Auftritt der Jury & Abtritt von Marie Antoinette

10.02.2012 - 08:50 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Mit Leb Wohl, meine Königin eröffnete Diane Kruger die Berlinale
Carole Bethuel/moviepilot
Mit Leb Wohl, meine Königin eröffnete Diane Kruger die Berlinale
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Mein erster richtiger Berlinale-Tag spielte sich nicht nur im Kino ab. In den Pressekonferenzen konnte ich Jake Gyllenhaal und Diane Kruger von Angesicht zu Angesicht sehen. Das war spannender als der Eröffnungsfilm!

Mein erster Berlinale Tag begann mit dem Ärger darüber, die Pressevorführung zu n/a-2 von Werner Herzog verpasst zu haben. Ich tröstete mich darüber hinweg, indem ich mir meine Berlinale-Tasche abholte. Hoffentlich wird eines schönen Tages auch mir auf Grund dieser Tasche eine orientierungslose Jung-Journalistin nachlaufen, die in meine Fußstapfen treten möchte.

Ein Hobbit und ein stummer Jake Gyllenhaal
Ausgestattet mit meiner Berlinale-Hipster-Jutetüte und einem gefühlt 10kg schweren Katalog eilte ich ins Pressezentrum, um die Wettbewerbsjury live zu erleben. Der Konferenzsaal war schon recht voll, aber ich fand einen Platz, von dem aus ich die für mich optisch wichtigste Person gut erkennen konnte: Jake Gyllenhaal. Zudem war ich glücklich darüber, dass die Synchronübersetzung diesmal über Kopfhörer kam, so dass ein ungestörtes Mitschreiben möglich war. Aber warum hatten eigentlich so viele Leute Kopfhörer auf? Sprachen die etwa alle kein Englisch? Die sind ja doof! Aber Hochmut kommt vor dem Fall, denn wie ich im Lauf der Veranstaltung feststellen musste, antwortete jedes Jury-Mitglied auf die Fragen der Journalisten in seiner Muttersprache. Ja, auch Asghar Farhadi. Und mein Farsi ist doch recht eingerostet…

Mike Leigh dominierte die Veranstaltung. Ich finde ja, er darf das, schließlich ist er der Vorsitzende der Jury. Als kleinster der anwesenden Promis wirkte er wie Bilbo Beutlin, der von seinen neuesten Abenteuern berichtete. Jake Gyllenhaal hingegen sah zwar blendend aus, hatte aber ungefähr so viel Charisma wie meine Berlinale-Jutetüte und gab während der Pressekonferenz kaum zwei zusammenhängende Sätze von sich. Alle gemeinsam betonten, wie sehr sie sich auf die Zusammenarbeit mit den begabten Kollegen freuten und wie unterhaltsam Dieter Kosslick sei. Was der Berlinale der Kosslick, ist der Jury Mike Leigh. Er schien einen Clown gefrühstückt zu haben und wusste das Publikum zu unterhalten. Am Ende entzerrte er sogar meine babylonische Verwirrung und demonstrierte seine Deutschkenntnisse anhand des Satzes „Alles ist schneebedeckt.“

Der Niedergang von Diane Kruger oder Leb wohl, meine Königin!
Der Eröffnungsfilm der diesjährigen Berlinale stammte aus Frankreich und präsentierte uns niemand Geringeren als Berlinale All-Star Diane Kruger in der Rolle der berühmt berüchtigten Marie Antoinette. Aus der Perspektive ihrer Vorleserin (Léa Seydoux) inszeniert hier Regisseur Benoît Jacquot die letzten Tage der Königin während des Erwachens der französischen Revolution. Im Gegensatz zur quietschbunten Marie Antoinette, die uns Sofia Coppola zeigte, ist Jaquots Version geradezu nüchtern. Die Ausstattung des Films ist gar so zurückhaltend, dass ich insgesamt das Gefühl hatte, einem Fernsehspiel beizuwohnen. Natürlich tragen Diane Kruger und ihre Kolleginnen und Kollegen hier Kostüme, doch die sind eben zu augenscheinlich als eben solche zu erkennen. Ob es nun an Diane Krugers Talent oder an der Inszenierung liegt, Leb wohl, meine Königin! konnte mich einfach nicht davon überzeugen, einem historischen Moment beizuwohnen.

