Berlinale 2009: Maren Ade zu ihren Vorbildern

09.02.2009 - 08:45 Uhr
Maren Ade
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NEWS» Interview mit der Regisseurin Maren Ade zu ihrem Wettbewerbsfilm Alle Anderen.

Der Film Alle Anderen von Regisseurin Maren Ade läuft im Internationalen Wettbewerb der Berlinale. In einem Interview beantwortet die 33jährige Filmemacherin Fragen zu ihren Vorbildern und zu ihrer Arbeitsweise.

Welche Filme haben Sie beeinflusst, was sind Ihre Vorbilder?
Ich habe eigentlich erst nach der Filmhochschule angefangen, intensiver und mit Begeisterung Autorenfilme zu schauen. Während der Filmhochschule wollte ich in erster Linie selbst drehen. Mittlerweile habe ich viel nachgeholt von John Cassavetes, Ingmar Bergman, Antoni Antonioni, Maurice Pialat, Rainer Werner Fassbinder, Jacques Doillon. Und ich habe mir gezielt dialogintensive Filme angesehen, in denen es um Paare geht – Szenen einer Ehe, A Woman Under the Influence haben mich inspiriert. Und natürlich die Klassiker wie Die Verachtung, Die Nacht. Für mich kann aber eine Geschichte, die mir jemand erzählt, genauso inspirierend sein.

Sie haben sehr nah und berührend inszeniert und geben Ihren Darstellern Raum und dem Zuschauer viel Zeit, sich den Figuren zu nähern. Diese Unmittelbarkeit lässt vergessen, dass es sich um einen Spielfilm mit geschriebenen Dialogen handelt. Können Sie uns etwas über Ihre Arbeitsweise erzählen? Wie ist das Drehbuch entstanden?
Da ich viel über Dialoge erzählen wollte, wusste ich nicht, wie ich anfangen soll. Ich habe dann die erste Buchversion am Stück durchgeschrieben. Das war im Mai 2004. Sie hat zwar viel gemeinsam mit dem heutigen Film, die Figuren sind ähnlich, aber sie war zu wild und dramaturgisch zu unpräzise. Ich konnte nicht damit arbeiten, hatte aber eine Ahnung, was funktionieren könnte und was nicht. Dann habe ich brav von vorne angefangen mit einem Exposé und mich erst nach mehreren Treatments an das Drehbuch gewagt. Insgesamt habe ich drei Jahre gebraucht.

Wie haben Sie mit den Schauspielern gearbeitet? Haben Sie improvisiert?
Es gibt ein paar Szenen, in denen Birgit und Lars freier gespielt haben, wobei das weit entfernt war von Improvisation. Die Dialoge stehen generell so im Drehbuch. Aber wir hatten eine lange gemeinsame Probenzeit, die mir wichtig war. Es war immer klar, dass das ein Schauspielerfilm werden wird. Dass alles mit dem Spiel der beiden steht und fällt.

So haben wir fast einen Monat – über ein halbes Jahr verteilt – damit verbracht, das Buch zu lesen, Szenen auszuprobieren, über das Thema zu reden, Filme zu sehen. Für mich war das Proben vor allem dazu da, um die beiden als meine Figuren kennenzulernen und um ein Vertrauen zueinander aufzubauen.

Bernhard Keller, der Kameramann, war immer dabei und hat Aufnahmen gemacht. Beim Auswerten des Materials zeigte sich dann schnell, was glaubhaft ist und worin der Reiz der Konstellation liegt. Die beiden mussten ihr eigenes Paar werden, ohne dass sich das verändert, was ich erzählen wollte. Da habe ich mir noch viel Inspiration geholt und danach das Buch den beiden angepasst. Auf den Dreh haben Birgit und Lars sich aber auch separat vorbereitet. Was sie da gemacht haben, war ihr Geheimnis.

