Deutschland 83 - Unser erster Eindruck im Pilot-Check

25.11.2015 - 09:20 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Deutschland 83Sundance TV/RTL
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Morgen startet mit Deutschland 83 eine der am meisten erwarteten deutschen Serien bei RTL. Was könnt ihr von dem Agententhriller erwarten?

Da ist sie also, die Serie, die Deutschlands Reputation im weltweiten Fernsehgeschäft retten soll, die vielleicht nicht Wasser in Coca-Cola, aber zumindest Produktionsgelder in Kritiker- und Zuschauerjubel gleichermaßen verwandeln muss. Deutschland 83 stünde eigentlich vor unerfüllbaren Erwartungen, wären die acht Episoden von Anna und Jörg Winger nicht bereits im Sommer mit euphorischen Reaktionen in den USA gelaufen. Beim koproduzierenden Sundance TV fand die Premiere statt. Es ist ein kleiner, aber feiner Kabelsender, der Perlen wie das Ex-Todeskandidaten-Drama Rectify und die neuseeländische Krimi-Introspektion Top Of The Lake im Programm führt. Im direkten Vergleich mit diesen eher elegischen - und ziemlich sundancigen - Serienvertretern schießt Deutschland 83 erst einmal ins Fernsehliebhaberherz wie die Adrenalinspritze in den Brustkorb einer Gangsterbraut. Vielleicht waren die amerikanischen Kritiker deswegen so angetan von der deutsch-deutschen Agentenhatz, die morgen bei RTL startet. Oder sie sind einfach nur Fans von Nena. Wir haben uns vor dem Start und umgeben von ca. 98 imaginären Luftballons die ersten zwei Episoden von Deutschland 83 angesehen und verraten euch, ob sich das Einschalten lohnt.

Während andere Agentenabenteuer uns mit gestandenen Spionen bekanntmachen, entwickelt Deutschland 83 seinen Reiz durch eine ungewöhnliche Perspektive. Denn unser "Held" stammt nicht nur aus der DDR, er hat eigentlich auch gar keine Lust auf das Agentenleben. Jonas Nay spielt den Grenzsoldaten Martin Rauch, der seinen Dienst vorbildlich, aber nicht unerbittlich vollzieht. Seine Tante Lenora (Maria Schrader) sucht derweil einen jungen Mann mit militärischer Erfahrung und guten Englischkenntnissen, der im Westen in die Rolle eines Bundeswehrsoldaten schlüpfen kann, um dort hohe Offiziere zu belauschen. Vorbildlich muss er sein, so wie Martin, und den Rest könnt ihr euch eigentlich schon denken. Per K.-o.-Tropfen im Westkaffee wacht Martin eines Tages in Bonn auf. Ein erster Fluchtversuch in einem vor saftig gelben Bananen überquellenden Supermarkt schlägt fehl. Martin muss bleiben, denn sein Dienst für das Vaterland könnte seiner kranken Mutter zu einer dringend benötigten Organspende verhelfen. Also führt uns die von Edward Berger (Jack) inszenierte erste Episode durch einen Spionage-Grundkurs, bevor Martin unter seinem neuen Namen Moritz Stamm als Ordonnanzoffizier von General Wolfgang Edel (Ulrich Noethen) in eine Kaserne geschickt wird. Das Brisante an der Sache: Wir schreiben das Jahr 1983 und Edel ist gerade mit der NATO-Stationierung von Pershing II-Raketen beschäftigt. Der Kalte Krieg hat sich unter US-Präsident Ronald Reagan mächtig aufgeheizt und mittendrin steht Moritz, der durch Büros und Hotelzimmer pirschen muss, um Fotos von Top-Secret-Dokumenten für den HVA , den Auslandsnachrichtendienst der DDR, zu schießen.

In der ersten Folge führt uns das Drehbuch von Anna Winger behände und ohne Umschweife in den historischen Kontext ein, immer darauf bedacht, die poppigen Genre-Elemente nicht durch allzu ernste und ausführliche Diskussionen über die Verwicklungen und Verantwortungslinien des Kalten Krieges zu ersticken. Deutschland 83 ist zuallererst ein Agententhriller, der sich wenig darum zu scheren scheint, eine Geschichte über die DDR und die BRD oder über den Kalten Krieg zu erzählen. Das hat die Serie dem ebenfalls von Nico Hofmann produzierten revisionistischen Zweiter Weltkriegs-Quark Unsere Mütter, unsere Väter voraus. Die Versuche, eine ganze bzw. zwei parallel existierende Epochen einzufangen, beschränken sich bei Deutschland 83 auf mehr oder weniger dezente Unterschiede in Mobiliar, Mode und Sitten. So darf besagter Ausflug in den Supermarkt in den ersten Folgen ebenso wenig fehlen wie Trips zu einer westdeutschen Kommune oder Nacktbaden in der "Zone". Zunächst beharrt die Serie jedoch weniger auf zwei diametral entgegengesetzte Ideologien als ihrem zugrunde liegenden Dualismus. Im Kern des fesselnden und kurzweiligen Agententhrillers stecken Generationenkonflikte, die Mauern ohne Weiteres überwinden. Hier die Kalten Krieger, die ihre Kinder wie General Edel seinen Sohn Alex (Ludwig Trepte) in den Kampf zwingen, dort die jungen Menschen, die sich begleitet von jedem nur denkbaren Deutsche Welle- und New Wave-Song erst einmal selbst finden wollen, bevor sie sich dem Vaterland verschreiben.

Manches Mal verleiten Moritz' anfängerhafte Agenten-Aktionen in den ersten Episoden zwar zum Haareraufen. Einerseits weil sie so dumm sind, andererseits weil alle anderen zu dumm sind, um sie zu bemerken. Sein Lernvermögen in dem neuen Job dürfte aber auch zu den wichtigsten Thrills und Charakterentwicklungen der weiteren sechs Episoden von Deutschland 83 gehören. Eine ziemlich knackig inszenierte Kampfszene in Episode 2 zeigt Moritz noch als etwas tölpelhaften Selbstverteidigungskünstler. Wenn er danach aber blutverschmiert vorm Hotelspiegel steht und kichert, sollten sich die übrigen Kalten Krieger warm anziehen.

Deutschland 83 startet am Donnerstag, dem 26.11.2015, ab 20:15 Uhr in Doppelfolgen bei RTL.

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