Warum The L Word immer noch die beste Serie über queere Frauen ist

21.09.2017 - 08:55 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
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Talking, laughing, loving, breathing, fighting, fucking, crying, drinking, riding, winning, losing, cheating, kissing, thinking, dreaming: Die Dramaserie The L Word hat sich als eine der ersten Serien überhaupt der intensiven Darstellung queerer Frauen gewidmet - und dabei einen verdammt guten Job gemacht.

Drehen wir die Zeit zurück, zum Anfang der 2000er Jahre: Wir finden uns wieder in einer Zeit, in der queere Frauen kaum im populären Fernsehen zu sehen waren, einer Zeit vor Orange is the new Black, Skins, Sense 8 oder Glee. Wenn sie überhaupt thematisiert wurden, dann waren queere Frauen unwichtige Nebenfiguren, stereotype Sidekicks oder lediglich bi-curious - und nach einer wilden College-Erfahrung auf dem besten Wege zurück in die Arme ihrer hypermaskulinen Männer. Wir finden uns wieder in einer Zeit, in der junge Frauen, die sich, nun, irgendwie anders fühlten, kaum Identifikationsfiguren aus den Medien beziehen konnten. Je nachdem wo oder wie man aufwuchs, gab es diese auch nicht im realen Leben. Wir finden uns wieder in einer Zeit, in der queere Männer schon seit einigen Jahren unter anderem in der Dramaserie Queer as Folk Gehör fanden, doch Frauen nach wie vor das Nachsehen hatten. Und dann kam The L Word - Wenn Frauen Frauen lieben.

The L Word: Leisha Hailey und Katherine Moennig

Einen Herz für Serie-Artikel über The L Word zu schreiben, ist für mich in gewisser Weise vergleichbar mit einer Erzählung über die erste Liebe. Mein wortwörtliches Herz für Serie begann tatsächlich erst mit The L Word zu schlagen, einer Serie, die so wichtig wie prägend für meine weitere Entwicklung auf persönlicher Ebene und als Film- und Serienliebhaberin war, dass es Neulingen sicherlich schwer fallen würde, eine ähnliche Sympathie zu entwickeln. Dennoch möchte ich allen, die diesbezüglich noch im Dunkeln tappen, diesen Meilenstein queerer Medienrepräsentation ans Herz legen und euch erklären, warum die Serie von Ilene Chaiken, die Anfang 2004 auf dem amerikanischen Fernsehsender Showtime in die Welt entlassen wurde, auch abseits seiner LGBTIQ*-Thematik begeistern kann.

Willkommen in West Hollywood

The L Word stellt eine Gruppe von Frauen ins Zentrum, die im Stadtteil West Hollywood in Los Angeles leben, lieben und arbeiten. Dazu gehören die Museumsleiterin Bette Porter (Jennifer Beals) und ihre Partnerin, die ehemalige Filmproduzentin Tina Kennard (Laurel Holloman), die noch ungeoutete Profi-Tennisspielerin Dana Fairbanks (Erin Daniels), die bisexuelle Journalistin Alice Pieszecki (Leisha Hailey) sowie die draufgängerische Frisörin Shane McCucheon (Katherine Moennig). Ähnlich wie das Central Perk in Friends, ist das Café The Planet Knotenpunkt der Interaktion der Freundesgruppe, welches sich in den abendlichen Stunden in einen Nachtclub verwandelt und im Laufe der Serie von Bettes Halbschwester Kit (Pam Grier), einer in die Jahre gekommenen Sängerin, geleitet wird. Zu der Gruppe stößt im Serien-Pilot die jüdische Schriftstellerin Jenny Schecter (Mia Kirshner), die frisch vom College nach Los Angeles zu ihrem Freund Tim (Eric Mabius) zieht, der im Nachbarhaus von Bette und Tina wohnt.

Von links oben:Jenny, Tim, Tina, Marina, Kit, Dana. Von links untern: Shane, Bette, Alice

Gemeinsam mit Jenny wird der Zuschauer somit in die Szene von West Hollywood und die L World (ein noch nie dagewesener Wortwitz) eingeführt und lernt die verschiedenen Figuren und Lebensweisen kennen. Als regelrechtes Mauerblümchen, das sich stets in einer heteronormativen Umgebung befand, bietet Jenny Identifikationsfläche für diejenigen Zuschauer, die selbst noch nicht mit so viel geballter Präsenz und Liebe unter Frauen in Berührung gekommen sind. Langsam aber sicher sehen wir Jenny dabei das Ufer wechseln, und begleiten die restlichen Figuren bei ihren alltäglichen Dramen um Job, Familie und Beziehung.

