Bizarrer Vikings-Hype: Ragnar verdient die blinde Verehrung nicht

23.06.2019 - 10:20 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
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Vikings trennte sich in Staffel 4 von Ragnar Lothbrok, doch sein Schatten schwebt noch immer über der Serie. Das verwundert, denn so großartig war der Nordmann gar nicht.

Wenn über Vikings gesprochen wird, fällt früher oder später garantiert der Name Ragnar Lothbrok (Travis Fimmel). Das ist so sicher wie das (unter Wikingern verpönte) Amen in der Kirche und zunächst auch gar nicht weiter verwerflich, schließlich trug der einstige König von Kattegat das Historiendrama dreieinhalb Staffeln lang auf seinen Schultern.

Trotz seines Todes jedoch ist Ragnar noch immer das bestimmende Thema in Vikings - dabei würde die Serie gerade Stärke zeigen, indem sie sich endlich von ihrem verstorbenen Hauptcharakter löst. Eben der war nämlich bei näherer Betrachtung gar nicht einmal so legendär und heldenhaft, wie uns die meisten noch lebenden Figuren gebetsmühlenartig weismachen wollen.

Mit harten Fakten gegen den Mythos Ragnar Lothbrok:

  • Ragnar setzte sein Volk immer wieder fahrlässig großen Gefahren aus.
  • Letztlich eroberte er weder England noch Paris.
  • Als er Verantwortung hätte übernehmen müssen, verkroch er sich wie ein Feigling.
  • Ragnar zahlte in Staffel 4 nur den längst fälligen Preis für seine Überheblichkeit.

Vikings: Ragnar lebt (nicht nur) durch seine Söhne weiter

Ragnar mit seinem Sohn Ivar

Mittlerweile ist es nur noch ermüdend: In gefühlt jedem zweiten Satz fällt bei Vikings der Name Ragnar. Seine Söhne haben sich zwar in unterschiedliche Richtungen entwickelt, begründen ihre Stärke aber nach wie vor auf ihrem Nachnamen bzw. dem Blut in ihren Adern. Geradezu tragisch verhielt es sich mit Magnus (Dean Ridge), der nach seiner Verbannung allen Lebensmut aus dem Glauben daran schöpfte, ein Lothbrok-Bastard zu sein.

Nicht von ungefähr kam Ivars (Alex Høgh Andersen) Geschichte in Vikings erst so richtig in Fahrt, als er von Ragnar endlich beachtet und respektiert wurde. Für den Knochenlosen war der folgenschwere Vater-Sohn-Trip nach England der dringend benötigte Ritterschlag, jedoch stieß die Reise in ihm bekanntlich auch ein Tor zum Wahnsinn weit auf.

Sogar Lagertha (Katheryn Winnick) hängt Ragnar immer noch nach und das, obwohl er einst hinter ihrem Rücken eine andere Frau schwängerte. Kurioserweise galt die Wut der Schildmaid fast ausschließlich ihrer Rivalin Aslaug, von der sie sich um Ehemann und soziale Stellung beraubt fühlte. Dabei war es im gleichen Maße Ragnar, der die Entscheidung traf, mit Aslaug eine neue Familie zu gründen. Lagerthas Isolation befeuerte er demnach mit.

Ragnar Lothbrok: Eine Chronik des Scheiterns

Doch warum eigentlich wird Ragnar allerorten wie ein Messias verehrt? Betrachten wir einmal die Tatsachen, war er weder ein verantwortungsbewusster Anführer noch ein herausragender Eroberer oder ein besonders guter Kriegsstratege. Mindestens ein Mitglied aus der eigenen Familie hat ihn sogar schon lange übertrumpft.

Denken wir nur einmal zurück an Staffel 2, als Ragnar ein brüchiges Bündnis mit Borg und Horik einfädelte und Erstgenanntem kurz darauf in den Rücken fiel. Während der vermeintliche Wikinger-Gott noch in Wessex zugange war, konnte der rachsüchtige Borg das ungeschützte Kattegat angreifen und dort problemlos ein Massaker veranstalten. Um diesen Schritt vorherzusehen, hätte es wahrlich keinen Propheten gebraucht. Was also war da los, großer Ragnar Lothbrok?

