Der Weiße Hai und Guilty Pleasure

13.08.2013 - 09:35 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
I think we gonna need a bigger corner...
Universal Pictures / moviepilot
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Während da draußen gerade Wirbelstürme voller Haie durch die Pampas brausen, wirft SamRamJam einen Blick auf den Urgroßvater der neuen Wetterrowdies und erklärt den Weißen Hai zu seinem ultimativen Guilty Pleasure. Mund auf und Aaaah sagen: Hier kommt die Speakers’ Corner!

Der Begriff Guilty Pleasure wird wohl jedem hier geläufig sein, ich erkläre ihn dennoch einmal kurz: Ein Guilty Pleasure beschreibt ein Laster oder eine Tätigkeit, bei der man sich in irgendeiner Form eigentlich schuldig fühlen sollte, die man aber trotzdem genießt. Unter Filmfreunden werden damit in der Regel Filme beschrieben, die allgemein als schlecht gelten (dieses „Schlechte“ kann von einer banalen Story, über lausige Effekte oder Schauspieler, bis hin zu kostengünstigen, also billigen Produktionen, auf so ziemlich alles bezogen werden – oder alle Gründe kommen zusammen), die ein einzelner Rezipient aber dennoch mag. Nehmen wir mal als Beispiel den Film Howard, ein tierischer Held, der in vielen Worst-Movies-Ever-Listen auftaucht. Ein gebildeter Filmschauer kann nun diesen Film trotzdem mögen, zum Beispiel, weil er damit vielleicht schöne Kindheitserinnerungen verbindet, als die eigenen Wertungsgrenzen noch sehr niedrig lagen, obwohl er objektiv vielleicht zugeben müsste dass der Film selbst für die 80er schon sehr käsig ist.

Ich selber meide den Begriff und benutze ihn für mich auch nicht. Der Grund ist einfach: Die Filme, die ich mag, die mag ich. Ich empfinde sie nicht als schlecht und fühle mich auch nicht dazu verpflichtet, wem auch immer Rechenschaft abzulegen, oder eine Entschuldigung anzubieten. Wenn derjenige meint Killer Krokodil II – Die Mörderbestie sei eine lausige Produktion, dann herzlichen Glückwunsch zur eigenen Meinung. Ich mag den Film, das reicht für mich als „Wertmaßstab“ vollkommen aus.

Nun aber zum Film Der weiße Hai. Eigentlich ein wirklich übler Film, der in umgekehrter Reihenfolge für mich als Guilty Pleasure betrachtet werden kann. Formal ist der Film sauber inszeniert, gar keine Frage. Aber was mich schon immer am Film störte, war sein tatsächlicher Einfluss auf die Realität, und somit dem tatsächlichen Töten von echten Tieren (in diesem Fall Haie). Ich glaube, viel an diesem Haiangstauslöser liegt an der Gestaltung des Inhalts. Es wird hier nämlich absolut gar kein Grund für das Verhalten des Hais angeboten, schlimmer noch, das Verhalten wird als absolut normal betrachtet. Selbst der Haiforscher, der eigentlich ein eiserner Verfechter für den Artenschutz sein sollte, scheint den Hai am liebsten tot sehen zu wollen.

Wenn wir die Monsterameisen und –Spinnen der 50er mal nicht unter dem Credo Tierhorror laufen lassen (sondern als Monsterfilm, obwohl es da schon viele Parallelen zu den Umweltwarnungen späterer Filme geben sollte), dann keimte diese Sparte Film erst so richtig mit den 70ern auf, also dem Jahrzehnt, in dem die Endlichkeit von Ressourcen nicht bloß eine krude wissenschaftliche Theorie war, sondern tatsächlich Einfluss auf die Wirtschaft nahm. Dazu dann ein ganz neues Grünes Bewusstsein, indem man eben nicht mehr ewig diesen Planetenraubbau betreiben sollte, den wir bis heute ganz gerne praktizieren (auch wenn sich da sicher schon einiges getan hat, für einige Tierarten leider aber schon zu spät). Dementsprechend normal ist es auch, dass gerade in diesem Jahrzehnt die ganzen gezeigten Viecher nicht einfach nur tollwütig oder bösartig sind, sondern immer als verlängerter Arm von Mutter Natur herself zurückschlagen. In manchen Filmen mehr, in anderen weniger deutlich.

Selbst in den einfachsten Tierhorrorfilmen, die sich einfach nur zum Selbstzweck eine krude Ausrede einfallen lassen, schwingt immer noch so eine Art Ökobotschaft mit. Ob das nun die Atommüllfässer aus Der Horror-Alligator sind, oder die Gentechnologie aus Deep Blue Sea.

Beim Weißen Hai nun aber nicht. Der Zweite schlägt da in die selbe Bresche, und tut einfach so, als wenn es vollkommen normal wäre, wenn alle paar Jahre ein menschfressender Hai auftaucht. Teil 3 bedient sich (auch wenn hier tatsächlich nur zum Selbstzweck) dem oft verwendeten Thema eines Muttertiers, das ihr Junges verliert und daraufhin Rache an den verantwortlichen Menschen nimmt. Einem Tier so ein menschliches Gefühl wie Rache aufdrücken zu wollen, ist zwar nicht nett, aber immerhin sind die Menschen in diesem Szenario selbst Schuld am folgenden Schrecken, daher will ich da mal nicht so sein. Über Der weiße Hai 4 – Die Abrechnung brauchen wir nicht reden. Da schwimmt ein Hai von der Ostküste bis in die Bahamas, weil er scheinbar vorhat alle Brodys dieser Welt zu fressen. Also wer so eine Idee verfilmt, gehört doch wohl selber gefressen.

Nun, zumindest habe ich Der Weiße Hai vom Thron meiner Lieblingsfilme gestoßen, da ich mich in der Tat immer weniger mit dieser reißerischen und fiesen Darstellung des Hais anfreunden kann. Ich werde den Film trotzdem auch weiterhin gucken, als reinen Fantasyfilm sozusagen, denn gut gemacht ist er ja. Und nun habe ich doch noch einen Guilty Pleasure. Manch einer mag das für Bescheuert halten, ich selber finde meine Guilty Pleasure Begründung allerdings sehr viel sinnvoller als die von vielen anderen. Warum Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels schlechter sein soll als die anderen drei, habe ich bis heute nicht verstanden.

Euch noch einen schönen Sommer und eine tolle Badesaison, und wer nicht gebissen werden will, sollte vielleicht lieber mal in den Pool, als in den natürlichen Lebensraum von Haien, denn in Gegensatz zu ihnen haben wir durchaus die Möglichkeit wo anders plantschen zu gehen.

Dieses Guilty Pleasure wurde uns von moviepilot-Mitglied SamRamJam an Land gezogen. Wenn ihr auch mal an unserer moviepilot Speakers’ Corner angeln und einen dicken Fang präsentieren wollt, euch ein Lieblingsfilm so peinlich ist, dass ihr einfach nicht länger schweigen könnt, oder ein angebliches Meisterwerk euch eher an Land fliehen lässt, dann werft zuerst einen kurzen Blick auf die Regeln, und dann: schreibt, schreibt, schreibt. Schickt einfach den fertigen Text an community[@]moviepilot.de und die Speakers’ Corner gehört Euch!

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