"Break out the L word" - "Lesbian?" - "The other L word" - "Lesbians?" (Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt)
Dabei steht die Liebe unter Frauen natürlich ganz klar im Mittelpunkt. Beinahe jede der zentralen Figuren identifiziert sich selbst als queer - lesbisch, bisexuell oder auch transgender - mit den wenigen Ausnahmen von Kit, die heterosexuell lebt, und Tim als einzigem Mann im Hauptcast der ersten Staffel, der ebenfalls hetero ist. Diese Vielfalt an queeren Frauen ermöglicht der Serie einen weiten Blick auf die LGBTIQ*-Szene. Frei von Klischees ist die Serie dadurch sicherlich nicht. Wenn man danach sucht, wird man die typischen Kategorien wie Butch, Femme, Lipstick-Lesbian oder wie sie alle heißen auch auf die Figuren in The L Word anwenden können. Doch erheben sie sich aus ihrer anfänglich klischeehaft erscheinenden Zeichnung und brechen diese regelmäßig auf.
The L Word: Mia Kirshner und Sarah Shahi

Problematisch ist hier vielleicht eher die allgemeine Quantität, die dann doch häufig ein wenig über das Ziel der Repräsentativität hinaus schießt. Beinahe jede Frau steht in The L Word auf Frauen. Und wenn sie das anfangs nicht tut, dann tut sie es irgendwann doch. In West Hollywood scheint es ein Kinderspiel zu sein, Gleichgesinnte zu treffen und ebenso einfach, die nächste Eroberung für Beziehung, One Night Stand oder was gerade so gewollt wird, in absolut jedem Bereich des Lebens und in absolut jeder Person zu finden. Auch wenn die Probleme in einer heteronormativen Gesellschaft zur Genüge aufgezeigt werden, so geht der Dialog mit dieser manchmal ein bisschen verloren. Nach Jahrzehnten der Unterrepräsentanz ist das jedoch vielleicht auch nicht ganz unverständlich.

Drama baby, Drama

Dabei spricht The L Word zusätzlich eine ganze Reihe von intersektionellen Themen an, die die Serie auch außerhalb ihrer queeren Konnotation auf eine außergewöhnliche Ebene erheben. So geht es um Rassismus und Feminismus, Klassenunterschiede, Brustkrebs, Alkohol- und Drogenkonsum, Adoption, künstliche Befruchtung sowie psychische und physische Krankheiten. Dazu kommen die üblichen Alltagsthemen, die in keiner guten Dramaserie fehlen dürfen: Jede Menge Beziehungskonflikte, gepaart mit Familienproblemen, Existenzängsten sowie großartigen Momenten der Freundschaft. Mit viel Witz, Charme und Gefühl zeigen die Figuren klar auf, dass sich die Liebe unter Frauen nicht von der unter heterosexuellen Paaren unterscheidet und der Mensch zuallererst Mensch ist, inklusive aller Herausforderungen, die damit einhergehen.

The L Word: Jennifer Beals

Der Cast um Jennifer Beals, die einige vielleicht noch aus dem 80er-Jahre-Tanzfilm Flashdance kennen, und Jackie Brown-Darstellerin Pam Grier ist grandios und wird komplettiert durch eine Palette von Gastauftritten szeneprominenter Musikerinnen wie Tegan and Sara oder Persönlichkeiten der Frauenbewegung wie Gloria Steinem.

Wer also Dramaserien wie Sex and the City mochte, der sollte auch The L Word eine Chance geben, und wer auf der Suche nach ein bisschen Fernsehgeschichte ist, für den führt kein Weg an dieser Serie vorbei. Die kürzliche Bestätigung eines geplanten Sequels lässt zudem auf die Beantwortung einiger offener Fragen hoffen und eröffnet ebenfalls die Möglichkeit, den ein oder anderen vergangenen Faux-Pas etwas zeitgemäßer auszugleichen. Ich persönlich kann das The L Word Revival jedenfalls kaum erwarten.

Habt ihr The L Word gesehen? Wie findet ihr die Serie?

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