Wir schauen Breaking Bad - Staffel 5, Folge 8

04.09.2012 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Wohin genau das Schicksal Walter White führen wird, erfahren wir erst in knapp einem Jahr
AMC
Wohin genau das Schicksal Walter White führen wird, erfahren wir erst in knapp einem Jahr
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Eins ist klar: Es wird ein langes Jahr, bis wir endlich wissen, was das Schicksal für Walter White letztendlich bereit hält. Und die vorerst finale Folge von Breaking Bad, “Gliding Over All”, hat nicht dazu beigetragen, dass das Warten leichter wird.

Geld allein macht nicht glücklich, wäre ebenso ein passender Titel für die achte und für dieses Jahr letzte Folge von AMCs Breaking Bad gewesen. Gliding Over All, nach einem Gedicht von Walt Whitman, ist aber natürlich ebenso treffend gewählt. Schließlich kündigen Whitmans fünf Zeilen nicht nur viele Tote an (wir gehen davon aus, dass es im nächsten Jahr noch den ein oder anderen Charakter erwischen wird), der Verweis auf den amerikanischen Poeten dient ebenfalls als Anspielung auf das ungewöhnlich stille, aber doch famose Ende dieser ersten Hälfte der finalen Staffel von Breaking Bad. Führt euch noch ein letztes Mal in diesem Jahr unseren Breaking Bad-Recap zu Gemüte und spekuliert mit uns gemeinsam über die Zukunft von Walter White und Co.

Was passiert
Walt (Bryan Cranston) findet in Todd (Jesse Plemons) und Lydia (Laura Fraser) endlich die richtigen Partner, um sich sein eträumtes Meth-Imperium aufzubauen. Nachdem er sich um potenzielle Lose Enden in Form der neun ehemaligen Mitarbeiter von Gustavo Fring (Giancarlo Esposito) gekümmert hat, läuft das Geschäft in den nächsten drei Monaten geradezu wie am Schnürchen und die Menge an Bargeld, die Heisenberg mit seinem Crystal Meth-Unternehmen verdient, wächst wortwörtlich zu einem wahren Berg an. Um eine letzte Chance zu wahren, vielleicht doch noch einmal persönliches Glück mit seiner Familie zu finden, steigt Walter schließlich aus dem Drogengeschäft aus. Auch mit Ex-Partner Jesse (Aaron Paul) möchte er nicht im Zwist auseinander gehen und lässt ihm schließlich doch seinen Anteil aus der alten Operation zukommen. Doch als Hank (Dean Norris) auf eine eigentlich längst kalte Spur trifft, droht Walts Vergangenheit ihn schneller wieder einzuholen, als ihm lieb ist.

All Hail the King
Da ist sie wieder, diese unsägliche Fliege. Jenes Insekt, welches Walt bereits in der Episode Fly nicht zu fassen bekam. Jenes Tierchen, welches bereits beim letzten Mal für Walts schlechtes Gewissen stand, als er mit seiner Entscheidung rang, die zum Tod von Jesses damaliger Freundin Jane führte. Nach Walts Mord an Mike (Jonathan Banks) ist sie wieder zurück und sie symbolisiert erneut diese einsame Stimme in Walters Kopf, die ihm sagt, dass er diesmal zu weit gegangen ist, dass er aussteigen sollte. Aber Heisenberg ist noch nicht am Ziel, noch hat er kein Imperium geschaffen, so wie er es in den Folgen zuvor gegenüber Jesse angekündigt hat. Und deshalb macht er weiter, erbarmungsloser, als je zuvor.

I’m the only vote left, gibt Walter Jesse zu bedenken, bevor sich, wie schon in der letzten Folge, das Garagentor zwischen den beiden Ex-Partnern schließt und deren Beziehung, wie eine in Zeitlupe herunterfallende Guillotine den endgültigen Todesstoß gibt. Was im Triumvirat aus Walter, Jesse und Mike niemals komplett funktionierte, kann Heisenberg nun endlich mit seinen neuen Partnern Lydia und Todd durchziehen. Für den Aufbau des geplanten Imperiums werden dabei allerdings auch gleichzeitig die letzten moralischen Wertvorstellungen über Bord geworfen. Zehn Menschenleben in zwei Minuten: derart verdichtet hat sich die Rigorosität, mit der der ehemalige Highschoollehrer Walter White bereit ist vorzugehen, um sich seinen Traum zu erfüllen.

