Better Call Saul - Wir schauen Staffel 2, Folge 7

30.03.2016 - 09:00 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Better Call SaulAMC
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Es passiert viel in Inflatable - Kims Karriere intensiviert sich, Mike rutscht tiefer in den Untergrund. Aber vor allem darf Jimmy endlich bunte Anzüge tragen.

Im Laufe der ersten beiden Staffeln von Better Call Saul haben sich viele Dinge hervorgetan, aber vor allem, dass die Serie langsam ist. Sehr langsam sogar. Über die grundsätzlichen Vor- und Nachteile dieser Erzählmethode sowie die Durchführung bei Better Call Saul im Speziellen wurde bereits zuhauf diskutiert, also überspringen wir den ganzen Teil und kommen auf Inflatable zu sprechen, wo Vince Gilligan und Peter Gould demonstrieren, dass langsames Erzählen nicht redundantes Erzählen sein muss und dass langsames Erzählen ebenso wenig heißt, ermüdende Umwege auf dem Weg zum "Ziel" (sofern wir den Beginn von Breaking Bad als solches betrachten wollen) zu nehmen.

Ein Umweg wäre es gewesen, Kim (Rhea Seehorn) "ja" sagen zu lassen. Ja zu Jimmys (Bob Odenkirk) Angebot, endlich gemeinsam durchzustarten, mit einer eigenen Kanzlei, ohne lästige Vorgesetzte. So weit hergeholt wäre das nicht: Seitdem Jimmy ihr das letzte Mal eine Zusammenarbeit angeboten hat, sind sich die beiden nicht nur näher gekommen, Kim hat auch endgültig eingesehen, dass sie unter Howard (Patrick Fabian) niemals diejenige Karriere beschreiten wird, die sie sich wünscht. Man hätte mit dem Plot eine ganze Staffel füllen können und unter der Leitung anderer Showrunner wäre das sicherlich auch passiert. Doch dafür kennen wir diese Charaktere zu gut, ebenso wie sie sich gegenseitig zu gut kennen und so bleibt es bei einer klassisch wortkargen Szene, in der die Handlung sich in Kims Mimik abspielt und in der es keine Erleuchtungen braucht, um zu sehen, dass das nichts werden kann. "What kind of lawyer are you gonna be?" - Eine einfach Frage, eine einfache Antwort: "Colorful, I guess." Plan begraben.

Colorful kann Kim jedoch ebenso wenig gebrauchen wie Cliff (Ed Begley Jr.), der Jimmy den Triumph gönnt und ihn aufgrund Strapazierung des Dresscodes (und ein paar anderer Sachen ...) rausschmeißt und ihm damit endlich die Freiheit gibt, nach der er sich schon immer gesehnt hat. Er ist zurück im Hinterzimmer des Nagelstudios, ambitionierter als jemals zuvor, ohne teures Auto, ohne dickes Apartment, aber mit Cocobolo-Tisch und einem ganzen Raum vollgepackt mit brandneuen, wirklich hübschen Anzügen. Die Zeichen stehen gut, offenbar ist bereits der erste Werbespot in der Vorproduktion, dieses Mal sogar mit Dolly. Doch kurz bevor die Solokarriere endgültig vor dem Abflug steht, taucht Kim wieder auf und breitet ein Angebot aus, das sich sehr gut liest: zwei Firmen, ein Dach. Sie könnten sich die Kosten teilen und sich ein ansehnliches Büro leisten, ihr eigenes Ding machen und trotzdem zusammenbleiben, Seite an Seite.

Kims halber Sinneswandel dürfte irgendwo zwischen dem Gespräch mit Schweikart und seinen Partnerinnen und der Verabschiedung von ihnen stattgefunden haben. Es sind einfache Fragen, die die sonst so souverän auftretende Kim ins Schwanken bringen. "Tell us about Kim Wexler", fordert Schweikart und plötzlich verkümmern die eloquenten Antworten von Kim zu einsilbigen Aussagen, als sei sie sich selbst gar nicht so sehr darüber im Klaren. Sie hat keine zurechtgelegten Sätze parat, sie wirkt irritiert, aus der Bahn geworfen. Sie kommt nicht aus New Mexico, "so what brought you here?" Ja, was eigentlich? In erster Linie die Flucht vor einem Leben, das im Bestfall eine Hochzeit mit dem Typen von der Tankstelle oder einen Kassiererinnenjob im Hinky Dinky vorsah. Es waren Sicherheiten, doch Sicherheiten hielten Kim nicht in ihrer Heimat, sie wollte etwas anderes. Und zwar? "More."

