Tatort: Familienaufstellung - Ehrenwort kein Ehrenmord!

09.02.2009 - 08:01 UhrVor 13 Jahren aktualisiert
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Eine junge Türkin wird ermordet und gibt Anlass für einen Gesellschaftsdiskurs im Krimigewand.

Gestern abend ging es für Tatort-Kommissarin Inga Lührsen und ihren Kollegen Stedefreund mal wieder brisant zur Sache. Im sperrig betitelten Tatort: Familienaufstellung galt es im Dickicht von türkischer Familienehre und Vorurteilen die Wahrheit zu entdecken.

Das war Ehrenwort kein Ehrenmord. Ich schwör!

Der Selbstmord der Medizinstudentin Rojin Lewald stellt Hauptkommissarin Inga Lürsen (Sabine Postel) und ihren Kollegen Stedefreund (Oliver Mommsen) vor einige Rätsel. Die junge Frau, die aus einer türkischen Familie stammt, wollte sich von ihrem deutschen Mann scheiden lassen. Sie hinterlässt eine zweijährige Tochter. Ihre wohlhabenden Eltern sind erfolgreiche und angesehene Bürger Bremens, aufgeschlossen, jedoch streng gläubig. Merkwürdigerweise sehen sie den Tod ihrer ältesten Tochter nicht als Anlass, die Hochzeit ihrer jüngeren Tochter zu verschieben, die am darauf folgenden Wochenende stattfinden soll. Auch Rojins Geschwister sind nicht sehr begeistert, dass die Kripo bei einem Selbstmord ermittelt. Zum Erstaunen der Kommissare scheinen sich alle Familienmitglieder gegenseitig Alibis zu geben. Doch warum?

Die Obduktion bestätigt Inga Lürsens Zweifel: Es ist so gut wie ausgeschlossen, dass Rojin sich selbst getötet hat. Haben es Inga Lürsen und Stedefreund mit einem Ehrenmord zu tun? Rojins Anwältin, die ihr damals geholfen hatte, ihren eigenen Weg zu gehen, ist fest davon überzeugt. Die beiden Frauen waren eng miteinander befreundet. Doch einiges deutet darauf hin, dass die Anwältin mehr als Freundschaft für Rojin empfand, die ihre Gefühle jedoch nicht erwiderte. Stedefreund schließt nicht aus, dass sie Rojin deshalb getötet haben könnte. Inga hingegen würde ein klassisches Eifersuchtsdrama favorisieren: Der Ehemann tötet seine Frau, weil sie ihn verlassen will.

Unsicher und vorsichtig bewegen sich die Kommissare in einer ihnen fremden Lebenswelt und bringen zu guter Letzt eine Wahrheit ans Licht, die ihre schlimmsten Vermutungen übersteigt.

Erschreckend… schlecht gespielt

“Ein wahrlich erschreckender Krimi”, befindet Meine Filmwelt-Kritiker Oliver Lysiak (Batzman). "Dabei ist es weniger die mäandernde Krimistory, die sich bemühte die Klippen zwischen Vorurteil, Wahrheit und Political Correctness zu umschiffen, sondern die ungelenge Darbietung, die das Anschauen des Krimis zur Geduldsprobe werden ließ. Denn mit der Besetzung der Nebenrollen hat sich das Team von radio Bremen diesmal keinen gefallen getan. holperig, hölzern und an Laientheater erinnern so manche der Verdächtigen. Besonders die Anwältin liefert ihre Tiraden in putziger Deklamation, die man so selbst bei Daily Soaps nicht mehr gewohnt ist.

Erschwerend kommen Dialoge hinzu, denen man die Zusammenarbeit mit einer Rechtsanwältin, die sich dem Thema verschrieben hat, nur zu deutlich anmerkt. Seyran Ates ist sicher durch die eigene Arbeit sehr bewandert, was türkische Gepflogenheiten und innerfamiliäre Probleme angeht. Die Dialoge die sie und ihre Ko-Autorin Thea Dorn die Figuren aufsagen lassen, klingen dennoch streckenweise mehr nach Schulfernsehen als nach realistischem Sonntagskrimi.

Selbst gestandene Schauspieler wie Erol Sander kämpfen sich nur zäh durch moralinsaure Tiraden, die vom beständigen “sowohl als auch” geprägt sind, das diesen Krimi auszeichnet, der anklagen will ohne jemanden vor den Kopf zu stoßen. Ziemlich fehlbesetzt und deutlich unterfordert auch Jungstar Kostja Ullmann, dem man den türkischen Sohn so gar nicht abnimmt, sowie Denis Moschitto, der in anderen Rollen ebenfalls schon eine viel bessere Figur gemacht hat. Was den Ausschlag gab Jennifer Ulrich
als junge Türkin zu besetzen, wissen wohl auch nur die Macher dieses Krimis.

Wenn sich am Ende rausstellt, das es kein Ehrenmord war, sondern die Schwester des Opfers die Morde aus Verzweiflung begangen hat, ist schon zuviel geredet worden, ist zuviel akustische Bleiwüste durchschritten worden, als das die Auflösung noch irgendeinen emotionalen Effekt erzielt. Einzig der sinnlos und lächerlich in die Decke ballernder Stedefreund, der eine Menge zurückhalten will, die schon längst zur Ruhe gekommen ist, sorgt nochmal für ein kurzes Auflachen vor dem Wegdösen.

Wichtige Themen, ergeben nicht immer gute Krimistories. Denn gute Unterhaltung und ausgewogener Diskurs, lassen sich nur selten wirklich unter einen Hut bringen. So ungelenk wie der Titel, so ungelenk wirkte diese ganze Familienaufstellung, deren wenige Lichtblicke wirklich einzig der soliden und sympathischen Stammbesetzung geschuldet sind. Und der Hund, der war ebenso niedlich wie überflüssig."

Nur Bitterkeit und Enttäuschung

Josef Girshovich kritisiert in der Cicero den vermeindlichen Generalangriff dieses Tatorts, auf den Islam: "Irgendwie wird man da das Gefühl nicht los, es gehe in “Familienaufstellung” um eine persönliche Abrechnung mit dem Islam, statt um einen kritischen Dialog mit einer großen monotheistischen Religion. Bitterkeit und Enttäuschung, personifiziert durch die jungen Anwältin, sind in diesem Tatort allgegenwärtig."

Langweilige Lehrstunde, einseitige Religionskritik oder konstrukive Auseinandersetzung? Ihre Meinung ist gefragt. Jetzt den Tatort: Familienaufstellung bewerten und mitdiskutieren.

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