Black Mirror - Staffel 3, Episode 5 im Recap

25.10.2016 - 09:00 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Malachi Kirby in Men Against Fire (Black Mirror - Staffel 3, Episode 5)Netflix
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In Men Against Fire, der 5. Episode der 3. Staffel von Black Mirror, erschafft Charlie Brooker eine Dystopie, in der sich die Gesellschaft in zwei deutliche Lager aufspaltet. Im Mittelpunkt der Geschichte befindet sich ein Soldat, der die Grenzen durchbricht.

Was ist Wahrheit, was ist Wirklichkeit? Das Konzept von Black Mirror ist prädestiniert, um diese Frage zu stellen. Immer wieder bewegen sich die Episoden auf dem schmalen Grat der (un-)zuverlässigen Wahrnehmung. Täuschungen gehören an die Tagesordnung. Ebenso Plottwists, die in letzter Minute alles zuvor Erarbeitete wieder über den Haufen werfen. Serienschöpfer Charlie Brooker ist sich dieser Eigenschaft sehr bewusst und weiß sie für gewöhnlich zu seinem Nutzen einzusetzen. Auch in Men Against Fire, der 5. Episode der 3. Staffel, ereignet es sich, dass ein winziges Detail die zuvor etablierte Welt auf den Kopf stellt. Was als Metapher gut funktioniert und gerade im Jahr 2016 nicht von größerer Bedeutung sein könnte, verliert trotz toller Darsteller beim konkreten Beispiel an Durchschlagskraft. Zu exemplarisch wird die Geschichte erzählt, als dass die Enthüllung bleibenden Eindruck hinterlässt.

Men Against Fire ist in einer Zukunft angesiedelt, die unserer Welt gar nicht so unähnlich ist. Im Mittelpunkt der Geschehnisse befindet sich ein junger Soldat namens Stripe (Malachi Kirby), der motorisch den Befehlen seiner Vorgesetzten folgt. Unzählige seiner Kolleginnen und Kollegen tun es ihm gleich. Niemand stellt Befehle in Frage, sondern folgt schlicht den Anweisungen, die von der nächsthöheren Position erteilt werden. Stumpf ist Trumpf: Selbst wenn es im Einsatz zum Gefecht kommt, bleiben die Kämpfer stark und glänzen mit Gehorsam. Es ist regelrecht gruselig, wie automatisiert die Bewegungsabläufe vonstattengehen, wie koordiniert der Zugriff erfolgt. Befremdlich wirkt zudem ein technisches Gerät, eine Art Kontaktlinse, die den Soldaten holographische Karten zeigt sowie zusätzliche Informationen über die Personen und Gegenstände in ihrem Umfeld. Die Point-of-View-Perspektive gleicht dem Blick einer Maschine wie dem Terminator.

Malachi Kirby in Men Against Fire

Doch in Wirklichkeit stehen da immer noch Menschen aus Fleisch und Blut. Gleich zu Beginn betont Regisseur Jakob Verbruggen diesen Umstand, als er in die Traumwelt des Protagonisten entführt. Dort wartet in warmen Farben seine Freundin im heimischen Garten. Der Wind weht durch ihr Haar und ein freundliches Lächeln zieht sich über ihr Gesicht. Dieser Traum ist perfekt. Dieser Traum ist Strikes heile Welt und steht im Gegensatz zu all den kalten Räumen auf der Militärstation, auf der er sich befindet. Solange dieser Traum existiert, kann die feindselige Umgebung Strike nichts anhaben. Dennoch stellt sich die Frage: Sind die Bilder echt oder eine inszenierte Erinnerung. Bereits Playtest führt uns sprichwörtlich vor Augen, wie der Geist durch den Fortschritt getäuscht werden kann. Warum sollte Men Against Fire nicht noch einen Schritt weitergehen und die behauptete Geschichte in wenigen Minuten als pure Farce entlarven.

Ganz so schnell erhalten wir allerdings keine Antworten auf die vielen Fragen, die sich innerhalb der ersten 20 Minuten stellen. Stattdessen vertraut Charlie Brooker der bewährten Taktik, die Regeln und Umstände der Episode erst nach und nach zu enthüllen. Immerhin setzt sich ein Großteil der Faszination von Black Mirror aus dem Entdecken zusammen, das durch die gefilterte Informationsvergabe gefördert wird. Nie offenbaren die Erzählungen auf den ersten Blick ihren Kern. Mit beachtlichem Geschick bringt uns Charlie Brooker ständig dazu, uns unsere eigenen Gedanken zu machen - sei es nur, um das mit aller Deutlichkeit angeteaserte Geheimnis der Episode zu entschlüsseln. Passend dazu hüllt Jakob Verbruggen das Gezeigte in neblige Bilder der Ungewissheit. Schon in The Fall: Tod in Belfast und London Spy demonstrierte er, dass er ein Meister ist, wenn es darum geht, die Figuren vor matten Hintergründen zu isolieren.

