Dem Meister Michelangelo Antonioni zum Jahrhundert

29.09.2012 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
BlowUp - Ekstaze '67
Warner Bros.
BlowUp - Ekstaze '67
Heute wäre einer der ganz großen Männer des europäischen Kinos 100 Jahre alt geworden. Aus diesem Grund zollen wir dem Lebenswerk des italienischen Meisterregisseurs Michelangelo Antonioni dem ihm gebührenden Respekt.

Italienische Filmemacher haben einen ganz entscheidenden Teil zur Entwicklung des internationalen Kinos beigetragen. Gerade in den ersten Dekaden der Nachkriegszeit leisteten Regisseure wie Roberto Rossellini, Federico Fellini und Vittorio De Sica durch ihre knallharte Auseinandersetzung mit der Realität Pionierarbeit. Dazu gesellten sich noch etliche weitere Landsmänner, die ihre Vorstellungen in ganz anders gearteten bewegten Bildern auf die Leinwand bringen wollten, wie beispielsweise Luchino Visconti, Pier Paolo Pasolini und Michelangelo Antonioni. Letzterer hätte heute das Jahrhundert komplettiert. Leider verstarb der Regisseur 2007 im Alter von knapp 95 Jahren am gleichen Tag wie ein anderes europäisches Genie, Ingmar Bergman, so dass er seinen 100. Geburtstag nicht mehr mit uns feiern kann. Zu seinem Jubiläum möchten wir dem Altmeister trotzdem den Respekt zollen, der ihm zusteht, und sein prägendes filmisches Schaffen gebührend Revue passieren lassen.

Kino der Angst
In seinen Werken setzt sich Michelangelo Antonioni mit den Befürchtungen seiner Zeitgenossen auseinander. Es geht ihm nicht darum, die Menschen als Herdentiere darzustellen. Das glatte Gegenteil ist der Fall. Seine Figuren verlieren sich in der Moderne, in einer vom Wirtschaftswunder und der Atombombe geprägten, verängstigten Welt nach dem Krieg, die aber immer wieder vor einem neuen Krieg stand. Die nukleare Bedrohung war allgegenwärtig. Jeden Tag stand die Menschheit direkt am Abgrund. ‘Nach dem Spiel ist vor dem Spiel’, um eine alte Fußballerfloskel zu gebrauchen – nur dass es hierbei um Leben und Tod ging. Die Charaktere von Michelangelo Antonioni sind Ausdruck dieser verunsicherten Generation zwischen absolutem Fortschrittsglauben und dem Festhalten an den Traditionen eines dem Untergang geweihten Bürgertums. Sie verlieren sich inmitten einer technologisierten Gesellschaft. Die rote Wüste steht hierbei sinnbildlich für die Leere der modernen Industriekultur, in der jegliche Menschlichkeit abhanden gekommen ist und Fabriken und rauchende Schornsteine eine morbide Schönheit besitzen, die sonst eigentlich eher der Natur vorbehalten ist.

Kino der Einsamkeit
Einsamkeit ist einer der thematischen Schwerpunkte des Regisseurs, unter der sämtliche seiner Figuren auf ihre eigene Weise leiden müssen. Selbst in seinen frühen Werken, die allesamt Liebe zum Gegenstand haben, wird dies deutlich. Auch die Charaktere innerhalb Beziehungen leben höchstens nebeneinander her. Die Versuche, miteinander zu kommuzieren, scheitern am Ende immer kläglich. An die Stelle trauter Zweisamkeit tritt Voyeurismus. Sehnsüchtige Blicke verschaffen den Figuren von Michelangelo Antonioni eine Art Ersatzbefriedigung, die durch körperliche Nähe nicht zustande kommt. Besonders deutlich wird dies im Cannes-Gewinner BlowUp – Ekstaze ’67, in dem ein Modefotograf im London der ‘Swinging Sixties’ neben Models auch ganz normale Menschen auf der Straße ablichtet und dabei einem vermeintlichen Mord auf die Schliche zu kommen glaubt. Ironischerweise versetzt der italienische Regisseur seine Zuschauer aber in eine ähnliche Lage. Sie werden ebenso zu Schaulustigen wie seine Charaktere auf der Leinwand.

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