Ohne den Green Book-Schock wäre der Oscar 2019 ein Debakel

25.02.2019 - 17:13 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
Die Oscars 2019
AMPAS/Disney/Netflix/20th Century Fox/Warner
Die Oscars 2019
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Eine turbulente Oscar-Saison gipfelt in einer Show ohne Host, deren einziges Konzept war, so viele Zielgruppen wie möglich abzugreifen. Unterhaltung war beim Oscar 2019 leider Nebensache.

Sind die Oscars zum Schämen? In den vergangenen Monaten drängte sich der Verdacht auf, dass den Verantwortlichen des wichtigsten Filmpreises in Hollywood ihre eigene Show unangenehm ist. Letzte Nacht ging der Oscar 2019 nun endlich über die Bühne, in knapp dreieinhalb Stunden wurde ohne Host durch die Kategorien gejagt. Das "Show" in der Oscar-Show wurde dieses Jahr zusammengekürzt (alle Details im Live-Blog). Für eine Veranstaltung, die sich als alljährliche Krönungszeremonie der Entertainment-Branche versteht, hatten die Oscars 2019 erstaunlich wenig Interesse an der Unterhaltung.

Die Oscars kamen 2019 direkt vom Fließband

Es mag widersprüchlich klingen, aber ohne die Preise wären die 91. Academy Awards aufgeschmissen gewesen. Preise wie der überraschende Beste Darstellerin-Award für Olivia Colman genau wie jene in den Kurzfilm-Kategorien. Die Gewinner brachen mehrmals mit den Erwartungen, sowohl an die gesetzten Sieger als auch an die Vorstellung, worüber in einer Dankresrede gesprochen werden kann (über Menstruation zum Beispiel, wie wir dank Period. End of Sentence. erfahren haben).

  • Ohne Host hatten die Oscars 2019 keine Persönlichkeit.
  • Allein die Sieger sorgten für wenige emotionale Momente.
  • Es fehlte bei der Verleihung der Academy Awards vor allem an einem: dem Willen zu unterhalten.
  • Alle Gewinner der Oscars 2019 im Überblick.

Der Sieg der Buddy-Rassendramödie Green Book als Bester Film wird noch auf Jahre diskutiert werden (eher wie ein L.A. Crash als ein The Artist). Er schockierte ein wenig, da Netflix' Roma von den Experten als Bester Film gehandelt wurde. Zum Glück, muss man sagen, denn der menschliche Faktor wurde bei dieser Zeremonie abgesehen von den Siegern auf ein Minimum reduziert. Keine Zeit für Überlänge, keine Zeit für die Dehnung des straff eingehaltenen Plans, kaum Zeit für Fehler oder Grenzüberschreitungen. Es waren Oscars vom Fließband.

Der Oscar zeigte, warum er einen Host braucht

Die Oscars sind der undankbarste Job der Welt, das haben wir in der vergangenen Awards Season gelernt, in der niemand den Job des Moderators haben wollte außer Kevin Hart. Als sich der Comedian zurückzog, entschied sich die Academy erstmals seit 30 Jahren für eine Show ohne Moderator. Heraus kam keine Wiederholung des legendären Desasters von damals. Wir sahen vergangene Nacht eher einen kreativen Präventivschlag gegen solche geschmacklichen Irrungen.

Bohemian Rhapsody

Statt potenziell bizarrer Musical-Nummern wurden Queen und Adam Lambert vorgeschickt. Ein Mitsing-Medley eröffnete die Oscars 2019, präsentiert von einer Band, die seit Jahrzehnten professionell die alten Hits vor Stadionkulissen abliefert. Geliefert hat Queen, aber nicht viel mehr. Durch das Freddie Mercury-Biopic Bohemian Rhapsody war die Band immerhin mit dieser Oscar-Verleihung sinnig verbunden. Hauptdarsteller Rami Malek gehörte zu den Siegern des Abends. Die Auftritte von einigen Präsentatoren waren weit weniger nachvollziehbar bei einem Filmpreis.

Für die Vorstellung der Bester Film-Kandidaten wurden Persönlichkeiten aus Sport, Musik und Politik eingeladen. Tennisspielerin Serena Williams, einer der größten Sport-Stars der USA, präsentierte A Star Is Born, Ex-Rage Against the Machine-Gitarrist Tom Morello trat für Vice - Der zweite Mann an, was sich vielleicht mit seiner politischen Haltung erklären ließ. Auf die Quoten wurde damit geschielt, zumindest durch Namen wie Serena Williams. Tom Morello dagegen, fraglos ein toller Gitarrist, wirkte in der Veranstaltung deplatziert.

Vielleicht hätten die Übergänge zwischen Quoten-Personalien und Filmschaffenden besser ineinandergegriffen, wenn jemand dagewesen wäre, um einen Witz darüber zu reißen. Über Oscar-Hosts wird gern und viel geschimpft; aber Shows wie die 91. Verleihung der Academy Awards erinnern daran, warum Hosts erschaffen wurden (in einem Labor in der Area 51, so um 1940 herum).

Green Book

Eine Persönlichkeit kann einem vierstündigen Show-Monstrum den Weg zeigen und uns witzelnd durch die Nacht führen. Oscar-Hosts bügeln organisatorische Knitter-Partien aus, sie lösen die angespannte Stimmung und sie verhindern, dass Julia Roberts nach dreieinhalb Stunden auf der Bühne steht, wie bestellt und nicht abgeholt, mit dem Fazit: "Well, apparently, that wraps up the 91st Academy Awards!"

