Venom 3 überrascht als eklige Glibber-Version von zwei Steven Spielberg-Meisterwerken – es rettet den Film

25.10.2024 - 20:01 UhrVor 18 Tagen aktualisiert
Venom: The Last Dance
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Venom: The Last Dance
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Venom: The Last Dance kündigt sich als großes Finale der Marvel-Trilogie mit Tom Hardy an. Insgeheim ist der Film eine glibbrige Liebeserklärung an das sagenhafte Sci-Fi-Kino von Steven Spielberg geworden.

Nur ganz kurz sind Eddie Brock und sein schleimiger Symbiont durch ein glühendes Portal gerutscht, um sich in der Welt der Avengers umzuschauen. Während Fans auf ein Spider-Man-Crossover hoffen, hat Tom Hardys Anitheld schon nach wenigen Minuten die Schnauze voll. Genug mit dem Multiversums-Kram, posaunt er zu Beginn von Venom: The Last Dance und zieht sich in sein eigenes Universum zurück.

Dieses Universum trägt offiziell den Namen Sony's Spider-Man Universe (SSU) und beherbergt neben Venom die Marvel-Figuren Madame Web, Morbius und bald auch Kraven the Hunter. Schnell wird jedoch klar, dass der dritte Venom-Film am liebsten in einem ganz anderen Universum zu Hause wäre, nämlich dem, in dem die frühen Science-Fiction-Filme von Steven Spielberg beheimatet sind.

Allein das verwandelt Venom: The Last Dance in ein interessants Finale.

In Venom 3 kann niemand mehr nach Hause telefonieren: Denn das Zuhause ist ein monströser Weltenfresser

Der Prolog von Venom: The Last Dance könnte allerdings kaum weiter von den Gefühlen entfernt sein, die Spielberg auf die Leinwand bannt. Das, was hier in den ersten Minuten passiert, gleicht mehr einem eiskalten Heavy-Metal-Albtraum: Oberbösewicht Knull (Andy Serkis mit seiner gehässigsten Stimme) schickt seine Handlanger los, um den Schlüssel für seine Freiheit zu finden. Und der versteckt sich in Venom.

Hier könnt ihr den Trailer zu Venom: The Last Dance schauen:

Venom: The Last Dance - Trailer (Deutsch) HD
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Eine garstige Umgebung voller Schatten, Spitzen und Schleim, dazwischen ein mächtiger Thron: Knull wirkt, als würde der Tod persönlich aus dem Jenseits die Hölle auf Erden heraufbeschwören wollen, und, nun ja, das ist mehr oder weniger auch sein Plan. Venom und Eddie Brock befinden sich fortan auf der Flucht vor dem Symbionten-Gott, der sich eher als rachsüchtiger Weltenfresser denn als Vaterfigur versteht.

Kein Wunder, dass die US-Regierung skeptisch gegenüber Aliens ist, die auf die Erde flüchten. Von wegen Immigration: Im Gegensatz zu Dr. Teddy Payne (Juno Temple) sieht der Soldat Rex Strickland (Chiwetel Ejiofor) Anzeichen einer Invasion aus dem All und eröffnet die Jagd auf alles, was ihm fremd ist. Eddie und seine brachialere Hälfte träumen derweil von New York – und der Freiheitsstatue, die alle willkommen heißt.

Für eine Superhelden-Reihe, die sich bisher als stumpfer, vulgärer Gegenpol zum fein vernetzten Erzählen im Marvel Cinematic Universe behauptet hat, wartet Venom: The Last Dance mit einigen grüblerischen Gedanken auf. Die haben schon Aliens wie Superman beschäftigt und werden jetzt auch im SSU laut, wenn das Venom-Finale über den Zaun von Area 51 klettert und in die darunter gelegene Area 55 eintaucht.

Von E.T. bis Unheimliche Begegnung der dritten Art: Venom 3 tanzt mit Steven Spielbergs frühen Sci-Fi-Filmen

Spätestens hier bewegt sich der von Kelly Marcel geschriebene und inszenierte Film auf den Spuren von Steven Spielberg. Marcel, die als Drehbuchautorin und Produzentin bereits die ersten beiden Teile maßgeblich mitgestaltet hat und jetzt ihr Regiedebüt abliefert, verwandelt Venom: The Last Dance in ein Road Movie auf dem Weg zu E.T. und Unheimliche Begegnung der dritten Art. Eine willkommene Überraschung.

