Die Cameo-Orgie in Doctor Strange 2 ist eine riesige Enttäuschung

07.05.2022 - 10:00 UhrVor 2 Jahren aktualisiert
Doctor Strange in the Multiverse of MadnessDisney
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Nach Spider-Man: No Way Home nutzt nun auch Doctor Strange in the Multiverse of Madness die Möglichkeiten des Multiversums für eine große Cameo-Orgie. Leider geht die Überraschung komplett daneben.

Achtung, Spoiler! Seitdem Loki den Wahren Zeitstrahl durcheinandergebracht hat, ist das Marvel Cinematic Universe nicht mehr das gleiche. Kaum wurde das Konzept des Multiversums vorgestellt, stolperten in Spider-Man: No Way Home Figuren durch die Gegend, die eigentlich gar nichts in dieser Welt zu suchen hatten. Neben einer Menge Schurken gehörten dazu die Spideys von Tobey Maguire und Andrew Garfield.

Das MCU hat sich mit einem cleveren Trick Jahrzehnte an Marvel-Geschichte erschlossen, von der wir nie dachten, dass sie nochmal eine Rolle spielen werden. Doctor Strange in the Multiverse of Madness läuft seit dieser Woche in den Kinos und findet großen Gefallen am Sprint durch die Dimensionen. Ausgerechnet die große Cameo-Sequenz entpuppt sich jedoch als bittere Enttäuschung. Selten war Marvel so überfordert mit den eigenen Möglichkeiten.

Die Cameos in Doctor Strange 2 gehen komplett daneben

Bevor Doctor Strange 2 ins Finale abbiegt, findet sich der Marvel-Zauberer im Universum 838 im Kreis der Illuminati wieder. Die von Professor X (Patrick Stewart) angeführte Superheld:innen-Gruppe setzt sich aus Captain Carter (Hayley Atwell), Captain Marvel (Lashana Lynch), Mordo (Chiwetel Ejiofor), Black Bolt (Anson Mount) und Mister Fantastic (John Krasinski) zusammen. Auf dem Papier klingt das phänomenal.

Hier könnt ihr den Trailer zu Doctor Strange 2 schauen:

Doctor Strange in the Multiverse of Madness - Trailer (Deutsch) HD
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Die Umsetzung im Film ist jedoch extrem unausgegoren. Das geht los bei der austauschbaren Umgebung, in der wir die Illuminati kennenlernen, bis hin zur ideenlosen Vorstellungsrunde. Die Figuren werden in einer stumpfen Cameo-Orgie verheizt, die bloß auf einen Twist hinarbeitet – und selbst den haben wir erst in The Suicide Squad gesehen: Ein frisch eingeführtes Team stirbt nach wenigen Minuten.

Gegen das Unterlaufen von Erwartungen ist gar nichts einzuwenden: Einige der besten Kinomomente sind durch geschickt gebrochene Erwartungshaltungen entstanden. Geschickt stellt sich Doctor Strange 2 allerdings nicht an. Im Gegenteil: Höchst unbeholfen wirkt nicht nur die Anordnung der Figuren in der grauen Illuminati-Halle, sondern auch im MCU. Schließlich reden wir vom ersten Fantastic Four-Lebenszeichen.

Die Lieblosigkeit von Krasinskis Mr. Fantastic ist verblüffend

Nachdem WandaVision bei den X-Men vorgefühlt hat, verankert Doctor Strange 2 die bekannteste Marvel-Familie im MCU. Im Gegensatz zu Spider-Man: No Way Home wählt der Reed Richards-Cameo nicht den Weg der Nostalgie. Weder Ioan Gruffudd noch Miles Teller kehren als Reed Richard zurück, ganz zu schweigen von Alex Hyde-White aus The Fantastic Four, der 1994 direkt im Giftschrank landete.

John Krasinski in Jack Ryan

Stattdessen erfüllt Doctor Strange 2 mit Krasinski mechanisch einen großen Fan-Traum – und liefert gleich den Beweis, warum das keine gute Idee ist. Das Casting soll ein Wunder erschaffen und uns staunen lassen. Von echter Kinomagie sind wir aber weit entfernt. Die Figur wird gedankenlos in den Film geworfen, als Erklärbär abgestellt und jeglicher Kontur beraubt. Die Lieblosigkeit ist verblüffend. Jede Fan-Art bringt mehr Gespür mit.

Kevin Feige, der Architekt des MCU, zeigt sich hier von einer unerwartet schwachen Seite: Eine seiner größten Stärken war es bisher, dem Publikum stets einen Schritt voraus zu sein. Über zehn Jahre lang wusste er, was die Fans wollen, bevor sie es selbst wussten, von der ersten Avengers-Zusammenführung bis hin zum Spidey-Treffen. Das Timing der meisten MCU-Stunts vergangener Jahre ist absolut bemerkenswert.

Professor X rettet die Cameo-Ehre in Doctor Strange 2

Krasinskis Mister Fantastic wirkt, als würde Feige lauten Fan-Schreien nachgeben, ohne sich zu bemühen, das Casting über seine alleinige Tatsache hinaus zu etwas Denkwürdigem zu verwandeln – und das sage ich als jemand, der dieses Jahr alle neun Staffeln von Das Büro geschaut und jeden einzelnen Krasinski-Moment genossen hat. In Doctor Strange 2 ist er aber so blass wie die Kulisse, durch die er sich bewegt.

Patrick Stewart als Professor X in X-Men: Der letzte Widerstand

Feige rennt einer Fantasie hinterher und klatscht sie ohne die Genialität auf die Leinwand, die völlig unbekannte Marvel-Figuren wie die Guardians of the Galaxy in überlebensgroße Namen verwandelt haben. Die Cameos in Doctor Strange 2 wägen sich in der Illusion eines Homeruns, präsentieren jedoch die denkbar einfallsloseste Version von dem, was im Angesicht des Multiversums-Wahnsinns möglich gewesen wäre. Auch ein talentierter Regisseur wie Sam Raimi kann dieses Versäumnis nicht kaschieren.

Von den emotionalen wie thematischen Bögen, der durch die Ankunft von Peter 2 und Peter 3 in Spider-Man: No Way Home geschlagen wird, sind wir hier meilenweit entfernt. Der einzige Cameo, mit dem Doctor Strange 2 ein bleibendes Bild erschafft, ist Professor X, der sich durch einen sterilen weißen Raum Wandas zerstörtem Zuhause nähert, ehe er von einer roten Wolke verschlungen wird und ihm die Scarlet Witch das Genick bricht.

Es ist nur ein kurzer Impuls, aber einer, der den Film visuell und erzählerisch komplett für sich vereinnahmt. Wo die Enthüllung der Wahrheit über Doctor Strange 818 in den nichtssagenden Aufnahmen des Illuminati-Hauptquartiers untergeht, hinterlassen die zitternden Blicke von Professor X und Wanda Gänsehaut. Der Rest der Cameo-Orgie fühlt sich dagegen ungelenk und verschwendet an – wie ein Fremdkörper.

Doctor Strange in the Multiverse of Madness läuft seit dem 4. Mai 2022 im Kino.

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