Wir schauen Game of Thrones - Staffel 4, Folge 10

17.06.2014 - 09:50 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
Breaker of Chains?
HBO
Breaker of Chains?
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Zum Abschluss der 4. Staffel führen die Game of Thrones-Autoren nochmal einen verspäteten Frühjahrsputz im Ensemble durch, um die Weichen für eine 5. Staffel unter teils neuen Vorzeichen zu stellen.

Bevor wir in den Recap einsteigen: Bitte, liebe Buchleser, achtet auf die Spoiler-Warnungen in den Kommentaren! So verlockend die wilde Diskussion über die Auslassungen in dieser Folge sein mag, umso schöner werden die gemeinschaftlich überraschten Ohs und Ahs durch die Kommentarsektion hallen, wenn vermisste Ereignisse in der 5. Staffel stattfinden.

Zu Beginn der 4. Staffel von Game of Thrones schienen die Lannisters stark wie nie. Die Starks waren weitestgehend ausgelöscht, Thronanfechter Stannis saß wundenleckend auf seiner Insel und ein Bündnis mit den reichen Tyrells in Form mehrerer Hochzeiten versprach eine Stabilisierung der blonden Macht nach dem kostspieligen Krieg der Fünf Könige. Mit dem Wissen um die 10. Episode The Children, schwingt bei Tywins Schmiedeaktion aus Two Swords plötzlich eine verhängnisvolle Bedeutung mit: Was den Starks der familiäre Zusammenhalt, sind bei den Lannisters die Zersetzungserscheinungen. Der Versuch, die Familie durch Zwang in Form zu bringen, damit sie trotz ihrer widerstrebenden Sehnsüchte als Machtbasis taugt, schlägt nicht nur fehl, er endet für Tywin tödlich. Vater Lannister bleibt in dieser vor Wendungen überlaufenden Episode von Game of Thrones nicht der einzige Abgang aus dem Figurenensemble, wenn auch kein anderer das Machtgefüge in diesem Ausmaß beeinflussen dürfte. Tatsächlich hat sich die Serie, die dem Tod so vehement ins Auge blickt, selten konsequenter von Handlungssträngen getrennt oder diese derart rigoros umgebettet wie in The Children. Es ist ein würdiger Abschluss einer im Großen und Ganzen überzeugenden 4. Staffel!

Der Kampf um die Macht: Schon Helen Lovejoy wusste, dass die Kinder als erstes vernachlässigt werden, wenn die Erwachsenenwelt ihre welterschütternden Entscheidungen trifft. Dabei sticht Game of Thrones seit dem Tag, als Bran Stark aus dem Fenster geschubst wurde, durch seinen ehrlichen bis rücksichtslosen Umgang mit den Kinder- und Jugendseelen hervor. 9 Folgen später waren die Stark-Kinder in alle Winde verstreut, ein Elternteil tot, das andere sollte folgen. Staffel 4 hat das Schicksal der noch verbleibenden Stark-Junioren radikaler gelenkt, als jede davor. Vor zwei Folgen gab sich Sansa der dunklen (Eyeliner-)Seite der Macht und damit dem Erwachsenenleben hin. In The Children werden alle Hoffnungen auf eine baldige Wiedervereinigung der Überlebenden zunichte gemacht.

Im Norden trifft Jon Snow wie geplant auf Mance Rayder, der sich zum ersten Mal in der Staffel die Ehre gibt. Beide begegnen sich mit Respekt und in Trauer über die Gefallenen. Jeder Krieger war schließlich irgendjemandes Sohn oder Tochter, selbst ein Riese. Bevor Jon Mance umbringen oder aber auf seinen Deal eingehen kann, werden die Wildlings von der Armee Stannis Baratheons eingekesselt. Nun wissen wir endlich, was Stannis in den vergangenen Episoden getrieben hat. Für winterfeste und wildlingabweisende Funktionskleidung hat er die Finanzspritze der Iron Bank of Braavos jedenfalls nicht genutzt. Kurz wird noch ein übermütiger Angreifer von einem Pferd weggepustet, schon trifft Stannis auf Jon. Stannis, “weiser” König, der er ist, hört sogar auf Jons Ratschlag, Mance Rayder gefangen zu nehmen. Der würde lieber sterben, als nochmal vor einem anderen Mensche niederzuknien. Freiheit ist sein höchstes Gut, was Mance interessanterweise nicht in einen rücksichtslosen Herrscher verwandelt, der mit seinen Untertanen in den Tod geht.

Zu bedauern ist in dieser Sequenz auf jeden Fall, dass wir bisher nicht mehr von Mance und seiner Wildling-Sippe gesehen haben. Zwar mangelt es letzterer an einem Point of View-Charakter. Ein Vergleich zu Daenerys’ und Tywins Herrschaftsmethoden, der über Ygrittes Lagerfeuergespräche mit Tormund hinausgeht, hat zumindest hypothetisch betrachtet seinen Reiz, ganz zu schweigen von einem greifbaren, starken Gegenspieler im Norden. Für eine Serie, die sich in diesem Ausmaß, gerade auch in der vorliegenden Folge, mit der (Un)Freiheit des Einzelnen beschäftigt, bringt Game of Thrones überraschend wenig Zeit für alternative Gemeinschaftsmodelle auf.

Nach einer emotionalen Feuerbestattung Ygrittes durch Jon, wenden sich die Autoren David Benioff und D.B. Weiss Bran Stark zu, der sich vor wenigen Folgen gegen ein Wiedersehen mit Jon, also die Familie, und für sein eigenes Schicksal entschieden hatte. Das führt ihn vorbei an der teuersten Szene der Serie (siehe Alex Graves Spoiler-Interview): schwertschwingende Skelette, die aus ihren Gräbern auferstehen. Dabei sucht Bran gar nicht nach dem Goldenen Vlies! Jojen Reed fällt der Zombiearmee zum Opfer, doch erst nachdem Meera und ein geheimnisvolles feuerschießendes Kind sicher gegangen sind, dass er nicht einer von ihnen wird. Bran, Meera und Hodor folgen dem Kind in die Höhlen jenes “Heart Trees”, den der Stark-Junge in seinen Visionen gesehen hatte. Während Jon mit Melisandre eine Vertreterin des dualistischen Glaubens aus Essos trifft, wird Bran ins Wurzelwerk einer frühzeitlichen Naturreligion getragen, deren Kraft immerhin stark genug ist, um die lebenden Toten in ihre Einzelteile zu zerlegen. Dort trifft Bran endlich den versprochenen dreiäugigen Raben in Gestalt eines uralten Mannes: “You will never walk again, but you will fly.” Brans Wanderschaft hat ihr vorläufiges Ende gefunden.

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