Bereits drei Monate später scheint Heisenberg an seinem Ziel angekommen. Allerdings hat er dieses Ziel selbst komplett aus den Augen verloren. Erst als ihn seine Frau Skyler (Anna Gunn) jenen riesigen Berg aus Geld zeigt, den er nun sein eigen nennen kann, wird Walt klar, dass er eigentlich am Ziel ist. Dieser Haufen aus zahllosen Scheinen ist schließlich deutlich beeindruckender als es eine schlichte Zahl auf einem Kontoauszug je sein könnte. Ein Lächeln will dem erfolgreichen Geschäftsmann trotzdem nicht über die Lippen kommen. Wahrscheinlich gab es nie zuvor in der Fernsehgeschichte eine Szene, in der zwei Figuren vor einer solch großen Menge an Geld standen und dabei gleichzeitig so deprimiert wirkten. Bräuchte man für das erwähnte Sprichwort Geld allein macht nicht glücklich, ein filmisches Äquivalent, so wäre wohl nichts besser geeignet, als die grandiose Schlusseinstellung dieser Szene, die das Ehepaar White mit herunterhängen Schultern vor dieser riesen Menge Geld zeigt, deren Wert längst völlig abstrakt geworden ist.

Familienbeziehungen
Was nach den Vorkommnissen der letzten sieben Folgen fast unmöglich erschien, bahnt sich gegen Ende dieser Folge nun doch noch an: der Ausstieg Walts aus dem Drogengeschäft und die gleichzeitige Rückkehr zu seiner Familie. Durch die ganze Episode zieht sich die Thematik der Nostalgie, sowie die Frage nach dem, was uns wirklich glücklich macht. Skyler bringt diese Entwicklung ins Rollen, nachdem wir sie überglücklich mit ihrer Tochter Holly und ihrem Sohn Walter Jr. (RJ Mitte) spielen sehen. Ihr wird klar, dass die Probleme mit Walt nur aufgeschoben, aber nicht gelöst sind und so versucht sie, ihrem Mann die Augen zu öffnen, was letztendlich auch zu funktionieren scheint. Bereits zuvor sehen wir die Szene zwischen Hank und Walt (der hier auch mit seiner Tochter spielt), in der sie ebenfalls darüber philosophieren, welche Dinge sie glücklich machen und dass es diese Dinge wertzuschätzen gilt. Beide Sequenzen funktionieren wunderbar als Klammer für die Montagesequenz, die Walts Drogenimperium so zeigt, wie er sich sich immer vorgestellt hat: erfolgreich, gewaltlos und durchorganisiert. Schlussendlich sitzt er jedoch trotzdem nachts alleine vor seinem Pool, weil der Crystal Meth-ähnliche blaue Schimmer jeglichen Reiz verloren zu haben scheint.

Nachdem er zu Beginn der Folge Lydia noch in kompletter Heisenberg-Montur getroffen hat, versucht Walt diese gegen Ende der Episode langsam wieder abzulegen. Auch die Aussprache mit Jesse funktioniert auf einer nostalgischen Ebene und ist für Walt wahrscheinlich deshalb von Nöten, da der ehemalige Junkie Jesse stets mehr war, als nur ein Geschäftspartner wie Lydia oder Todd. Walter entschließt sich, mit Jesse im guten auseinander zu gehen und überlässt ihm schließlich doch seinen Anteil. Jesses Zusammenbruch zeugt von großer Erleichterung, zeigt die Pistole doch an, dass er ebenso mit einer eventuellen finalen Konfrontation rechnete. Im Angesicht dessen, was Walter bisher noch verschweigt (Jane, Brock) dürfte jene Konfrontation allerdings eher aufgeschoben, als aufgehoben sein.