Ragnar auf dem Weg in die Schlangengrube

In Staffel 3 beschloss der Vikings-Protagonist dann spontan, Paris anzugreifen - ein Unterfangen, das allein dank Ragnars Sarg-Trick (zugegeben: hier hatte er einmal einen hellen Moment) nicht schon beim ersten Anlauf komplett versandete. Allerdings sollte es ausgerechnet Rollo sein, der in Frankreich die Stellung hielt, es sich dort gemütlich machte ... und kurze Zeit später auf Seiten der Christen kämpfte.

Ragnar sah sich zu einer zweiten Attacke auf Paris genötigt, im Rahmen derer er eine heftige Klatsche durch Rollos Truppen kassierte. Wohl keine Schlacht in Vikings war bislang so bezeichnend und es passt nur allzu gut ins Bild, dass der Gedemütigte nach der Pleite für eine ganze Weile von der Bildfläche verschwand.

Kattegat hätte seinen König in jener Phase dringend gebraucht, bekam stattdessen aber einmal mehr den wahren Charakter seines Anführers zu spüren. Und nein, sicher nicht an allen seinen Fehlschlägen waren die nordischen Götter schuld.

Der geplante Rache-Feldzug in England nach Ragnars Rückkehr entpuppte sich als letztes Aufbäumen seiner Hybris und fand in der Schlangengrube das standesgemäße Ende. Umso ärgerlicher mutet an, dass der Schatten des "legendären Kriegers" noch immer wie ein Schleier über der Serie liegt und offenbar niemand daran interessiert ist, ihn zu lüften.

Rollo ist die Vikings-Figur, die jetzt unsere Aufmerksamkeit verdient

Wie es das Schicksal so will, hat Rollo (Clive Standen) seinen jüngeren Bruder in Vikings schon lange überflügelt, wobei die Serie seinen Triumph nicht unbedingt an die große Glocke hängt. Der Herzog der Normandie stand über viele Jahre hinweg in Ragnars Schatten und haderte stets mit Minderwertigkeitsgefühlen, mit der Ankunft in Paris aber begann sein vom Seher zuvor prophezeiter Siegeszug.

Rollo aus Vikings

In der Gegenwart von Vikings verfügt Rollo über zahlreiche Ländereien und trotzte in Staffel 5 bei seiner Rückkehr nach Kattegat sogar dem größenwahnsinnigen Ivar Respekt ab. Er hat mittlerweile eine Familie gegründet und wird nicht zuletzt von den französischen Christen akzeptiert, was im von Glaubenskämpfen geprägten Universum der Serie eine Menge bedeutet.

Ein Engel ist Rollo natürlich ebenfalls nicht, vor allem früher handelte er oft impulsiv, gewalttätig und unüberlegt. Das hat sich allerdings geändert, seit er seine Chance in Paris ergriff. Rollo erkannte, dass im hohen Norden kein Platz für ihn ist, also übernahm er mit der gebotenen List einfach woanders ein ganzes Imperium. Davon konnte Ragnar zu Lebzeiten nur träumen.

Es bleibt zu hoffen, dass Rollo im Vikings-Finale wieder mehr Screentime erhält, denn eigentlich ist er es, dem die verbliebenen Figuren nun zu Füßen liegen sollten. Der störrische Björn etwa mag das zwar noch nicht erkennen, aber zum Glück ist ja noch ein wenig Zeit zur Einsicht.

Andererseits muss Rollo im Gegensatz zu seinem Bruder gerade nicht wie ein Popstar gefeiert werden, um seinen eigenen Wert zu realisieren. Allein das macht ihn schon vor dem Vikings-Finale zum wahren Gewinner der Serie.

Wie steht ihr zu Ragnar und Rollo aus Vikings?

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