Stimmung und Atmosphäre sind großartig. Men Against Fire besitzt durchaus seine Stärken, besonders, wenn ein Einsatz von Stripes Einheit schief läuft. Ein Dorf wurde von bösartigen Mutanten, genannt Roaches, überfallen, die sich mittels Gewalt wertvoller Vorräte bemächtigt haben. Erneut werden wir Zeuge davon, wie organisiert die Soldaten sind und wie hilfreich die technoligischen Gadgets bei ihrer Arbeit sind - sie können sich geradezu blind darauf verlassen. Das einzige, was die Soldaten im Fall einer unglücklichen Begegnung noch tun müssen, ist, den Abzug zu drücken. Aber kein schlechtes Gewissen: Die Roaches stammen von einer schlechten Blutlinie ab, sind anfällig für kriminelles Verhalten und strotzen nur so vor Krankheiten. Wie Wilde überfallen sie die Menschen in all ihrer Ordentlichkeit. Folglich gilt es, die Welt von diesem Ungeziefer zu säubern, bevor es sich noch der letzten Bastion der rechtschaffenden Bevölkerung bemächtigt.

Im Zuge des Zugriffs passiert jedoch etwas Unerwartetes: Kurz bevor Stripe einen der Widersacher über den Jordan schicken kann, wird er von einem grellen grünen Licht geblendet und erleidet daraufhin starke Kopfschmerzen, die zudem für eine Verzerrung seiner Wahrnehmung verantwortlich sind. Ein tinitusartiges Geräusch in seinem Kopf sorgt für Orientierungslosigkeit. Selbst im Schlaf reißt ihn die Anomalie aus verführerischen Träumen und lässt in schweißgebadet aufwachen. Vom Militär-Psychiater (Michael Kelly) bekommt er keine Probleme bestätigt. Dennoch fühlt sich die Welt auf einmal ganz anders an. Als hätte Stripe verlernt, richtig zu sehen, richtig zu riechen, richtig zu fühlen. Sprichwörtlich setzt er sich ins Gras und nimmt Dinge wahr, die sich lange Zeit gänzlich seiner Wahrnehmung entzogen haben. Der Twist kündigt sich mit großen Schritten an: Die Soldaten wurden manipuliert. Das Gerät vor ihren Augen hat ihre Sinne komplett betäubt.

Michael Kelly und Malachi Kirby in Men Against Fire

Für Stripe ist es das Erwachen aus einem furchtbaren Albtraum, was nur dadurch noch potenziert wird, dass niemand um ihn herum den offensichtlichen Schwindel begreift. Men Against Fire setzt an dem Punkt der Geschichte an, wo Propaganda und Falschinformation zur neuen Wahrheit geworden sind und als Selbstverständlichkeit akzeptiert werden. Wo sich Stripe in einem vorherigen Gespräch noch über die Erleichterung des Tötens äußerte, fährt ihm nun ein kalter Schauer den Rücken hinunter: All seine Tagen wurden ausschließlich durch den Glauben an eine ausgeklügelte Farce motiviert und gerechtfertigt. So lange er sich erinnern kann, kämpft er voller Überzeugung für eine Sache, die ausschließlich auf Lügen basiert. Leider gelingt es Charlie Brooker nicht, diese schockierende Erkenntnis adäquat in die Handlung der Episode zu übersetzen. Fortan verlässt sich Men Against Fire unerwartet stur auf diese eine Enthüllung, die alles verändert hat.

"The world may think I'm foolish / They can't see you like I can", singt Jessica Brown in ihrer Hit-Single Anyone Who Knows What Love Is (Will Understand), die kurzzeitig in Men Against Fire anklingt und von der größeren Vision zeugt, die Charlie Brooker für diese Episode vorgesehen hatte. Auch der letzte Akzent der Odyssee zwischen Schein und Wirklichkeit sorgt für Gänsehaut und manifestiert Stripes tragisches Schicksal in einer vernichtenden Erinnerung. Men Against Fire hätte durchaus das Potential gehabt, einen ähnlich emotionalen Einschlag wie San Junipero hinterlassen zu können. Letzten Endes fehlt es dem vorletzten Kapitel der 3. Staffel von Black Mirror an dem Gespür für den Kern der Geschichte, denn hier kann sich Charlie Brooker definitiv nicht entscheiden, ob ihm die Parabel oder die Figuren mehr am Herzen liegen. Beide Bestandteile finden bloß sehr holprig zusammen.

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