Weltuntergänge auf der Leinwand

22.09.2011 - 08:50 Uhr
In Hell wird die Natur zum Feind des Menschen
Paramount
In Hell wird die Natur zum Feind des Menschen
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Für den Untergang der Welt kann es multiple Gründe geben: Invasionen, Meteoriten, Virusepidemien, Eiszeiten… Und dann gibt es noch die großen, bösen Naturkatastrophen. Warum die sich auf der Leinwand mehren, wollen wir heute herausfinden.

Ihr habt es sicher schon gemerkt: Diese Woche steht ganz unter dem Motto Apokalypse. Das liegt natürlich am Kinostart von Hell, dem deutschen Genre-Film, in dem Tim Fehlbaum die Welt an der alles vernichtenden Sonne zu Grunde gehen lässt. Nun ist es eigentlich keine besonders neue Idee, eine Katastrophe zum Mittelpunkt eines Films zu machen. Schon 1901 zeigte der erste Katastrophenfilm, der britische Kurzfilm Fire!, eine eben solche, wenn auch in wesentlich kleinerem Ausmaße: den Brand eines Hauses.

Erste Weltuntergänge auf der Leinwand
Spätestens in den 50er Jahren jedoch vergrößerte sich der Umfang der dargestellten Katastrophen. Plötzlich waren nicht mehr nur eine Hand voll Protagonisten, sondern die gesamte Welt von der Zerstörung bedroht, wie z.B. in Der Jüngste Tag. Insbesondere die zu dieser Zeit aufkommenden Alien Invasionsfilme wie Das Ding aus einer anderen Welt spielten mit der verbreiteten Befürchtung eines Weltuntergangs. Glauben wir der Autorin und Literaturwissenschaftlerin Susan Sontag, so lag das an der traumatischen Erfahrung der Atombombe und des Kalten Krieges. Die Weltbevölkerung wusste: Wenn es jetzt zu einem Nuklearkrieg kommt, dann bleibt von dieser, unserer Erde nichts mehr übrig. Postapokalyptische Visionen wie Das letzte Ufer drückten diese Befürchtungen auf der Kinoleinwand aus.

Susan Sontag stellt in ihrem berühmten Essay The Imagination of Disaster die These auf, dass wir diese apokalyptischen Darstellungen im Film brauchen, um uns mit dem Ende der Welt auseinander zu setzen. Der psychologisch kaum ertragbare Untergang wird durch die sich stetig wiederholende Darstellung normalisiert und erfährt häufig durch ein Happy End auch eine Entschärfung. Folgen wir ihrer Argumentation, dann macht es auch Sinn, dass sich apokalyptische Visionen verändern, denn der Mensch fühlt sich ja nicht immer von derselben Sache bedroht.

Die Verschiebung der Bedrohung nach Innen
Wie bereits erwähnt, fürchteten sich die Menschen ab den 50er Jahren vor einem alles vernichtenden Atomkrieg. Auch eine russische Invasion gehörte zu diesen Bedrohungen und wurde oftmals durch außerirdische Angreifer kodiert, wie wir neulich im Zusammenhang mit unserem Markanten Moment von 1951, Der Tag, an dem die Erde stillstand, erwähnten. Doch bis heute kamen weitere potentielle Bedrohungen dazu. So fürchteten wir uns ab den 80er Jahren in Terminator vor einer Übermacht der Maschinen, die – von uns selbst erschaffen – zu unseren schlimmsten Feinden werden. Matrix setzte Ende der 90er diese Schreckensvision fort und gab ihr einen neuen, digitalisierten Anstrich. Aus dem All kamen in den 90ern zudem nicht nur feindliche Außerirdische, z.B. in Independence Day, sondern wie in Deep Impact und Armageddon – Das jüngste Gericht auch Kometen.

Zusätzlich zu diesen Gefahren, die von außen lauern, setzte sich im Kino der letzten 10 Jahre zunehmend die Vorstellung der Zerstörung der Welt von innen durch. Das Thema Umweltkatastrophen wurde in verschiedensten Formen populär. Auf verspielte Weise zeigen Animationsfilme wie Ice Age oder Wall-E – Der Letzte räumt die Erde auf den Untergang der Welt durch einerseits eine Eiszeit und andererseits den rücksichtslosen Umgang der Menschen mit den Ressourcen ihres Planeten. Roland Emmerich ließ in The Day After Tomorrow und 2012 in den vergangenen zehn Jahren die Welt gleich zweimal actionreich durch Naturkatastrophen untergehen. Und auch Steven Spielberg zeigte in A.I. – Künstliche Intelligenz die Überschwemmung der Erde durch das Schmelzen der Polkappen.

Besonders auffällig ist diese Wendung zum „natürlichen“ Untergang der Welt, wenn wir uns die beiden Versionen von Der Tag an dem die Erde stillstand ansehen. Während in den 50er Jahren die Außerirdischen mit der Zerstörung der Erde drohten, weil die Menschen mit ihren Nuklearwaffen eine Gefahr für den interstellaren Frieden darstellten, ist Keanu Reeves als Alien im Remake mächtig angepisst, weil die Erdbevölkerung ihre faszinierende Flora und Fauna zu Grunde richtet. Zu guter Letzt sollte auch die apokalyptische Dokumentation Eine unbequeme Wahrheit genannt werden, die sich nahtlos in diese Tradition des „Ökogeddon“ einfügt.

Die natürliche Apokalypse in Hell
Hell beschuldigt zwar nicht direkt die Menschheit, dass diese für die tödliche Sonnenstrahlung verantwortlich sei, aber im Grunde wissen wir doch alle genug über Klimaerwärmung und Ozonlöcher, um diese Verbindung selbst herzustellen. Damit ist der deutsche Film sogar noch expliziter als sein amerikanisches Pendant The Road. In diesem Film von John Hillcoat schleppt sich Viggo Mortensen zwar durch eine vergleichsweise dunkle Postapokalypse, doch weist seine Reise auffällig viele Parallelen zur der von Hannah Herzsprung in Hell auf. The Road jedoch gibt dem Zuschauer kaum Hinweise darauf, woran die Welt zu Grunde geht.

Hell von Tim Fehlbaum ist aber bestimmt kein Lehrstück, ruft nicht zum angemessenen Umgang mit Wasservorräten und FCKW auf, sondern zeigt einfach nur eine erschreckende postapokalyptische Vision, ohne mit dem Finger zu zeigen. Es bleibt uns selbst überlassen, was wir damit anfangen. Zufall kann es wohl kaum sein, dass wir momentan Naturkatastrophen jeglicher Couleur auf der Leinwand erleben. Vielleicht hat Susan Sontag recht: Wir versuchen uns an die Vorstellung eines ökologisch bedingten Weltuntergangs zu gewöhnen. Ob Hell mit einem Happy End auch unsere Nerven beruhigt, könnt ihr ab heute im Kino erleben.

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