Dame, König, As, Spion - genial & unerreicht

05.07.2011 - 08:50 Uhr
Dame, König, As, Spion
The Guardian / BBC / moviepilot
Dame, König, As, Spion
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Bevor die Neuverfilmung dieser ausgezeichneten Serie aus den goldenen Jahren der BBC in die Kinos kommt, müsst ihr euch die beste Spionage-Oper aller Zeiten anschauen. Auf die Nase mit der dicken Brille, George Smiley wartet auf euch!

Tomas Alfredson (So finster die Nacht) hat die Kinoversion Dame König As Spion von König, Dame, As, Spion vor kurzem abgedreht mit einer Besetzungsliste, die mich bereits vor Monaten halb ekstatisch den Vormerk-Knopf drücken ließ. Gary Oldman als Smiley, Benedict Cumberbatch als Guillam, Colin Firth als Bill Haydon, Toby Jones als Percy Alleline, Christian McKay, Mark Strong, Ciarán Hinds, Tom Hardy… Auf keinen anderen Film freue ich mich derzeit mehr. Und doch, so beeindruckend die Liste der Namen auch ist, habe ich große Zweifel, dass der Film an meine Lieblingsserie, die fantastische BBC-Mini Series aus dem Jahr 1979 heranreichen kann.

Bond kann mich mal!
Basierend auf der George Smiley-Romanreihe vom alten Spion David Cornwall, besser bekannt als John le Carré, entstand Ende der Siebziger diese Serie mit dem unvergleichlichen Sir Alec Guinness in der Hauptrolle. Smiley sucht in “Tinker, Tailor, Soldier, Spy”, so der Originaltitel, nach der Identität eines Maulwurfs in den obersten Etagen des britischen Geheimdiensts. Ohne offiziellen Auftrag ist niemand unverdächtig und die Operation ist hochgeheim.

Le Carrés George Smiley und sein MI6 sind die Antithese zu Ian Flemings James Bond-Welt. Oder wie es in “The Spy Who Came in from the Cold” heißt: “What the hell do you think spies are? Moral philosophers measuring everything they do against the word of God or Karl Marx? They’re not! They’re just a bunch of seedy, squalid bastards like me: little men, drunkards, queers, hen-pecked husbands, civil servants playing cowboys and indians to brighten their rotten little lives. Do you think they sit like monks in a cell, balancing right against wrong?” Es gibt keine Gadgets, keine Schießereien, keine großen moralischen Kämpfe, Gut oder Böse, nur die Banalität des Alltags und die einzig wirklich mächtige Waffe ist Wissen.

Ganz nach Churchill: “A riddle, wrapped in a mystery, inside an enigma”
Von den wunderbaren, düsteren Opening Credits mit ihren zunehmend zornigeren und schließlich gesichtslosen Matroschka-Puppen, hin zum “Lord, now lettest Thou Thy servant depart in peace” singenden Chorknaben am melancholischen Ende einer jeden Folge. Melancholisch, trocken, nihilistisch, so ist König, Dame, As, Spion. Männer reden. Sie reden in Räumen, an Tischen, in Parks, im stehenden Auto, im fahrenden Auto, in Büros, und in Restaurants. Ein klein wenig Action gibt’s nur ganz am Anfang und am Ende, Gewalt findet fast nur off-screen statt, und es war trotzdem oder gerade deshalb unglaublich spannend.

Denn diese Serie tut das, was ich immer enorm zu schätzen weiß, sie respektiert den Zuschauer. In dem scharfsinnigen, komplexen Plot mit seinen zahlreichen Figuren wird nichts wiederholt, Aufmerksamkeit und Mitdenken werden vorausgesetzt. Manche Handlungsentwicklung wird nicht mal in Dialogen ausgesprochen, sondern ist nur in Nuancen und den Gesichtern der Darsteller abzulesen.

Schon nach der ersten Szene war ich ganz verliebt in diese Serie
Sicher nicht jedermanns Geschmack, aber ich hatte sofort ein breites Grinsen im Gesicht. Nach und nach betreten Männer, die sich kurze Zeit später als Hauptverdächtige herausstellen werden, einen Raum und setzen sich an einen Tisch. Jeder tut dies auf eine ganz spezielle, ihren Charakter bereits definierenden Art und Weise. All das dauert zwei Minuten, in denen kein Wort gesprochen wird. Als alle vier da sind, richtet sich der Mann am Kopf des Tisches auf, zündet sich eine Pfeife an, schlägt die überdimensionierte Akte vor sich auf und sagt ruhig: “Right… We shall start.” Dann beginnt der Vorspann. Große Klasse!

Le Carrés eigene Agentenlingo von “Circus”, “Lamplighters”, “Scalphunters”, “Babysitters” usw. hat man schnell erlernt. Die Dialoge mit ihrem trockenen Humor in teils wundervoll überakzentuiertem Englisch sind noch dazu zum Kringeln. Daneben fühlt sich alles sehr deprimierend authentisch an. Von den Bezügen zu echten Fällen ganz zu schweigen. Kim Philby war das Vorbild für den Verräter dieser Geschichte und just zur Zeit der ersten TV-Ausstrahlung wurde dessen Verrätergenosse Anthony Blunt überführt.

Obi-Wan Kenobi gegen Captain Picard
Schließlich thront jedoch Alec Guinness in seiner vielleicht besten Rolle als George Smiley über allem. Wortkarg und autoritär zieht er dich als Zuschauer in seinen Bann. Man kann den Blick nicht von ihm abwenden, aus Angst, man könne auch nur den kleinsten Hinweis in seiner Mimik verpassen. Versnobt, verstockt, verletzlich und sarkastisch wenn nötig (“Have you noticed, Peter, that whenever I really trouble one of our acquaintances with my questions, he’ll raise the matter of my failure as a husband… to confound me. Instructive!”), ist er ein durch und durch britischer Held. Er ist kein Typ, den die meisten auch nur ein zweites Mal ansehen würden, er fährt keine teuren Autos, legt keine spärlich bekleideten Models flach, oder schlägt sich mit seinen Gegnern. Doch ist Smiley ein bei weitem stärkerer und bewundernswerterer Charakter als James Bond es je sein könnte.

Neben ihm brillieren noch weitere britische Schauspiel-Urgesteine: Ian Richardson, Bernard Hepton, Ian Bannen, Michael Jayston und Joss Ackland, der in keinem Film, der mit dem Kalten Krieg zu tun hat, fehlen darf. Schließlich ist auch noch Sir Patrick Stewart mit von der Partie, als Smileys russischer Gegenspieler Karla, der nur einen langen, wortlosen Auftritt hat, aber als Mann der die Fäden aus der Ferne zieht, durchweg präsent ist. Seine Besetzung verleiht König, Dame, As, Spion für alle Sci-Fi-Fans einen zusätzlichen Bonus, nämlich das Quasi-Duell Obi-Wan Kenobi gegen Captain Picard.

Dieses steht jedoch erst in der Fortsetzung “Smiley’s People” vollkommen im Mittelpunkt, die ich euch abschließend ebenfalls ans Herz legen möchte.

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