Und jetzt sitzt sie hier und bettelt um einen bequemen, gut bezahlten Job in einer großen Kanzlei, um Sicherheiten. Diejenigen Sicherheiten, die zuvor zu der Entscheidung beigetragen haben, das Angebot von Jimmy abzulehnen. Der hatte natürlich recht, als er meinte, dass Schweikart auch nur Howard mit einem anderen Namen sei. Kein Wunder, dass ihr bei der Verabschiedung der Falsche rausrutscht. Eine Zigarettenlänge später merkt sie, dass die Arbeit bei Schweikart den Prinzipien derjenigen Kim widersprechen würde, die einst auf der Suche nach diesem ominösen "more" nach New Mexico pilgerte und jahrelang im Postraum von Hamlin, Hamlin & McGill ackerte. Es ist an der Zeit, sich mehr zu nehmen, doch alleine ist dieser Weg dann doch ein bisschen beängstigend. Und da kommt Jimmy ins Spiel.

Der hat sich dummerweise schon ganz gut an die Aussicht auf ein Leben als farbenfroher Anwalt mit den Fingern in mehr oder weniger schattigen Angelegenheiten angefreundet und ist von ihrem Vorhaben im ersten Moment dementsprechend nicht ganz so begeistert, wie sie vielleicht erwartet hat. Was genau es ist, das Jimmy seine Entscheidung so schwer macht, ist nicht klar. Auf dem Papier kann da nämlich nicht so viel schiefgehen, zumal Kim bei Weitem nicht den moralisierenden Posten von Chuck einnimmt, sondern sich durchaus mit Jimmys Gepflogenheiten zu arrangieren weiß. Doch womöglich ahnt oder plant Jimmy gar jetzt schon die Überschreitungen der bisher gesetzten Grenzen, um mehr zu werden als bloß ein "colorful" Anwalt. In solch einem Fall dürfte Kim natürlich niemals etwas von seinem Treiben erfahren und das wäre nur sehr schwer machbar, wenn sie sich für ihre Büros das Gebäude teilen. Nun steht er wieder einmal vor dem Problem, das er doch eigentlich schon selbst erkannt und beseitigt hat. Kim zuliebe in ein schickes Büro ziehen und sich weiterhin unter dem Druck der herrschenden Gesetzten drehen und winden? Oder dieses Mal sich selbst treu bleiben und der Hinterzimmer-Anwalt sein, der knallige Anzüge trägt und in einer mehrfarbigen Dreckschleuder rumrast? Die Fetzen W und M liegen in seiner Hand, er muss sie bloß zusammenlegen. Die Frage ist nur: Wenn er es nicht tut, bleiben sie getrennt?

"For what it's worth, I think you're an asshole."

Notizen am Rande:

- Omar ist ein Engel. "I just didn't realize how unhappy you were here", hat mir das Herz gebrochen. Ich drücke die Daumen für ein Wiedersehen, auch wenn der melancholische Abschied zwischen ihm und Jimmy nicht darauf hindeutet.

- Zum ersten Mal hat mich ein Cold Opening in dieser Serie ratlos, ja fast verärgert zurück gelassen. Plakativer hätte man Jimmys Vater als ausgebeuteten Heiligen nicht porträtieren können. Und so sehr es auch zu einem Verbrecher passt, der einen Kiosk um fünf Dollar betrügt: Wolf-und-Schaf-Allegorien gehören langsam wirklich ausgestorben.

- Die gesamte Montage von Jimmys Bemühen, gefeuert zu werden, war eine einzige Freude. Mein Favorit: Jimmy erklärt der Putzkraft "auf Spanisch", wie er zu putzen hat ("Dude, I'm from Michigan."). Außerdem hoffe ich doch stark, dass kein Rumgetrickse bei den Tanzmoves des Flattermanns nötig war und stattdessen solange gefilmt wurde, bis die Bewegungen von ganz alleine im Kasten waren.

- Jimmy im karierten Anzug, neben einem Tisch voller Essen, das gerade zubereitet wird. Da werden Erinnerungen an Hannibal wach, zumal seine Sauerei arg nach Splatter aussieht.

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