Und wie sind Sie während des Drehs vorgegangen?
Wir haben viel ausprobiert und hatten ein hohes Drehverhältnis. Wir haben viel an Sätzen, am Rhythmus und Haltungen gefeilt. Ich habe die Szenen oft am Stück durchspielen lassen, damit Gitti und Chris eine gemeinsame Realität haben konnten. Das waren meistens die tollsten Momente, in denen die Kamera so lange läuft, dass die Filmrealität einen eigenen Raum bekommt, in denen die beiden Schauspieler ihrem Rhythmus folgen dürfen. Ich habe oft viele Takes gedreht. Entweder es klappt sehr schnell, oder es dauert.

Wenn etwas sich nicht spielen lässt oder sich nicht erzählt, dann muss man die Szene verändern und ausprobieren. Dann dauerte es eine Weile, bis das Schauspiel wieder lebendig wird. Bis Birgit und Lars das, was ich wollte, mit ihrer eigenen Intuition verbinden konnten. Das ist extrem anstrengend und forderte viel von den beiden: durchlässig zu bleiben und trotzdem genau zu sein. Die Schauspieler müssen emotional etwas von sich geben. Dann entsteht etwas Unmittelbares. Es ist ein großer Luxus, soviel zu drehen und nicht nur eine Möglichkeit zu verfolgen. Und am Ende ist es ein ganz widersprüchlicher Blick oder Satz, der es interessant macht.

Wie geht es mit den beiden nach dem Film weiter?
Ich habe bewusst ein offenes Ende gewählt. Meine Meinung, mein Gefühl wie es weitergeht zwischen den beiden, ist nicht richtiger als die Gedanken des Zuschauers. Es gibt da nur einen individuellen Wunsch oder eine Vermutung, je nachdem wie man den Film gesehen hat. Und es ist mir wichtig, dass ich genau da aufhöre zu erzählen, wo der Film endet.

Wie haben Sie mit dem Kameramann zusammengearbeitet?
Wir haben uns lange vorbereitet, viel Zeit miteinander verbracht und im Prinzip alle kreativen Schritte gemeinsam gemacht. Bernhard Keller war von Anfang an bei den Proben dabei und hat fotografiert oder mitgefilmt. Er hat nach seinen Vorstellungen Bilder gesucht, ohne dass wir etwas besprochen hatten. Die Aufnahmen und Fotos waren dann die Basis für die Bildsprache und die Auflösung.

Am Anfang haben wir viel über die Wirkung der Schauspieler in den verschiedenen Einstellungsgrößen, über Nähe und Distanz und auch ganz grundsätzlich über den Inhalt der Szenen geredet. Dann haben wir mehrere Motivreisen gemacht und durch die gemeinsame Wahl der Motive die Grundstimmung und die Astethik festgelegt.

Sie führen mit Janine Jackowski seit 2000 die Produktionsfirma Komplizen Film, 2006 kam Dirk Engelhardt als weiterer Produzent dazu. Sie fungieren also neben Ihrer Tätigkeit als Regisseurin auch als Produzentin. Wie sind die Aufgaben verteilt?
Ich finde sehr wichtig, dass jeder ein Bewusstsein für beide Seiten hat. Da ich zuerst Produktion studiert habe, ist es für mich etwas Normales, aus Produktionssicht zu denken. Trotzdem ist es für mich Teil eines kreativen Prozesses zu entscheiden, wofür man das Geld ausgibt. Janine und ich kennen uns jetzt schon sehr lange. Wir wissen, wie der andere tickt, und vertrauen uns. Wir sind sehr offen miteinander, entscheiden alles gemeinsam.

In der Buch- und Schnittphase haben wir uns sowohl bei Alle Anderen als auch bei Der Wald vor lauter Bäumen (2003) viel ausgetauscht. Wenn ich Regie führe, gibt es natürlich irgendwann den Punkt, meistens beim Drehen, an dem ich nur Regisseurin bin. Der Spagat ist oft nicht einfach. Deshalb war es eine Bereicherung, mit Dirk Engelhardt noch einen weiteren Produzenten dabei zu haben.

Quellen: Mit Material von Prokino

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