Ja, Tony Montana war nicht der erste, den sie Scarface, beziehungsweise Tony das Narbengesicht nannten. Schon im Jahr 1932 gab es bereits den Film Narbengesicht von Howard Hawks und Richard Rosson. Howard Hawks schuf übrigens mit Christian Nyby auch den 1951er-Film Das Ding aus einer anderen Welt, das ebenfalls Anfang der 80er-Jahre ein Remake bekam. Für viele ist das Das Ding aus einer anderen Welt von John Carpenter die bessere Wahl. Aber wie steht es mit Scarface (1983) und Narbengesicht (1932)? Kann hier das Remake genauso gut bestehen? Wir stellen die Gretchenfrage.
Hintergrund
Narbengesicht von Howard Hawks entstand in Anlehnung an die Gangster-Ikone Al Capone, dessen Name für den Film in Tony Camonte umgewandelt wurde. Der Unterwelt-Name Scarface blieb aber und verhalf dem Film zu einiger Popularität. Wegen der vielen Gewaltszenen hatte das Studio immer wieder mit dem Hays Office zu kämpfen. Nur um die angebliche Glorifizierung des Gangster-Lebens herunterzuspielen, kam der Untertitel The Shame of the Nation zustande. Zusammen mit Der kleine Cäsar und Der öffentliche Feind ist Narbengesicht einer der größten Klassiker des Gangster-Genres. Ähnlich erging es dem kontroversen Remake von Brian De Palma, der das Setting nach Miami verlegte. Obwohl von einigen, angewiderten Kritikern verrissen, spielte der Film 65 Millionen Dollar ein und avancierte wenig später zur popkulturellen Über-Referenz. Später sahen selbst die größten Kritiker ein, dass sie sich voreilig von der Gewalt und den 207 Fucks im Film abschrecken ließen.
Pro Narbengesicht (1932)
Die Gangsterwelle Anfang der 30er wirkt im nachhinein wie eine große Spielwiese der Möglichkeiten des jungen Tonfilms. Angestoßen wurden die für damalige Verhältnisse wilden und unmoralischen Werke von Warner, doch den vorläufigen Höhepunkt schuf Howard Hawks mit seinem Scarface. Basierend auf einem Drehbuch des genialen Ben Hecht setzte Hawks mit Paul Muni ein deutliches Zeichen, dass nicht nur die Gebrüder Warner Meister des Genres waren. Mit seiner Noir-artigen Inszenierung, der intensiven Leistung Paul Munis und dem für damalige Verhältnisse eindrücklichen Sounddesign (die Tommy Gun!) setzte er Maßstäbe. Selten gab es so einen psychopathischen Helden in einem klassischen Studiofilm, weshalb der originale Scarface seine Wirkung bis heute nicht verloren hat.
Pro Scarface (1983)
Fuck. Das ist das mit Abstand am meisten gesagte Wort in Scarface von Brian de Palma. Mit der Entscheidung für dieses kleine Wörtchen trifft Drehbuchautor Oliver Stone den Nagel auf dem Kopf. Das überbrutale Remake mischte die Kritiker auf, die erst später vor der unter der Brutalität versteckten Genialität niederknieten. Die Geschichte von Tony Scarface Montana (Al Pacino), seinem Aufstieg und Fall sieht aus wie ein manischer Drogentrip der Gewalt, mit Kettensägenmassakern und Tommy Gun-Schnetzelein. Wer kennt nicht den ikonischen Satz Say hello to my little friend? Ja, Scarface hat nur wenig mit seinem Vorgängermodell gemein. Giorgio Moroder gab der Gewaltorgie das gewisse, ungemein passende Disco-Feeling. Scarface ist eine Reflexion der sensationssüchtigen Hollywood-Landschaft und daneben hemmungslos überzeichnet. Das ist einfach sehr gute, doppelbödige Unterhaltung mit Legendenstatus.
Zu welchem Narbengesicht würdet ihr lieber Hallo sagen?