Wie ich bei der anschließenden Pressekonferenz erfuhr, will der Film das aber auch gar nicht. Vielmehr soll hier ein neues Bild von der Person Marie Antoinette entworfen werden, die wir eben normaler Weise nur als verspielte, vielleicht gar verantwortungslose oder vergnügungssüchtige Königin kennen. Durch die Augen der Vorleserin Sidonie, die ihrer Herrscherin treu ergeben ist, sollen auch wir Sympathie für Marie Antoinette entwickeln und mit ihr ihren Niedergang erleben. Damit der Blick frei für die Charaktere ist, wurde auf eine zu opulente Ausstattung und Kostümierung verzichtet, so erklärte das zumindest Diane Kruger. Und auch Jaquot betonte, dass es hier weniger um die Darstellung eines historischen Momentes, als um die einer Privatangelegenheit ginge. Marie Antoinette, ihr drohender Niedergang und ihre geradezu homoerotische Zuneigung zu Gabrielle de Polignac (Virginie Ledoyen).

Benoît Jacquot gab in der Pressekonferenz vor, ein Filmemacher starker Frauenfiguren zu sein. Ich fand, dass er seine Schauspielerinnen dafür eindeutig zu selten zu Wort kommen ließ. In Bezug auf die Schönheit seiner Darstellerinnen gab er eine Moralstudie zum Besten, deren Inhalt die Definition der Schönheit als Wahrheit war. Nur was authentisch wäre, könne wahrhaft schön sein. Ich kann diese Aussage nicht mit Leb wohl, meine Königin! in Zusammenhang bringen. Ich habe Diane Kruger gesehen, wie sie in einem Kostüm aus dem 18. Jahrhundert durch die Kulisse eines Fernsehspiels gelaufen ist. Mit Authentizität hatte das meiner Meinung nach nichts zu tun.

Sophies Geheimtipp: Electrick Children
Nach so viel Meckerei über den Eröffnungsfilm möchte ich aber auch noch ein paar positive Worte verlieren. Im Vorfeld der Berlinale hatte ich Gelegenheit, den Eröffnungsfilm der Sektion Generation zu sehen. Electrick Children hat mich vollkommen für sich eingenommen, weshalb ich ihn euch besonders ans Herz legen möchte. Hier glaubt eine junge, traditionell in aller Abgeschiedenheit wohnende Mormonin (Julia Garner), durch das Anhören einer Hörspielkassette unbefleckt ein Kind empfangen zu haben. Heimlich begibt sie sich daher nach Las Vegas, um den Sänger dieser Musik ausfindig zu machen. Mit viel Liebe zu ihren Charakteren schafft es die Regisseurin Rebecca Thomas, dass das Publikum nicht über die naiven Mormonen in der großen Stadt, sondern mit ihnen lacht. Obwohl vermutlich fernab von unserer eigenen Lebensrealität wird es so möglich, sich mit dem jungen Mädchen zu identifizieren. Ein weiteres Highlight ist übrigens Rory Culkin, der hier erschreckend überzeugend einen orientierungslosen Jugendlichen gibt, der sich der verlorenen Mormonin annimmt.

Ausführlichere Kritiken zu Leb wohl, meine Königin! und Electrick Children findet ihr auf meinem Berlinale-Blog. Einen Presseüberblick zur Berlinale auf film-zeit.de und einen Presseüberblick zum Eröffnungfilm Leb wohl, meine Königin gibt es ebenfalls dort.

Und wie steht ihr so zu Diane Kruger? Erstzunehmende Schauspielerin oder nur hübsch anzusehen?

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