The Room - Warum Tommy Wiseau ein Vorbild und keine Witzfigur ist

04.02.2018 - 08:50 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Tommy Wiseau
Wiseau Films
Tommy Wiseau
Derzeit läuft The Disaster Artist in den Kinos. Grund genug, an dieser Stelle ein Plädoyer dafür zu halten, The Room-Regisseur Tommy Wiseau als das Vorbild zu sehen, das er ist.

Der Plot von Tommy Wiseaus kultisch verehrtem Versuch, ein großes, amerikanisches Drama auf die Kinoleinwand zu bringen, ist schnell erklärt: Johnny (Wiseau) und Lisa (Juliette Danielle) führen eine glückliche Beziehung und wollen bald heiraten. Zumindest denkt Johnny das, denn Lisa hat sich eigentlich in dessen besten Freund Marc verguckt.

Doch natürlich passiert in The Room (2003) abseits der Haupthandlung noch viel, viel mehr. Es gibt merkwürdige und von kitschtriefender Popmusik untermalte Sexszenen, jede Menge Football, einen wütenden Drogendealer, merkwürdige Sexszenen, eine tragische Brustkrebs-Diagnose, wahre Freundschaften und das richtige Zitat für jede Lebenslage: Von perfekten Gesprächseröffnungen wie "Anyway how's your sexlife?" über nützliche Weisheiten wie "Two is great, but three is a crowd" bis hin zu philosophischen Ergüssen wie "If a lot of people love each other, the world would be a better place to live". Ach, und habe ich die merkwürdigen Sexszenen erwähnt?

Wer den Film nicht kennt und sich einen Eindruck verschaffen will, kann gut und gerne auf eines der zahllosen Best-of-Videos auf YouTube zurückgreifen. Zum Beispiel auf dieses hier:

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Aufgrund der stümperhaften, aber stets ernsthaften Inszenierung und dem dadurch wahnsinnig hohen Unterhaltungswert wurde The Room schnell zu einem Kultfilm, der bis heute regelmäßig aufgeführt wird und bei dem das Publikum (ähnlich wie auch bei The Rocky Horror Picture Show) spezielle Rituale ausführt: Es wird mitgesprochen und -geschrien, mit Löffeln in Richtung Leinwand geworfen oder ein Football quer durch den Kinosaal gepasst.

2013 schrieb Greg Sestero - Johnnys "best friend" Marc in The Room - schließlich das Buch The Disaster Artist über die Absurdität der Dreharbeiten und über seine Freundschaft zu Tommy Wiseau, dessen Verfilmung von und mit James Franco nun in den deutschen Kinos läuft. Was dieses Werk bei all seinem Unterhaltungswert jedoch noch mehr als alles andere zeigt, ist, dass der selbsternannte Filmemacher mehr ist, als nur eine Witzfigur. Wiseau ist vielmehr ein Mensch mit Träumen und Wünschen, der alles tut, um diese auch Wirklichkeit werden zu lassen und sich dabei niemals unterkriegen lässt. Im Grunde kann er ein Vorbild für uns alle sein - und hat zudem vielen seiner Regie-Kollegen etwas entscheidendes voraus: Sein Film ist durchgehend unterhaltsam und das auch noch bei der x-ten Sichtung.

Johnny (Tommy Wiseau), Marc (Greg Sestero) und ein Football

Follow your dreams

Zum Kultfaktor von The Room trug auch die nebulöse Hintergrundgeschichte von Tommy Wiseau entscheidend bei: Weder ist klar, woher er ursprünglich stammt, noch wie alt er ist und auch nicht, wie er unglaubliche 6 Millionen Dollar auftrieb, um seinen Film zu finanzieren. Greg Sestero stellt dazu in The Disaster Artist einige Vermutungen an, doch selbst er als bester Freund durfte nicht vollständig hinter die Fassade aus langer Mähne und dunkler Sonnenbrille schauen. Eins ist klar: Tommy Wiseau kam irgendwann mit dem Traum in die USA, sich als Filmemacher in Hollywood einen Namen zu machen.

Als glühender Fan von James Dean, Marlon Brando und Orson Welles wollte er immer sein eigenes Endstation Sehnsucht oder Citizen Kane schaffen und gab auch an, dass The Room stark von ... denn sie wissen nicht, was sie tun inspiriert sei. Viele Jahre nahm er also Schauspielunterricht, obwohl er dabei stets nur belächelt wurde und jagte seinem großen Traum vergebens nach. Doch hier kommen die Hartnäckigkeit, der Ehrgeiz und das Selbstvertrauen ins Spiel, von dem sich wohl die meisten von uns eine dicke Scheibe abschneiden könnten: Mit unbändigem Glauben in seine eigenen Fähigkeiten schrieb er zu Beginn des neuen Jahrtausends schließlich ein Drehbuch, mit dem nötigen Mut zum Risiko investierte er in dessen Produktion und mit Hartnäckigkeit und träumerischem Ehrgeiz war The Room trotz größter Widerstände irgendwann tatsächlich im Kasten.

