Vatikan und Mafia: Il Divo - Der Göttliche

16.04.2009 - 08:45 Uhr
Il Divo - Der Göttliche
Delphi Filmverleih
Il Divo - Der Göttliche
0
0
Polit-Satire auf italienischen Politiker Giulio Andreotti wird von der Kritik hochgelobt.

Das spannendste politische Kino kommt derzeit aus Italien. Das Land bietet ofensichtlich viel Stoff dafür. Nach dem erschütternden Mafiabericht Gomorrha – Reise in das Reich der Camorra folgt nun eine bittere Polit-Satire über den siebenfachen italienischen Premierminister Giulio Andreotti. Il Divo – Der Göttliche ist die Geschichte eines tragikomischen und gefährlichen Machtmenschens inmitten von Eitelkeiten, Korruption, Verbrechen und Sex.

Anfang der 1990er Jahre scheint Andreotti mit seiner Kandidatur für das Amt des Präsidenten der Republik auf dem Höhepunkt seiner politischen Karriere. Die Dinge könnten nicht besser für ihn stehen. Doch dann erklärt ihm die Mafia den Krieg. Der erfolgreiche Staatsanwalt Giovanni Falcone wird durch eine Autobombe getötet – ausgerechnet zum Zeitpunkt der Wahlen. Nachdem der “Boss der Bosse” Toto Riina verhaftet wird, packen einige Mafiosis aus. Der Staat beginnt Ermittlungen gegen Andreotti einzuleiten. Klagen werden erhoben. Doch Andreotti bleibt ruhig, listig und undurchschaubar. Dennoch ist es der Anfang vom Ende seiner politischen Karriere.

Der Name Andreotti wird mit nahezu allen Skandalen der italienischen Nachkriegsära in Verbindung gebracht: Die Entführung und Ermordung seines Parteikollegen Aldo Moros durch die Roten Brigaden im Jahr 1978, die Geheimloge P2, der Tod des Vatikan-Bankiers Roberto Calvi und des Journalisten Mino Pecorelli. Wegen Beihilfe zum Mord wurde er in zweiter Instanz zu 24 Jahren Gefängnis verurteilt, in letzter Instanz jedoch vollumfänglich freigesprochen. Dass er mit Toto Riina, dem obersten Boss der sizilianischen Mafia, den Bruderkuss ausgetauscht hat, wurde oft behauptet, aber nie bewiesen. Vom Vorwurf, mit der Cosa Nostra zusammengearbeitet zu haben, wurde er freigesprochen – mangels Beweisen.

Der Regisseur Paolo Sorrentino konnte schon mit seinen Filmen Die Folgen der Liebe und vor allem mit L’Amico di famiglia die Kritik verblüffen. Und auch mit seinem neuen Film über den großen Mann der italienischen Nachkriegspolitik weiß Sorrentino zu überzeugen. Sein Biopic des umstrittenen Giulio Andreotti wurde in Cannes mit dem Preis der Jury ausgezeichnet. Angetan ist die Kritik insbesondere vom neapolitanischen Theater-Star Toni Servillo, der Andreotti “als angsteinflößende Witzfigur mit Segelohren” darstellt, wie Martina Knoben auf sueddeutsche.de zusammenfasst. Für seine Rolle hat dieser sich offenbar von den britischen Puppen-Karikaturen “Spitting Image” und dem Gastro-Kritiker aus dem Animationsfilm Ratatouille inspirieren lassen.

Michael Althen von faz.net lobt die Eleganz, mit der Sorrentino “die Politfarce um die zur Karikatur erstarrte Maske von Andreotti choreografiert. In langen Kamerafahrten und kunstvoll komponierten Einstellungen werden die Kulissen der Macht in Szene gesetzt, in denen wie ein Lemur ein von ständigem Kopfweh getriebenes Männlein sitzt, das alle Welt und vor allem seine Frau mit hohlen Sinnsprüchen langweilt und dabei die Fäden zieht, an denen die anderen zappeln.”

Michael Sennhauser erklärt auf sennhausersfilmblog “Il Divo ist, knapp auf einen Nenner gebracht, der Film, den Oliver Stone wohl mit seinem Nixon – Der Untergang eines Präsidenten gerne gemacht hätte, wenn er das Talent und die Vision dafür hätte. Das ist politlastige Dokufiktion in einem grotesken, hinreissend komischen Pop-Stil, den man gerade aus Italien nicht erwartet hätte. Sorrentinos Lieblingsdarsteller Toni Servillo spielt den Andreotti als Mischung von Nosferatu und Jabba the Hut aus Star Wars, als groteske Kunstfigur mit eben so viel Muppet-Show wie Realismus drin.”

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News