Das Tenet-Experiment ist gescheitert: Das Kino lebt trotzdem

16.09.2020 - 14:55 UhrVor 4 Jahren aktualisiert
John David Washington in TenetWarner Bros. Pictures
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Der Christopher Nolan-Blockbuster Tenet kam vor drei Wochen bei uns in die Kinos - trotz Corona. Das Experiment ging in Deutschland auf, woanders ist es allerdings gescheitert.

Wir als Kinosüchtige haben uns riesig gefreut: Tenet von Christopher Nolan kam am 26. August 2020 in die deutschen Kinos, trotz Corona- und Abstandsregeln. Fürs Studio Warner Bros. war der Start ein mutiges Wagnis. Trauen sich die Menschen wieder ins Kino? Funktionieren die Corona-Maßnahmen? Wird der Blockbuster finanziell erfolgreich?

Seit drei Wochen ist Tenet im Kino zu sehen, in einigen Regionen wie Japan, Indien und Lateinamerika allerdings nicht. In manchen Ländern, in denen der Zeitreise-Thriller lief, war er nicht in allen Kinos präsent, weil einige bis heute noch nicht wieder geöffnet haben. Zudem waren durch die Abstandsregeln weniger Gäste pro Kinosaal vorauszusehen. Wie ist es also gelaufen für Tenet am internationalen Box Office?

Tenet in Europa hat gut funktioniert

Schauen wir uns exemplarisch Deutschland an, dann hat das Tenet-Experiment gut funktioniert. Fast 740.000 Menschen ließen sich von Corona nicht abschrecken und besuchten wieder ihr Kino. In Christopher Nolans letzten Film Dunkirk strömte ein ähnlich großes Publikum. Dabei ist die Anzahl der Kinos, in denen Tenet läuft, mit ca. 700 sogar noch größer als bei dem Kriegsfilm.

Auch in Frankreich lief es für Tenet an den Kinokassen gut, verhältnismäßig gut in Großbritannien. Ebenso lässt sich der aktuelle Kassenstand in China sehen: 51 Millionen Dollar sind dort bis dato zusammengekommen, deutlich mehr als in den USA. Dunkirk hat im Reich der Mitte damals ähnlich viel eingespielt.

Bei einem weltweiten Einspiel von 207 Millionen Dollar zeigen sich einige Statistiken mit Tenet zufrieden, denn es hätte alles schlimmer kommen können. Immerhin hat der Blockbuster damit sein Produktionsbudget von geschätzten 205 Millionen Dollar auf den ersten Blick wieder eingespielt. Für einen richtigen Erfolg müsste die Summe bei 400 bis 450 Millionen Dollar liegen, wie Variety  anmerkt.

Die Sache mit dem Tenet-Erfolg ist aber nicht so einfach. Wir haben zwei Gründe, warum das Experiment gescheitert ist.

Erstens: In den USA hat es Tenet unendlich schwer

Auf dem heimischen Markt in den USA und Nordamerika hat Tenet bisher nur 29,5 Millionen Dollar eingespielt. Bei einem Blockbuster dieser Größenordnung ist dabei das Wort Flop nicht weit entfernt. Alle Nolan-Filme nach Memento haben deutlich mehr Dollars an den Kinokassen verdient.

Die Ursachen sind vielfältig. Tenet lief in ca. 2800 Kino statt wie üblich bei einem derartigen Blockbuster in 4.000 bis 4.300. Viele Kinos haben noch nicht geöffnet, etwa in kinostarken Regionen wie New York, Los Angeles und San Francisco. Zudem greifen die Corona-Maßnahmen in den USA nicht und die Situation im Land ist deutlich komplizierter als bei uns in Deutschland.

Zweitens: Warner Bros. verdient im Ausland weniger

Auch wenn die Box-Office-Zahlen in Europa und China gut aussehen, sollten wir nicht vergessen, dass die US-Studios an den ausländischen Einnahmen deutlich weniger als in den USA mit verdienen. Die Kinoabgaben müssen abgerechnet werden.

In Deutschland wird von der Kinokarte zunächst die Mehrwertsteuer, die FFA-Abgabe und die GEMA-Gebühr abgerechnet. Den verbleibenden Rest teilen sich dann Kino und Verleiher. Aktuell gehen zwischen 43 und 53 Prozent des Nettokartenpreises an das Studio. Wenn also Tenet ca. 11 Millionen Dollar in Deutschland eingespielt hat, kommen Pi-Mal-Daumen ca. 5,5 Millionen Dollar bei Warner Bros. an.

In einigen Ländern wie etwa China behalten die Kinos noch mehr von ausländischen Filmen, so dass der Gewinn für die Studios noch geringer ausfällt. Insofern braucht ein Blockbuster wie Tenet, der ohne Merchandise-Einnahmen wie Disneys Animationsfilme auskommen muss, unbedingt den US-Markt. Hier ist für die US-Studios im Verhältnis am meisten zu verdienen.

Tenet

Blockbuster funktionieren mittlerweile fast nur noch global, auch wenn es je nach kulturellen Besonderheiten und Vorlieben zu einigen Verschiebungen bei den regionalen Umsätzen kommt. Trotzdem ist der Rest der Welt hinsichtlich des Kinostarts immer noch abhängig vom US-Einspiel.

Die Kinostarts nach dem Tenet-Experiment

Es ist also kein Wunder, dass die US-Studios auf den heimischen Kinomarkt schauen, das Tenet-Experiment von Warner Bros. ganz genau beobachtet haben und deshalb gerade wieder einige der großen Kinostarts verschoben worden sind, zum Beispiel:

Im Oktober gibt es so gut wie keinen großen Kinostart. Im November erwarten uns dann eigentlich Black Widow und James Bond 007 - Keine Zeit zu sterben. Allerdings steht auch der Kinostart des Marvel-Films auf der Kippe. Für Bond können wir nur hoffen.

Auch wenn das Tenet-Wagnis finanziell nicht funktioniert hat, zeigt sich trotzdem: Eingefleischte Filmfans haben sich trotz der Corona-Umstände nicht abschrecken lassen. Das Kino lebt - trotz alledem. Vielleicht müssen die Studios nach dem COVID-19-Virus anders denken und wieder mehr auf die Bedürfnisse der Filmfans schauen.

FILMSTARTS-Podcast: Tenet erklärt

Die FILMSTARTS-Kollegen widmen sich in ihrem Podcast Leinwandliebe erneut dem neuen Film von Christopher Nolan: Auf vielfachen Wunsch hin diskutieren sie "Tenet" nun detailliert mit Spoilern und beantworten die größten Fragen.

Moderator Sebastian Gerdshikow hat die Redakteure Julius Vietzen und Markus Trutt zu Gast, die sich bereits in der ersten "Tenet"-Folge warmgesprochen haben.

Was sagt ihr dazu, dass nach Tenet große Kinostarts nach hinten verschoben wurden?

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