Ein früher Oscar-Höhepunkt: Shallow aus A Star Is Born

Stattdessen reihte sich an die Musiknummer zum Auftakt eine Art Eröffnungsmonolog der Comedians Amy Poehler, Tina Fey und Maya Rudolph. Nur war er viel zu kurz, um Eindruck zu hinterlassen, und bot keinen Raum für den Biss, den diese Komikerinnen erwiesenermaßen besitzen. Poehler und Fey waren erstklassige Moderatoren bei den Golden Globes vor ein paar Jahren. Hier boten sie, die die Oscars eigenen Angaben zufolge auch nicht moderieren wollen, nichts Halbes und nichts Ganzes.

Danach wurde die Comedy weitgehend aus der Show getilgt, mit rühmlichen Ausnahmen wie Melissa McCarthy und Brian Tyree Henry. Beide tauchten für den Kostüm-Oscar tatsächlich im besten Kostüm des Abends auf (mit den angenähten Kaninchen aus The Favourite am Saum).

Musikalisch durften wir uns (dank Protesten von Lady Gaga und anderer) immerhin über vier der fünf nominierten Songs freuen. Früher Höhepunkt des Abends war die Darbietung von Shallow aus A Star Is Born. Mit der romantischen Lichtsetzung und Kamera wurde die Atmosphäre aus dem Film eingefangen. Lady Gaga und Bradley Cooper rekreierten Filmmagie auf der Bühne des Dolby Theatres.

A Star Is Born

Für ein paar Sekunden wirkte es, also wollte jemand da oben die Zuschauer tatsächlich berühren und nicht nur diszipliniert Richtung Ausgang führen. Dieses Gefühl, der normalen Welt enthoben zu sein, Movie Magic eben, war in der Nacht auf Montag nur selten zu spüren gewesen. Bette Midler und Barbra Streisand schenkten der Veranstaltung, die wenige altgediente Hollywood-Stars und viele austauschbare Stars auffuhr, einen dünnen Schein alten Hollywood-Glanzes.

Die Oscars waren ein Werk ohne Autor

Diese Verleihung wirkte von Anfang an wie die Nachzeichnung einer Oscar-Zeremonie durch einen handwerklich fähigen Fälscher, nur auf einer kleineren Leinwand, mit blasseren Farben und ohne Kontraste. Es sollte gelacht werden, aber bitte nicht zu viel. Es sollte musiziert werden, aber bitte nicht zu viel. Es sollte sich bedankt werden, aber ... ihr kennt das Spiel. So wurde uns ein Werk ohne Autor präsentiert, nur gefühlt halb so lang wie der leer ausgehende deutsche Film von Florian Henckel von Donnersmarck. Kurzweilig waren diese Oscars nämlich, aber zu welchem Preis?

Ginge es nach der Academy, hätten wir eine der besten Dankesreden der Nacht gar nicht live sehen können. Auf Druck der Branche hatten sich die Organisatoren gebeugt. Live-Action-Kurzfilm, Kamera, Schnitt und Make-up waren Teil der Live-Verleihung, statt in der Werbung zu verschwinden, und schenkten uns das Zitat: "I'm not crying because I'm on my period or something. I can't believe a film about menstruation just won an Oscar."

Aufbruch zum Mond

Ungedämpfter Schock - der zeigte sich in diesen kleineren Kategorien, deren Gewinner für gewöhnlich weniger PR-Filter innehaben. Er blitze auch in großen auf, wie jener der Besten Hauptdarstellerin. In einer Nacht mit einer erfreulich starken weiblichen Gewinner-Präsenz stand Olivia Colman auf der Bühne. Soeben hatte sie Glenn Close geschlagen, die Favoritin der Oscars. Colman stammelte belustigt und in Trance herum. Sie gluckste und schenkte der Welt eine Dankesrede mit nachgemachtem Furzgeräusch (viel zu selten in der Oscar-Saison!).

Green Book und BlacKkKlansman zeigen, wo die Oscars 2019 stehen

Olivia Colman hatte den Oscar für The Favourite bekommen. Es blieb der einzige Preis des Historiendramas. Einen Durchläufer gab es auch dieses Jahr nicht. Jeder Film unter den Best Picture-Kandidaten gewann mindestens einen Oscar. Acht Hauptpreise - Darsteller, Regie, Drehbuch, Film - wurden an sechs verschiedene Filme vergeben.

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Die Vielfalt ermöglichte es Spike Lee, seinen ersten Oscar mit einem Sprung in die Arme von Samuel L. Jackson entgegenzunehmen. Sie kreierte auch ein seltsames Oscar-Paar wie BlacKkKlansman und Green Book, die beide Drehbuchpreise erhielten. Der eine ist eine kämpferische Satire und Warnung vor der Konstante des Rassismus in der amerikanischen Gesellschaft. Der andere schickt einen weißen Rassisten und einen schwarzen Pianisten auf eine versöhnende Reise zwischen Chicken Wings und gefalteten Pizzas. Es sind zwei schwer zu vereinbarende Filme.

Reibungen wie diese waren in einer Oscar-Verleihung 2019 gern gesehen, die nichts so sehr fürchtete wie Ecken und Kanten, nichts so sehr zu vermeiden suchte wie Reibung. Dumm nur, dass Unterhaltung, gute noch dazu, das Potenzial des Scheiterns in sich trägt. Am Ende kann gejubelt werden - oder die Schamesröte ins Gesicht steigen. Die Academy war bei ihrer 91. Verleihung vor beiden Extremen hervorragend gewappnet. Den Oscars tat das nicht gut.

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