Vielleicht nicht ganz Marlon Brando oder James Dean, aber dafür 100% Tommy Wiseau

Aber auch nach Fertigstellung des Filmes war der eigentlich aussichtslose Kampf um den Einzug in den Hollywood-Olymp noch längst nicht vorüber: Tommy Wiseau mietete eine riesige Plakatwand mitten in Los Angeles, um darauf seinen Film zu bewerben und organisierte zudem eine Premiere und Pressevorführungen. Er sorgte (gegen Bezahlung) dafür, dass The Room für zwei Wochen im Kino lief, damit er für die Oscars hätte in Betracht gezogen werden können und schickte Screener an die Academy. Was ihm an realistischer Selbsteinschätzung fehlte, machte er mit Selbstbewusstsein locker wieder wett.

Die 15 Jahre, die seit der Premiere von The Room ins Land gezogen sind, gaben Wiseau schließlich Recht. Zwar spielte das Drama natürlich keine Rolle bei den Oscars und entgegen seiner Erwartungen wurde im Kino mehr gelacht als geweint, aber heute hat der Regisseur, Produzent und Schauspieler genau das erreicht, was er immer wollte: Er hat sich in der Filmwelt einen Namen gemacht. Sein Film wird weltweit regelmäßig aufgeführt und verfügt über eine riesige Fanbasis. Tommy Wiseau selbst ist immer wieder ein beliebter Interview-Partner und darf über das sprechen, was ihn bewegt: Filme. Er war schon in mehreren Lang- und Kurzfilmen, YouTube-Shows und Werbeclips zu sehen, bald sogar wieder als Hauptdarsteller an der Seite von Greg Sestero im skurrilen Thriller Best F(r)iends, zu dem es einen großartigen Trailer gibt.

Als bisheriger Höhepunkt kommt mit The Disaster Artist nun auch noch die Verfilmung seiner Geschichte in die Kinos. Wie glücklich er mit dieser Entwicklung ist und vor allem, dass er durch die meist so negativen Kommentare zu The Room nichts an Selbstbewusstsein und Positivität eingebüßt hat, zeigt sein launiger Auftritt bei den Golden Globes, als er von Gewinner James Franco auf die Bühne gerufen wurde und diesem sogleich die Dankesrede abnehmen wollte.

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Ein Film mit Herz und Seele

Auch in Interviews (wie diesem ) zeigt Tommy Wiseau immer wieder, wie sehr er sich darüber freut, dass The Room noch immer so viel Aufmerksamkeit erhält. Er freut sich über all die Leute, die zu den Screenings kommen, bei denen er auch selbst regelmäßig anwesend ist und betont immer wieder, dass sie die Zuschauer emotional bewegen wollten - und dieses Ziel ist durch ausgelassenes Lachen und das gemeinsame Erleben einer Kinovorstellung allemal erreicht.

Aber wie bereits oben erwähnt, ist es nicht nur die gesunde Lebenseinstellung Wiseaus, die es zu loben gilt. Er hat darüber hinaus auch einen unglaublichen Film geschaffen, der mit keinem anderen zu vergleichen und eben nicht einfach nur schlecht ist. James Franco fasste diese Leistung im Actors Roundtable des Hollywood Reporter  im vergangenen Dezember perfekt zusammen:

Ich liebe diesen Film! [...] Ich habe ihn bestimmt 50 Mal gesehen. Man muss zugeben, dass er etwas ganz Besonderes hat. Und damit meine ich nicht die ganzen merkwürdigen Entscheidungen. Ich denke, das Geheimnis ist, dass so viel Leidenschaft dahinter steckt. Es gibt Tausende und Abertausende schlechte Filme, die wir nie wieder sehen wollen. Aber The Room schauen Menschen immer und immer wieder und das liegt zum großen Teil daran, dass er Herz und Seele besitzt.

Wir sollten also, wenn wir uns The Room anschauen und uns dabei berechtigterweise vor Lachen krümmen, auch einen kleinen Gedanken daran verschwenden, weshalb wir gerade so viel Spaß haben. Und außerdem daran, dass dieser langmähnige Halb-Vampir mit dem unverortbaren Akzent vor uns eben kein Clown ist, sondern vielmehr ein leidenschaftlicher Filmemacher. Ein leidenschaftlicher Filmemacher, der gewiss kein Hitchcock oder Spielberg ist, das aber mit beachtlichem Willen und großer Tugendhaftigkeit ausgleicht und sich somit seinen großen und lang gehegten Traum erfüllen konnte. Und daran können wir uns doch alle ein Beispiel nehmen.

Könnt ihr euch The Room auch immer und immer wieder anschauen?

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