Das Silberne, das Blaue, das Rote der Corinna Harfouch

16.10.2014 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Gerburtstagskind Corinna Harfouch in Finsterworld
arte/br
Gerburtstagskind Corinna Harfouch in Finsterworld
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Sie ist die Charlotte Rampling der deutschen Filmlandschaft. Harsch, sensibel, kritisch, unnahbar und blitzgescheit. In einem TV-Krimi werden wir Corinna Harfouch trotzdem so bald wohl nicht mehr sehen. Heute begeht sie erstmal ihren Ehrentag.

Das deutsche Fernsehen hat seine Puppen, seine Schauspielerinnen des Volkes. Es gibt 'Die Ferres' (schön & rumpel-emotional) und 'Die Neubauer' (klebrig, freundlich & moppel-ich). Mit dem 'Die' vor dem geläufigen Hinternamen (das, in der Presse verwendet, wie eine Diagnose daherkommt) strecken die Boulevardblätter und Tratschtanten ihren Schützling nieder, machen sie zu einer der ihren. 

Wem das zustößt, der ist mehr Star als Schauspielerin, mehr Projektions- und Identifikationsfigur als Künstlerin, einfach ein Gesicht, so vertraut wie das eigene knittrige Spiegelbild am Morgen. Bei Corinna Harfouch würde niemand darauf kommen, sie in einem Gespräch beiläufig, aus Bequemlichkeit 'Die Harfouch' zu nennen. Dafür ist sie zu verschleiert, zu wenig Star, zu viel Schauspielerin. 

Ein kontrollierter Vulkan der Emotionen

Das mag auch an dem phonetisch anspruchsvollen Nachnamen liegen, den sie aus ihrer ersten Ehe mit einem syrischen Informatiker mitnahm. Oder daran, dass Corinna Harfouch so was wie eine deutsche Charlotte Rampling ist: Immer etwas unterkühlt, selten wirklich sympathisch, eben eine Grande Dame, eine imposante, respekteinflößende, silberblonde Erscheinung. 

Wir kennen Corinna Harfouch als unheimlich besonnene und präzise Analytikerin komplexer Persönlichkeiten. Der TV-Film Der Fall Bruckner zeigte sie kürzlich als Sozialarbeiterin, die von der Bürokratie der Ämter zermalmt wird. Corinna Harfouchs Leistung ist ein intensives Ereignis, ihr Charakter ein von Selbstdisziplin in Zaum gehaltener emotionaler Vulkan, der Film ein eineinhalbstündiges Mexican-Standoff der Figur und ihrer Triebe. Die ganze Zeit über geht es um Kontrolle.

Ein Gesichtsausdruck, aus dem Blitze schießen könnten

Die behält Corinna Harfouch auch meist über ihre Fähigkeiten, wenngleich sie bisweilen zu übermäßiger Exaltiertheit neigt, die sich wohl in ihrer Theater-DNA ergründen lässt. An der Berliner Volksbühne spielte sie noch zu DDR-Zeiten Shakespeare-Stücke. Aus einem Gefühl wird deshalb nicht selten eine Fratze. So auch als Jugendamtsmitarbeiterin Bruckner, wenn sich zur Mitte des Films, dem Tiefpunkt des Charakters, alles und jeder gegen sie verschworen hat und Harfouch einen tränenverstopften Vortrag mit Gesichtsausdrücken interpunktiert, aus denen stahlblaue Blitze schießen könnten.  

60 Jahre, 6 große Rollen,

Aber der sparsame und vor allem pointierte Einsatz dieser Mimikgewitter lässt ihr das Over-Acting als Stil, als Kalkül auslegen. Ein Stil und eine Qualität, die sie verlässlich abruft. Weder als verwunschene Magda Goebbels in Der Untergang noch als böse Hexe Rabia in Bibi Blocksberg lässt sie Mimik und Körpersprache schleifen. Schauspielerisch fristet sie schon längst in der Liga, in der auch Martina Gedeck, Matthias Brandt und Sandra Hüller sich unlängst eingefunden haben. 

Doch wer ernsthaft schauspielern und dabei auch angemessen beachtet werden möchte, der macht eben Fernsehen. Dort pickt Harfouch sich stets die Filetstücke der ihr angebotenen Drehbücher heraus. Sie gehört zu den vier, fünf Schauspielerinnen, die das tun, und dennoch ruhig schlafen können. Über zwanzig Kino- und Fernsehpreise kamen dabei über die Jahre für Hauptrollen in Filmen wie Vera Brühne zusammen.

Es gab unfassbar viel Schrott, und der wird eben verschrottet.

Aber auch über das Fernsehen hat Corinna Harfouch was zu erzählen. Mitte September diesen Jahres holte sie zum  Rundumschlag  gegen die deutschen Sendeanstalten und TV-Redaktionen aus.  

Es gibt bei den Sendern nur noch ganz wenige Redaktionen, über die ich sage: Die sind noch irgendwie bei Trost, die denken noch nach, die pflegen noch eine Fantasie, die nicht von Tausenden Regeln erstickt ist. 

Und über gute deutsche Fernsehserien würde nur deshalb niemand reden, weil es schlicht keine gebe. Dafür aber zu viele Krimis, die Corinna Harfouch gleichsetzt mit reaktionärer Feigheit. 

Wer sie dafür arrogant nennt, wäre nicht der erste. Denn eine, die regelmäßig die Rollen in den Fernsehfilmen (Krimis) am Sonntag, Mittwoch oder Montag einstreicht, hat ja leicht reden. Dabei hat Corinna Harfouch es sich nie leicht gemacht. Und das tut sie wohl auch nicht mit diesen Aussagen, mit denen sie ihr eigenes Nest beschmutzt.

Auf derart universelle Schelten folgt nur selten Versöhnung. Denn auch für die filmischen Fabrikate der DDR hatte Harfouch kein nettes Wort übrig. "Es gab unfassbar viel Schrott, und der wird eben verschrottet." Das meiste, was damals produziert worden war, sei "mittelmäßig, hässlich, grob und ungekonnt" gewesen. In ihrer Kritik ist sie schonungslos, konsequent, kühl, mit Momenten des Ausbruchs, in denen sie nur Rot zu sehen scheint. Wer will ihr schon widersprechen? Mit so eisig scharfen Augen blickt im Deutschen Fernsehen eigentlich nur noch Marietta Slomka in die Kameralinse.

Ein winzig kleines Ereignis

Und der 60. Geburtstag, der heute ansteht? Über den möchte Corinna Harfouch am liebsten gar nicht sprechen. Als der Redakteur des Blattes, das ihr die harsche Kritik an den Öffentlich Rechtlichen entlockte, zu dem „Jubiläum“ überleiten wollte, das ja bald anstehe, blockte sie rigoros ab. „Meinen Sie, dass ich sechzig werde? Geht es jetzt um meinen Geburtstag?“ Dabei spielte der gute Mann lediglich auf den 25. Jahrestag des Mauerfalls an. Wir gratulieren Corinna Harfouch trotzdem mal. Ganz vorsichtig und respektvoll. Alles Gute. 

Was haltet ihr von Corinna Harfouch?

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