Tatortreiniger und Co. - Schluss mit TV-Dreck

18.01.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Tatortreiniger und Co. - Schluss mit TV-Dreck
NDR/moviepilot
Tatortreiniger und Co. - Schluss mit TV-Dreck
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Das Einzige, was schlimmer ist als deutsche Kinofilme, sind deutsche Serien. So spricht der von HBO und BBC korrumpierte Zuschauer von heute. Soweit nichts Neues. Nur bei Serien wie Der Tatortreiniger machen viele eine Ausnahme. Bis auf die Sender, die kümmern sich einen Dreck…

Die heutigen U40-Generationen in Deutschland lieben Filme und Serien. Nur eben auf eine andere Weise und eben nicht aus eigenem Hause. Doch manchmal gibt es sie, die deutschen Film- und Fernsehproduktionen, die dem Publikum Worte entlocken wie “Ich hab’s ja nicht so mit deutschem Film/Fernsehen, aber XY war überraschend gut”. Serien wie Der Tatortreiniger und Mord mit Aussicht beweisen, dass deutsches Fernsehen nicht bei Scripted Fremdscham anfangen und bei Tatorteinerlei aufhören muss, sondern es deutsche Qualitätsserien gibt, die dort beginnen, wo andere vor Entsetzen längst abgeschaltet haben. Ein Aufreger der Woche über Serien mit Weltformat, die trotz Fanunterstützung und Traumquoten ein trauriges Nischendasein auf Sparflamme fristen müssen. Den Sendern sei Dank…

Der Tatortreiniger – Zapp’ mich rüber, Schotty
Ende 2011, im Nachtprogramm über die Weihnachtstage, schummelte sich eine Serie ins deutsche Fernsehprogramm. Der Tatortreiniger, der vom NDR still und heimlich in Auftrag gegeben und ohne den leisesten Werbetrommelschlag ins Fernsehen gebracht wurde. Ebenso still und leise wäre er wohl wieder verschwunden – denn die Ausstrahlungen fanden regelrecht unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt – wenn sich ihre Qualität nicht in den sozialen Kanälen herumgesprochen hätte. Ihr wundervoll lakonischer Witz, ihre schwarzhumorige Ader und gleichzeitig Feingeistigkeit versteckt hinter Heiko “Schotty” Schottes plattdeutscher Schnauze eroberten langsam die Herzen der Nation. Schottys Job fängt da an, wo sich andere vor Entsetzen übergeben. Eine kriminologische Putzfachkraft wie er stellt im Land der ewig gleichen Kriminalfälle und der ewig reinkarnierenden Kommissare den längst überfälligen Gegenentwurf dar. Er putzt, wo sich andere vor Krimiklischees und Kommissarüberdruss übergeben.

Wobei der bis heute andauernde Erfolg einem kleinen Wunder gleichkommt. Der NDR lässt bis heute nur wenige Folgen pro Staffel produzieren und versendet diese in einem anachronistischen Wirrwarr im Doppelpack mit alten Folgen zu Unzeiten jenseits der 22Uhr-Grenze. Zwei Folgen, die bereits 2012 gedreht wurden, kamen erst letzte Woche zur Ausstrahlung, während sie bereits seit Juni 2013 als DVD zu haben sind. Die jüngsten Folgen dagegen, die Ende 2013 produziert wurden, dürften am Sanktnimmerleinstag zu sehen sein. Kein Wunder, dass sich zwei der kreativen Masterminds hinter der Serie – Stromberg Regisseur Arne Feldhusen, der bislang jede Tatortreiniger-Folge drehte und Hauptdarsteller Bjarne Mädel, das Herz und die Schnauze der Serie – sich beklagen. Die beiden mussten aus der Presse erfahren, dass ihr Baby erfolgreich ins Ausland an Canal Plus in Frankreich und an das kleine US-amerikanische Network MhZ verkauft wurde und erfuhren über ein paar Ecken von den exzellenten DVD-Verkäufen der ersten Staffel.

Die jüngste, dritte Staffel, die vor einer Woche ausgestrahlt wurde, bescherte dem NDR Traumquoten und erreichte bei den jungen Zielgruppen einen Marktanteil von 5.3%, was den Senderdurchschnitt um ein fünffaches übertraf. Und das, obwohl die Serie nach 22 Uhr ausgestrahlt wurde. Eine Serie, die in ihrem dritten Jahr bei Fans und Kritikern kontinuierlich an Ansehen gewinnen konnte und längst mit zwei Grimme Preisen ausgezeichnet wurde. Eine Serie, die längst in die Primetime gehören würde, wo sie besonders bei den jüngeren Zielgruppen punkten und auch die letzten Zweifler davon überzeugen könnte, dass nicht bloß die Amerikaner, Briten oder Skandinavier schwarzhumorige, scharfkantige Serienkonzepte gepachtet haben, sondern Serienwunder auch im eigenen Land passieren können.

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