Und hier liegt genau das Problem des Walter White, welches uns zum Ende der Episode Gliding Over All klarer als je zuvor präsentiert wird. Walts Rückkehr in ein normales Familienleben scheint zwar theoretisch möglich, aber praktisch wird es sich nicht vermeiden lassen, dass ihn die Entscheidungen, die er in den letzten 16 Monaten getroffen hat, auf bösartige Weise heimsuchen werden. Dies haben die Macher der Show uns ja bereits mit der Eröffnungssequenz der Staffel 5 von Breaking Bad mehr als klar gemacht. Dass der Beginn für Walts Abstieg ausgerechnet Hanks Klolektüre sein wird, zeigt nur, dass Walt genauso wenig wie Gus Fring dafür sorgen konnte, wirklich ALLE Eventualitäten auszuschließen.

Breaking Bad als audiovisueller Drogentrip
Gliding Over All hatte all das, was Breaking Bad zu einer der am besten inszeniertesten TV-Serien aller Zeiten macht. Jeder von Regisseurin Michelle MacLaren gewählte Bildauschnitt ist perfekt komponiert und es macht stets Spaß, die geographischen Konstellationen der Figuren in ihrer Umgebung zu erkunden und zu sehen, was die Macher allein auf visueller Ebene über deren zwischenmenschliche Verhältnisse Ausdrücken. Damit ist Breaking Bad meilenweit von einer standardisierten TV-Ästhetik entfernt, die uns mit stets mit den immer gleichen Talking Heads langweilt. Ähnlich wie in Serien von The Wire -Macher David Simon nimmt die Kamera stets Abstand, um den Zuschauer zu motivieren, selbst genauer hinzuschauen. So wie wenn Skyler nachts in der Tür steht und die Einstellung suggeriert, ihre Kinder würden ihr jeden Moment ins Haus folgen. Oder wie die weite Einstellung des Restaurants in dem sich Walt und Lydia treffen einen unweigerlich darüber nachdenken lassen, welche mörderischen Gespräche vielleicht in der eigenen Anwesenheit bereits geführt wurden. Außerdem saß ich selten so angespannt vor dem TV, wie in der vorletzten Sequenz der Folge, als der Zuschauer erwartet, dass trotz der Idylle jeden Moment das Chaos (in Form einer Bombe, rachsüchtigen Kartellmitgliedern etc.) über die Familie White hereinbrechen wird.

Als Sahnehäubchen gab es diesmal gleich zwei tolle Montage-Szenen, die ich mir zusammen mit den restlichen Montagen der Serie wahrscheinlich auch Tag für Tag in einer seperaten Endlosschleife anschauen könnte. Die erste zeigt die unglaublich brutalen Morde an den zehn Männern, die Walts Unternehmen noch in Gefahr bringen könnten. Zu Nat King Coles Pick yourself up sehen wir beinahe genau auf die zwei Minuten getimt, wie einem nach dem anderen der Garaus gemacht wird. Dass wir am Ende der Folge beinahe schon auf das Glück für den Mann hoffen, der diese schrecklichen Dinge in Auftrag gegeben hat, ist der beste Beweis dafür, wie Breaking Bad den Zuschauer vereinnahmt und gleichzeitig über das Gesehene reflektieren lässt. Tommy James & The Shondells begleiten mit Crystal Blue Persuasion die zweite Montagesequenz, die noch einmal Walts größtes Problem auf den Punkt bringt: die Überzeugungskraft, die vom Geschäft mit dem kristallblauen Steinchen ausgeht.

Zitat der Folge
Tagging trees is a lot better than chasing monsters. – Hank

Weitere Breaking Bad Recaps:
Live Free or Die – Staffel 5, Folge 1
Madrigal – Staffel 5, Folge 2
Hazard-Pay – Staffel 5, Folge 3
Fifty-One – Staffel 5, Folge 4
Dead Freight – Staffel 5, Folge 5
Buyout – Staffel 5, Folge 6
Say My Name – Staffel 5, Folge 7

So und jetzt seid Ihr dran. Wie hat euch das (Halb-)Staffelfinale gefallen? Was erwartet Ihr für den großen Showdown im nächsten Jahr?

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