Die wenigsten unter euch haben wahrscheinlich Blunt Talk gesehen. Die Comedy-Sendung mit Patrick Stewart hatte nur eine kurze Lebensspanne von 2015 bis 2016. Nach nur zwei Staffeln mit insgesamt 20 Folgen wurde die Sendung rund um den Nachrichtenmoderator Walter Blunt (Stewart) abgesetzt.
Nachrichtenmoderator? Klingt erst einmal unspektakulär, und hätte ich nicht durch Zufall erfahren, dass Patrick Stewart mitspielt, dann wüsste ich vermutlich bis heute nichts von der Serie. Ich sah mir den ersten Trailer an und war nicht sonderlich begeistert. Der Trailer macht viel Aufhebens darum, dass der von vielen Leuten als sehr ernst angesehene Stewart (der zum Beispiel Charles Xavier aus X-Men und Captain Picard aus Star Trek: Das nächste Jahrhundert spielt) sich für Klamauk mit viel Alkohol, Drogen und Sex hergibt. Die fertige Serie wird diejenigen, die eben nur diese Albernheiten erwarten, nicht lange bei der Stange halten können, denn es steckt viel mehr Tiefgang, Empathie und Witz in ihr, als der Trailer vermuten lässt. Und deswegen hat mich die Serie nach zwei, drei Folgen in ihren Bann gezogen.
Ein Nachrichtensprecher, der selbst zur Nachricht wird
Walter Blunt ist also ein Nachrichtenmoderator im höheren Alter. Seine Sendung ist seit längerer Zeit auf dem absteigenden Ast, die Quoten fallen, und mit ihm auch die Verfassung des Mannes. Schon in der ersten Folge wird er dabei erwischt, wie er Sex mit einer transsexuellen Prostituierten hat und betrunken Auto fährt. In Folge dessen wird er schließlich verhaftet. Als er während einer Live-Übertragung plötzlich umfällt und eine Nahtoderfahrung hat, beschließt er, sich und das Konzept seiner Sendung neu zu erfinden. Ab jetzt möchte er für die Menschen da sein, ihnen die düstere Wahrheit über unangenehme Themen präsentieren, aber ihnen vor allem auch Hoffnung geben. Jedoch ist dieses Konzept schwieriger umzusetzen als zunächst angenommen, denn letztlich ist jeder nur menschlich, und sich von heute auf morgen sich komplett zu verändern, ist nicht so leicht. So kämpft Blunt mit persönlichen Problemen wie der Trinksucht, seinen gescheiterten früheren Beziehungen und der Liebe zu seinem Sohn, während er versucht, seine Sendung wieder auf Vordermann zu bringen.
Das klingt erstmal eher nach Drama als nach Komödie. Jedoch kommt Blunt Talk sehr leichtherzig daher. Die Menschen in der Serie haben eine ganz eigene Art, mit einander umzugehen. Während bei anderen Sitcoms viel Witz, Dialog und der Plot daraus gezogen wird, dass sich die Leute nicht verstehen, aneinander vorbei reden und sich selbst besser darstellen als sie sind, sind die Charaktere in Blunt Talk immer sehr einfühlsam und hören sich zu. Der Schöpfer und Autor, Jonathan Ames, sagt über die Serie :
Ich möchte nicht, dass der Humor zwingend von Spott und Hohn kommt. Häufig ist mir bei anderen Serien aufgefallen: 'Diese Leute sind eigentlich Freunde, trotzdem sind sie unglaublich gemein zueinander.' Ich mag Charaktere, die sich vielleicht ein bisschen das Leben schwer machen, aber sich trotzdem gegenseitig wertschätzen. Ich möchte, dass der Humor erhebend ist.
Wenn Obszönität und Absurdität aufeinander treffen
Woraus besteht dann aber der Humor in Blunt Talk? Wenn Walter Blunt kein Bad-Guy ist, kein Arschloch, sondern den Leuten wirklich helfen möchte, aber an sich selbst scheitert, an seiner eigenen Menschlichkeit mit all den Vor- und Nachteilen, ergibt sich ein weites Feld, um die Charaktere in witzige Situationen zu bringen. Natürlich enthält die Serie auch Spuren direkten, kindischen und obszönen Humors, etwa wenn Walter am Flughafen einen verzweifelten Kampf mit dem Klo und den widerspenstigen Waschbecken und Seifenspendern ausführt. In solchen Momenten könnte man meinen, den Einfluss des Blunt Talk-Produzenten Seth MacFarlane, seinerseits Schöpfer von Family Guy und Ted, zu spüren. Während solche schnelle und unkomplizierte Komik das ist, was in den Trailern hauptsächlich gezeigt wird, gibt es noch die Komik, die "leiser" daher kommt und schon fast etwas unterschwellig ist und nur für einen kurzen Moment überhaupt greifbar wird. Dafür ist das schauspielerische Talent von Patrick Stewart perfekt, der es schafft, durch seine trockene Art besonders komisch zu sein.
Beste Freunde können sich auch schon mal nackt malen
Blunt Talk schwenkt häufig ins Absurde über, etwa wenn eine Episode mit einem Traum Walters eröffnet wird, in dem er mit vielen extravagant gekleideten Frauen eine Musical-Nummer tanzt, oder wenn Walter ein Akt-Bild von Harry in der Sonne malt und das mit Renaissance-Malerei vergleicht. Überhaupt ist die Beziehung zwischen Harry und Walter die wohl wichtigste und intimste in der Sendung. Die anderen Charaktere sind zwar alle auf die eine oder andere Art und Weise sympathisch, erreichen aber nicht die Tiefe der beiden Männer, die gemeinsam in einer Villa leben. Harry ist Butler, Chauffeur, Hausmädchen, Sekretär, genereller Beistand und der beste Freund von Walter. Das Zwischenspiel zwischen Freundschaft und Arbeit nimmt oft ulkige Formen an. So liest Harry Walter zum Einschlafen jeden Abend aus Büchern vor, damit er einschlafen kann, zum Beispiel Winnie Pooh oder den Koran. Sie machen Stockfechten und trinken gemeinsam in der Hausbar.
Kontrahenten oder Übeltäter hat Blunt Talk verhältnismäßig wenig. Und auch diese Menschen haben einen gewissen Charme und eine Zugänglichkeit, wie zum Beispiel der vegane Öko-Terrorist, der auf seine eigene stümperhafte Weise für das Wohl der Menschen kämpft. Die Situationen wirken nie sonderlich gefährlich, da die Charaktere viel zu besonnen reagieren, als dass echte Gefahr aufkommen könnte. Was anderen Sendungen schaden könnte, funktioniert in Blunt Talk sehr gut. Es geht nicht um die Gefahr, sondern um die Charaktere und ihre Beziehung, das kleine Detail dazwischen. Alle Charaktere haben die ein oder andere Marotte und verhalten sich sonderbar, doch respektieren und akzeptieren sie sich gegenseitig.
Natürlich ist Blunt Talk nicht perfekt und trifft nicht jedermanns Geschmack. Jedoch finde ich auch genau das an dieser Serie sympathisch. Sie sticht durch ihre einzigartige Art heraus und vermittelt mit ihrer Menschlichkeit und dem eigensinnigen Humor schon in wenigen Episoden das Gefühl von Zugehörigkeit und Zusammenhalt.
Habt ihr Blunt Talk gesehen?