"Keine Zeit, Gitarre zu lernen": Springsteen-Darsteller Jeremy Allen White über Tricks beim Dreh & seine Zusammenarbeit mit Bruce

27.10.2025 - 08:41 UhrVor 1 Monat aktualisiert
Jeremy Allen White spielt Bruce Springsteen
Disney / 20th Century Studios
Jeremy Allen White spielt Bruce Springsteen
0
0
Jeremy Allen White verkörpert in Springsteen: Deliver Me From Nowhere den Musiker in einer schwierigen Zeit seines Lebens und sprach im Interview über die außergewöhnliche Rolle.

Seit Donnerstag, dem 23. Oktober 2025 können Musik-Fans in Springsteen: Deliver Me From Nowhere in eine definierende Zeit im Leben des US-Stars Bruce Springsteen, aka "The Boss", eintauchen. In dem besonderen Biopic von Scott Cooper spielt Jeremy Allen White die Musik-Legende, die sich kurz vor ihrem endgültigen Durchbruch mit dem ungewöhnlichen Album "Nebraska" ihren vergangenen Dämonen stellt. Im Moviepilot-Interview gab er spannende Einblicke in die herausfordernde Rolle.

Interview: Jeremy Allen White erklärt seinen Bruce Springsteen in Deliver Me From Nowhere

Nach zehn Jahren bei der Serie Shameless feierte der US-amerikanische Schauspieler Jeremy Allen White 2022 seinen Durchbruch als Koch Carmy in der Erfolgsserie The Bear: King of the Kitchen und zeigte anschließend als Wrestler in The Iron Claw, dass er auch wahre Vorbilder überzeugend auf die Leinwand bringen konnte. Dieses Kunststück wiederholt er nun in Deliver Me From Nowhere, wo er Bruce Springsteen verkörpert. Gegenüber Moviepilot legt er die Herausforderungen der Rolle offen auf den Tisch.

Als ich Jeremy Allen White in einem Berliner Edelhotel treffe, sieht der Star ein wenig verloren in dem großen Saal aus. Während des Gesprächs sucht er selten den Augenkontakt, antwortet aber konzentriert und mit Bedacht auf jede Frage. Trotz leichter Nervosität haftet ihm eine Aura an, die den fast zierlichen Körperbau des Darstellers übersteigt und faszinierend verdeutlicht, warum man hier einen gerade völlig zurecht aufsteigenden Star vor sich hat.

Schaut hier den Trailer zu Springsteen: Deliver Me From Nowhere

Springsteen: Deliver Me From Nowhere - Trailer (Deutsch) HD
Abspielen

Moviepilot: Wann bist du zum ersten Mal selbst mit der Musik von Springsteen in Berührung gekommen?

Jeremy Allen White: Das ist schwer genau festzumachen. Ich bin 1991 in Brooklyn, New York geboren und aufgewachsen und erinnere mich an keine Zeit, in der ich Bruce Springsteen und seine Musik nicht gekannt hätte. Es gab ein paar Radiosongs, die ich immer wieder hörte. "Born to Run" war wahrscheinlich der erste Song, den ich richtig gespürt habe. Und dann wurde "Hungry Heart" aus irgendeinem Grund zu einem Weihnachtssong für meine Familie. Wahrscheinlich wegen der Glocken in dem Lied. Es gab uns einfach ein Gefühl von Feiertagen und wurde häufig zur Weihnachtszeit gespielt.

Gab es einen bestimmten Prozess, mit dem du dich auf die Verkörperung von Bruce Springsteen vorbereitet hast?

Ich hatte etwa sechs Monate Zeit, mich vorzubereiten. Ich habe viel Energie darauf verwendet, Gitarre zu lernen. Außerdem musste ich erst das Singen an sich erlernen und dann das Singen, wie Bruce es tut. Ich hatte meine eigene Vorstellung von Springsteen, basierend auf dem, was ich über die Jahre durch das Hören seiner Musik und das Beobachten seiner Auftritte gelernt hatte. Denn er ist eine so große Persönlichkeit. Doch ich musste ihn neu entdecken.

Was hat dich bei deinen Recherchen zu Bruce Springsteen am meisten überrascht, weil du es vorher nicht über ihn wusstest?

Ich wusste vorher nichts über seine Inspirationen oder seine Kindheit. Man hat dieses bestimmte Gefühl bei Bruce, dass er aus einer Arbeiterfamilie stammt. Aber die Einzelheiten fehlten mir. Ich wusste, dass wir es mit einem sehr tiefgründigen Menschen zu tun hatten, weil ich seine Texte gelesen hatte. Aber ich wusste nicht, dass wir es mit jemandem zu tun hatten, der in dieser Phase seines Lebens wirklich am Abgrund stand. Jemand, der mit Selbstmordgedanken kämpfte und so intensiv mit sich selbst rang.

Du hast in der Vergangenheit sowohl fiktive Figuren als auch Rollen gespielt, die auf realen Personen basieren. Würdest du sagen, du bevorzugst es, einen Charakter selbst zu erschaffen oder auf einer wahren Grundlage zu arbeiten?