Sogar ein kleiner Junge, der mit staunenden Augen in den Himmel starrt, ist Teil dieser unerwarteten Geschichte und gleichzeitig der offenkundigste Hinweis, wie sich Venom: The Last Dance mit seiner Spielberg-Inspiration reibt. Denn der Junge schaut gar nicht so staunend, sondern ängstlich in die Dunkelheit. Auf keinen Fall will er ein Alien sehen. Davor fürchtet er sich enorm, wie er ausgerechnet Eddie/Venom verrät.

Wo Knull als Vater komplett versagt, sammelt Eddie mit Venoms flüsternder Stimme im Ohr Bonuspunkte bei dem Jungen – nur, um festzustellen, dass auch er zum schlimmsten Albtraum eines unschuldigen Kindes werden kann. Oder wie es der glibberige Symbiont formuliert: Grund für eine lebenslange Therapie. Es braucht nicht einmal Venoms verstörendes Äußeres, um Eddie als Serienkiller zu framen.

Mit gestohlenen Schuhen, zerrissener Kleidung und Schrammen im Gesicht bahnt er sich seinen Weg durch Amerika. Faselt unverständliche, zusammenhangslose Sätze vor sich hin und ist um keinen Faustkampf verlegen. Niemand würde diesen Fremden mit seiner Familie in einen Van packen und frohen Mutes Richtung Area 51 düsen. Doch genau dieses Kunststück vollbringt Venom: The Last Dance.

Ein sabbernder Symbiont stellt Steven Spielbergs Sci-Fi-Kino auf den Kopf – und es ist unerwartet berührend

Die erstaunlichste Szene des Films packt den niedergeschlagenen Eddie in einen Hippie-Bus, in dem David Bowies Space Oddity als Familienhymne gesungen wird. Ein famoser Balanceakt am Cringe-Abgrund. In Wahrheit öffnet sich zwischen Ground Control und Major Tom das Tor zu Eddies einsamer Zweisamkeit, sodass wir der unheimlichen Begegnung der dritten Art mit herzzerreißender Vorahnung entgegenblicken.

Tief verankert in dieser Szene strahlt die Geborgenheit von Spielbergs einfühlsamen Sci-Fi-Geschichten. Und gleichzeitig brodelt das Bewusstsein für die hemmungslose Attitüde, die Venom seit sechs Jahren im Kino an den Tag legt. Erleben wir gleich das Wunder des ersten Kontakts oder schießt ein ekliger Monsterkopf mit Reißzähnen aus Eddies Rücken und verschlingt lustvoll alles, was ihm in die Quere kommt?

Venom: The Last Dance stellt den staunenden Spielberg-Blick auf die Probe und erzählt von einem im kriegerischen Ausmaß eskalierenden Mensch-Alien-Konflikt, bei dem sich niemand traut, nach Hause zu telefonieren. Weil dieses Zuhause nicht mehr existiert. Weil dort ein finsteres Ungeheuer lauert. Oder schlimmer: Weil dieses Zuhause, dieses Ungeheuer einen genau dann aufspürt, wenn man es vergessen hat.

Und dann zerreißt der Film auch noch das ikonischste E.T.-Bild: die Berührung der Fingerspitzen. Marcel setzt den Moment mit einem Augenzwinkern in Szene und stoppt, bevor der Funken überspringt – eine weitere Referenz im rabiaten Venom-Modus. Insgeheim aber auch eine Vorbereitung darauf, dass Eddie Brocks Universum keine behütete Spielberg-Welt ist. Der Abschied ist ruppig. Und voller Säure.

Ist Venom: The Last Dance ein subversives Marvel-Meisterwerk? Die Antwort lautet: eher nicht. Der Film fühlt sich sichtlich wohl in dem filmisch komplett ambitionslosen Rahmen, den die Vorgänger vorgeben haben. Trotzdem kitzeln die Spielberg-Bezüge einige interessante Ideen und Motive heraus, die fraglos im Drehbuch verankert sind. Ein uninteressanter Abschluss ist dieser letzte Tanz definitiv nicht geworden.

Venom: The Last Dance läuft seit dem 24. Oktober 2024 im Kino.

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