012 verzichten immerhin Paramount und Fox auf die Teilnahme?, was zu erneuten Diskussionen um Sinn und Unsinn der Veranstaltung führte. Es mehren sich die Artikel, welche die Fixierung auf die Geek-Crowd in Frage stellen. Die Argumente leuchten ein.
Obwohl die Aura das Gegenteil suggeriert, gerät der Comic-Con-Hype um einen Film an den Hürden der real existierenden Box Office oft genug ins Stottern. Filme wie Tron Legacy, Cowboys & Aliens, Watchmen – Die Wächter, Kick-Ass und Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt wurden auf der Con frenetisch bejubelt. An den Kinokassen blieb ihnen der Erfolg verwehrt. Zum einen wird angeführt, dass die Studios hier Filme für eine Kundschaft bewerben, die längst die Tickets in der Tasche hat. Marvel-Fans und Edgar Wright-Fans werden sich Ant-Man in jedem Fall ansehen, aber wie steht es mit der großen Masse der Zuschauer? Diese Unwägbarkeit verwandelt offensichtlich als Fan-Properties umgesetzte Projekte wie Watchmen und Scott Pilgrim, aber auch kostenintensive Blockbuster wie Green Lantern in kommerzielle Risiken. Geeks allein können keinen Box Office-Erfolg produzieren und das ist wohl gut so. Die eintönige Superheldenfilm-Landschaft der letzten Jahre darf meinetwegen gern der natürlichen Selektion zum Opfer fallen.
Was am Einfluss der Comic-Con tatsächlich kratzt, ist der Zwiespalt von alteingesessenen und neuen Marken. Avengers und The Dark Knight hatten in der entscheidenden Phase die Comic-Con nicht nötig, da sie ihren im Unterbau geekigen Stoff für Nicht-Geeks maßgeschneidert haben. Selbiges gilt für The Dark Knight Rises. Bestehende Marken, die über die Fandoms hinaus Bekanntheit genießen, können auf die Marketing-Plattform Comic-Con verzichten. Geek-zentrische Filme wie Scott Pilgrim oder Watchmen predigen bei der Messe dagegen vor den Konvertiten. Es ist schließlich zu bezweifeln, dass das Einspielergebnis der neuen Hobbit-Filmen von der Comic-Con gestärkt wird. Allenthalben kümmert sich Warner hier um schlecht gelaunte Hardcore-Fans, die Angst vor 48fps haben und dies anderen Hardcore-Fans im Netz kundtun. Anschauen werden sie sich den Film sowieso.