Ich denke, beides hat seine Vorteile. Es ist schön, eine Art Vorlage zu haben, wenn man eine reale Person spielt. Wenn man bereit ist, intensiv genug zu suchen, findet man dann immer Antworten auf seine Fragen. Wenn man eine fiktive Person spielt, muss man hingegen manchmal länger suchen, aber das bedeutet auch mehr Freiheit. Man hat vielleicht eine Idee, und dann steht man eines Tages am Set und dreht eine Szene, und in diesem Moment ändert man seine Meinung, und das ist vielleicht sogar besser für den Film oder die Figur oder die Serie.

Ist die Darstellung einer so berühmten Person wie Springsteen auch mit der Angst verbunden, diesem Menschen vielleicht nicht gerecht zu werden?

Ich empfand auf jeden Fall eine große Verantwortung [bei seiner Darstellung] und tue das immer noch. Bruce war aber sehr liebenswürdig. Er hat den Film unterstützt. Indem ich mit ihm übersprach und wir gemeinsam auf diese Reise gingen, fühlte ich mich ihm sehr verbunden.

Du trafst vor und während der Dreharbeiten also häufig auf den echten Bruce Springsteen?

Ja. Wir haben vor den Dreharbeiten viel Zeit miteinander verbracht. Außerdem war er fast jeden Tag am Set. Er hat den Film öfter gesehen als ich. Wahrscheinlich hat nur unser Regisseur [Scott Cooper] den Film häufiger geguckt als Bruce. Er war sehr involviert.

Vor den Dreharbeiten habe ich viele Fragen gestellt, was in bestimmten Momenten in Bruce vorging. Aber als ich ans Set kam, war ich zwar froh, dass er uns auf Kurs hielt, brauchte aber etwas Abstand, um mein Verständnis zu vertiefen. Ich glaube, wenn ich während des Drehs ständig zu ihm gegangen wäre, hätte ich angefangen, meine eigenen Instinkte zu sehr infrage zu stellen. Während der Dreharbeiten habe ich mich also eher nonverbal bei ihm vergewissert: 'Ist das okay, so wie ich es tue?'

Du hast erwähnt, dass du extra das Singen und Gitarrenspiel lernen musstest. Das klingt einschüchternd. Musstest du dann auch am Set performen oder habt ihr das vorher im Tonstudio aufgenommen?

Einige Teile wurden vorab aufgenommen, wie zum Beispiel "Born to Run" und "Born in the USA". Aber viele der intimeren Sequenzen im Haus in Colts Neck [wo Bruce das Album Nebraska aufzeichnet,] zeigen mehr Live-Aufnahmen von mir beim Singen.

Aber ja, es war unglaublich beängstigend. Die Gitarre war wirklich die größte Herausforderung, weil das Instrument für mich völlig fremd war. Ich erinnere mich, wie ich von unserem Musik-Supervisor Dave Cobb zum ersten Mal eine Gitarre in die Hand bekam. Er zeigte mir ein paar Akkorde und ich hatte das Gefühl, dass es unmöglich sein würde, mich in sechs Monaten so wohl damit zu fühlen, dass ich auf der Bühne stehen und mich wie Bruce bewegen, singen und spielen konnte. Aber durch viel Wiederholung, viel Zeit und viele sehr gute Lehrer bin ich dem Ziel nahegekommen.

Im Film sieht dein Gitarrenspiel auf jeden Fall sehr natürlich aus. Wirst du das Instrument jetzt häufiger zur Hand nehmen oder legst du die Gitarre nach dieser Rolle beiseite?

Ich fühle mich wie traumatisiert. Ich erinnere mich, dass ich mit JD, meinem Gitarrenlehrer, sprach und ihm sagte, dass ich mich sehr darauf freuen würde, Gitarre spielen zu lernen. Er sagte daraufhin: 'Wir werden dir nicht das Gitarrenspiel beibringen. Du wirst lernen, diese Bruce Springsteen-Lieder zu spielen. Weil du keine Zeit hast, wirklich Gitarre spielen zu lernen.' Jetzt nehme ich sie ab und zu in die Hand, um zu sehen, ob ich noch "Nebraska" spielen kann, aber ich habe mich bisher nicht über Springsteen hinausgewagt.

Der Film heißt nicht nur Springsteen, sondern Deliver Me From Nowhere, also "Erlöse mich aus dem Nirgendwo". Was verstehst du darunter?

Es ist eine Zeile aus "Highway Patrolman" [Track 5 vom Album Nebraska]. Ich glaube, Bruce befindet sich in dieser Phase des Films in einer Phase intensiver Suche. Er hofft, eine Ebene der Erkenntnis zu erreichen. Er ist an einen Ort zurückgekehrt, an dem er sich selbst nicht mehr wiedererkennt. Ich nehme an, es ist einfach diese Idee des Suchens, aber in der Hoffnung anzukommen.

Hast du selbst einen persönlichen Lieblingssong aus Springsteens gesamter Diskografie?

Es ist natürlich schwierig, jetzt, wo ich so viele seiner Lieder selbst gespielt habe. Ich neige dazu, mich auf diese zu konzentrieren. Ich glaube, am meisten Spaß hat mir "Reason to Believe" gemacht. Das ist der letzte Titel auf dem Album. Das ist der Song, den ich aktuell am liebsten singe und höre.

Dieses Interview wurde gekürzt und verdichtet. Springsteen: Deliver Me From Nowhere läuft seit dem 23. Oktober 2025 in den deutschen Kinos.

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News