Von der Einsamkeit des Heldentums

03.09.2012 - 08:00 Uhr
Die Einsamen Schützen
20th Century Fox/moviepilot
Die Einsamen Schützen
1
7
Ein moviepilot-user hat uns diesen Text zur Aktion Lieblingsserie zugeschickt. Sein Beitrag handelt von einer politischen Satire, dem Akte X-Ableger Die Einsamen Schützen. Am besten lest ihr selbst, was er oder sie zu sagen hat.

Worum geht es bei einer Lieblingsserie? Etwa um Höchstwertungen, makellose Inszenierung und tadellose Schauspielleistungen? Natürlich gibt es viele Beispiele, die man hier anführen kann. Doch ganz ehrlich: Würde man sich nur auf diese Kategorisierung reduzieren, wäre die Serienlandschaft zumindest im Bereich Lieblingsserie eher übersichtlich als vielschichtig. Und mit den üblichen Verdächtigen irgendwie auch ein wenig langweilig. Von daher ist meine Wahl auf eine Serie gefallen, die bestimmt alles andere als perfekt ist. Sie bietet keine großen Stars, erzählt keine bahnbrechenden Geschichten, und überhaupt wäre sie wenig memorabel, wenn sie nicht mit Protagonisten bevölkert wäre, die so liebenswert-skurril, so perfekt unperfekt daherkommen, dass man sie einfach gern haben muss. Wenn Menschen Ecken und Kanten haben, warum sollte es dann bei einer Serie über sie anders sein?!

Alles nahm seinen Anfang am 18. Februar 1994, als das Akte X – Die unheimlichen Fälle des FBI -Autorenduo Glen Morgan und James Wong für das Drehbuch der gerade ausgestrahlten 17. Episode E.B.E. drei liebenswerte Chaoten erdachte, die fortan als Verschwörungstheoretiker auf sich aufmerksam machen sollten. Ihr Name: Die Einsamen Schützen, eine offensichtliche Anspielung auf die sogenannte ‘lone gunman theory’, wonach das Attentat auf John F. Kennedy am 22. November 1963 von nur einem einzigen Schützen namentlich Lee Harvey Oswald verübt worden sein soll. Auch heute noch, beinahe 50 Jahre nach der schrecklichen Tat, reißen die Gerüchte um sie nicht ab, türmen sich Fragen auf, die nach Antworten verlangen. Antworten, die die illustre Truppe in diesem und anderen gleichgelagerten Fällen zu geben gedenkt. Ihr Mittel ist die alleinige Macht des Wortes, die sie mit allem Herzblut in die Veröffentlichung des Magazines The Lone Gunman steckt. Auch wenn es so gut wie keiner liest oder ernstnimmt. Echte Helden haben es nicht immer leicht.

Man denkt auch vielleicht nicht gleich an echte Helden, wenn man das Dreiergespann vor sich sieht: John Fitzgerald Byers (Bruce Harwood), der womöglich schon im Maßanzug auf die Welt gekommen ist, der langhaarige Richard Ringo Langley (Dean Haglund) und der älteste Schütze Melvin Frohike (Tom Braidwood), der seine Vorliebe für FBI-Agentin Dana Scully (Gillian Anderson) nicht immer im Zaum halten kann, wirken unscheinbar auf den ersten, aber überaus wichtig auf den zweiten Blick. Denn würde es sie nicht geben, diese einsamen Helden, die im Untergrund für Recht und Ordnung einstehen, unbemerkt von den Augen vieler, wäre es um unsere Welt recht schlecht bestellt. Es ist der bittere Preis des Heldseins, den Byers, Langley und Frohike in Kauf nehmen, um das zu sein, was sie sind: Augenöffner in einer Welt, die mehr Schein als Sein ist. Sie sind diejenigen, die mutig hinter den Vorhang blicken, dahin, wo man ansonsten nur Staub oder bestenfalls nichts vermutet. Geblendet vom allzu Offensichtlichen, während die eigentliche Wahrheit verborgen bleibt.

Was anfangs nur als kleiner Gag gedacht war, entwickelte zu Zeiten der Akte X eine derartige Eigendynamik, dass das Trio nicht nur einige eigenständige Folgen in der Serie, sondern ab Frühjahr 2001 sogar eine Spin-Off-Serie spendiert bekam, die jedoch leider nur 13 Folgen erhielt. An ihren Helden kann es zumindest nicht gelegen haben, wohl aber vielleicht an der Tatsache, dass Realität und Fiktion manchmal doch enger zusammenliegen als vermutet. Nach außen hin eine lediglich kurzweilige, klamaukige Serie um drei Außenseiter und ihre teils illustren Abenteuer, war die Serie Die Einsamen Schützen, die in Deutschland erst 2003, also zwei Jahre nach der US-Premiere, im Nachtprogramm zu sehen war, im Grunde so viel mehr als das, wenn sich zwischen dem durchaus vorhandenen Slapstick immer wieder menschliche Schicksale offenbarten, die den Lachern und Missgeschicken mindestens ebenbürtig gegenüberstanden. Das leidige Thema des Trennens von Schein und Sein ließ dieses amüsant-ehrliche Serienjuwel zeit seines Daseins nicht los, selbst am Ende nicht, als das, was erzählt werden sollte, abrupt und wenig feinfühlig abgebrochen wurde. Dank sinkender Quoten und der Erkenntnis, dass sich Qualität nicht immer durchsetzt.

So erbarmte sich kurzerhand die finale Akte X-Staffel und ließ Episode 15 mit dem vielversprechenden Titel Jump the Shark zum Quasi-Abschluss des kurzlebigen Spin-Offs umfunktionieren, in dem alle offenen Handlungsstränge noch einmal aufgegriffen und zu einem Ende geführt werden sollten. Es wurde ein Ende mit Ecken und Kanten, das der 13teiligen Serie auch mit noch so gutem Vorsatz niemals wirklich gerecht werden konnte. Denn echte Charaktere mit Wiedererkennungswert lassen sich nun einmal nicht in ein allzu starres Korsett quetschen, nicht auf Biegen und Brechen. Sie stehen vielmehr für sich, sind sich selbst Freund genug. Und damit soviel mutiger als der maskierte Superheld aus der Nachbarschaft. Denn es gehört viel dazu, Einsamkeit wegzustecken, als wäre es das Leichteste auf der Welt.

Es ist dieser Aspekt, der meine drei einsamen und so gar nicht perfekten Streiter auch lange nach dem Ende von Akte X und ihrer Spin-Off-Serie für mich so besonders, so einzigartig macht. Oder um es mit der eigenen Werbung zu sagen: ‘Heroes have never looked like this before. For obvious reasons.’

Wie wahr.


Wenn dir dieser Text gefällt, dann vergebe dein moviepilot-Herz unter dem Artikel. Wir zählen am Ende der Aktion Lieblingsserie die Likes zusammen. Wir veröffentlichen den Text anonym, um die Chancengleichheit zu gewährleisten.

Das könnt ihr bei der Aktion Lieblingsserie gewinnen.
Gewinne der Aktion Lieblingsserie

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News