The Tick - Amazons absurde Superhelden-Serie im Serien-Check

13.10.2017 - 09:30 Uhr
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Zum Start der ersten Hälfte der 1. Staffel von Amazons Superhelden-Serie The Tick haben wir uns die ersten zwei Folgen angesehen. Und erlebten eine wortgewandte Show der Absurdität.

Update: Diesen Artikel haben wir bereits zum Start von The Tick bei Amazon Prime veröffentlicht. Ab heute ist beim Streaming-Dienst auch eine synchronisierte Fassung abrufbar. Es folgt die ursprüngliche Kritik.

Gestatten, mieser Wortwitz: Amazons neuste Superhelden-Serie The Tick tickt nicht richtig und das im gleich mehrfachen und positiven wie negativen Sinne. Basierend auf seiner eigenen, 1986 erstmals aufgetauchen Comic-Schöpfung nahm sich Ben Edlund der neusten Live-Action-Adaption des skurrilen Titelcharakters an. Zuvor brachte der US-Amerikaner bereits die gleichnamige Zeichentrick-Serie (1994-1996) sowie die erste serielle Realverfilmung (2001-2002) auf die heimischen Bildschirme.

Seine neuste Fernsehvariante erweist sich in den ersten beiden Episoden der insgesamt zwölfteiligen 1. Staffel, von denen die erste Hälfte am 25. August erschien, als wortgewandte Show der Absurdität, die in Zeiten des modernen, düsteren Superhelden-Kinos beinahe wie ein Relikt aus alten Adam West'schen Zeiten wirkt. Der namensgebende Bläuling The Tick steht als bedeutungsschwanger wie sinnlos vor sich hin blubbernde Heroen-Karikatur dabei im Rampenlicht und gibt den ambivalenten Ton der Serie klar vor. Dies liegt nicht zuletzt auch daran, dass die schwerwiegende Underdog-Geschichte bisher nicht so recht zünden will.

"Dies ist dein Leben. Deine Saga. Deine Ursprungsgeschichte."

Denn im Wesentlichen bildet The Tick in den ersten gut fünfzig Minuten den Auftakt einer klassischen Origin-Story, in deren Zentrum der etwas zu aufdringlich als traumatisierter Außenseiter charakterisierte Arthur Everest (Griffin Newman) samt sporadischer Augenzuck-Momente steht. Dieser glaubt fest an die Rückkehr des Oberschurken The Terror (Jackie Earle Haley), während der Rest der Welt von dessen Tod durch den als wandelndes Superhelden-Klischee inszenierten Superian (Brendan Hines) überzeugt ist. Regisseur Wally Pfister, der sich zuvor jahrelang als Kameramann Christopher Nolans einen Namen machte, watet hierbei durch traditionelles, vielfach plattgetretenes Terrain á la Peter Parker und ähnlichen Geschichten um einen jungen, auf die Probe gestellten Helden in spe.

The Tick

Mit überzeugter Albernheit, Off- wie On-Kommentaren und absurdem Pathos erweist sich Haupfigur The Tick (Peter Serafinowicz) jedoch als erzählerische Rettung.

Hauptsächlich ihm ist es zu verdanken, dass die klassisch anmutende Helden-Werdung durch einen fortwährenden Bruch mit der Erwartungshaltung ausgehebelt wird. The Tick vereint Bedeutung wie Sinnlosigkeit, Heroentum und Lächerlichkeit zu einer dialoglastigen Mixtur, die das Altbekannte zitiert, karikiert und zur kommentierenden Satire erhebt. Wenn Hauptdarsteller Peter Serafinowicz mit eindringlicher Stimme und wibbelnden Insektenfühlern zu großen Reden schwingt ("Wenn Schicksal spricht, spricht sie zu mir.") folgt im nächsten Moment deren offensiv-humoristische Unterwanderung ("Sie sagt 'Hi' nebenbei.").

"Sei vorsichtig, sie verschießt Glasaugen."

Zuweilen nimmt The Tick dazu unmittelbaren Bezug auf die Erzählung selbst. So kommentiert er etwa Arthurs anfangs zögernde Annahme seiner neuen Rolle als potenzieller Superheld mit: "Du bist bereits in Phase drei. Der Held weist den Ruf [nach ihm] zurück."

Konsequenterweise schwappt diese tonangebende Skurrilität ebenso auf die Gegenspieler über. Sie erscheinen geradezu als spleenige Abziehbilder überaus konventioneller Weltenzerstörer. So erlaubt sich etwa Jackie Earle Haleys The Terror in einer Rückblende einen Was-steckt-hinter-dem-Ohr-Moment idiosynkratischer Manier: "Nichts", stellt er freudig fest. "Hahaha, du hast nichts", lacht er ihm den kleinen Arthur (Kyle Catlett) schelmisch entgegen, der kurz zuvor Zeuge vom Tode seines Vaters und einer Gruppe verehrter Superhelden wurde. Von in elektrisierten Kämpfen herausspringenden Glasaugen ("Sei vorsichtig, sie verschießt Glasaugen.") bis hin zu ägyptophilen Vitaminwasser trinkenden Antagonisten mit Vorliebe für Markenbildung ("Markenbildung ist Macht.") wissen die Autoren auch auf der Gegenseite ihren roten Faden in der Hand zu halten. Zugleich suggerieren sie in der Zukunft noch wichtige Konflikte zumindest einzelner Schurken mit sich selbst und ihren Kollegen, was sich vor allem in der (jedenfalls zu Beginn) dominanten Glasaugen-Lady ausdrückt.

The Tick

Creator Ben Edlund und seine Crew scheinen sich ihrer Sache also sehr sicher zu sein, wenngleich abzuwarten bleibt, ob die gesamte Staffel von The Tick dieses bis hierhin unterhaltsame Konstrukt aufrechterhalten kann.

Der ungewisse Takt des Ticks

Fragezeichen bleiben allemal. Die im Kern altbackene Außenseiter-Story könnte sich trotz des komischen Verves der Titelfigur schnell auslatschen und womöglich erweist sich die Komik selbst irgendwann als Stolperstein. Denn so sicher The Tick im Auftakt auch auf den Wellen des absurden Humors surfen mag: Sicherheit kann rasch in überraschungsarme Erwartungserfüllung umschlagen, was ob des kontinuierlichen Erwartungsbruches selbst wieder absurd wäre.

Und wie entwickelt sich die Dynamik zwischen The Tick und Arthur? Wohin geht Arthurs Heldenreise? Spielen die innerschurkischen Konflikte noch eine größere Rolle? Welche Opfer wird Arthur im Widerstand mit seiner Umwelt (darunter Schwester Dot, gespielt von Valorie Curry) bringen müssen? Und ist Tick mehr als nur eine heroifizierte Pointe?

Nach Sichtung der ersten beiden Folgen bleibt zweifelnde Neugier. Freilich sticht die überaus knackig erzählte Neuauflage von The Tick - die Episodendauer liegt zwischen 23 und 28 Minuten - allemal aus der Düsternis und zum Teil allzu bemühten, auf Coolness getrimmten Komik modernen Superhelden-Kinos bzw. -Fernsehens heraus. Ben Edlund ist dabei nur zu wünschen, den Takt nicht zu verlieren.

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