Tatort - Ein Kalter Engel in Erfurt

03.11.2013 - 20:15 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Tatort - Kalter Engel
ARD/MDR
Tatort - Kalter Engel
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Das erste Thüringer Tatort-Team langweilt mit einem 08/15-Fall und blass bleibenden Kommissaren, die mit ihrer Macho-Attitüde wohl einem Nick Tschiller oder Thorsten Falke nacheifern sollen. Dabei schwanken sie zwischen unfreiwilligen Antipathien und purer Konturlosigkeit.

Vor ein paar Wochen schrieb ich über das Einmaleins der Einführung neuer Krimikommissare. Wie gerufen als Ergänzung des 46 Seiten langen Lehrbuch-Anhangs kommt nun Tatort: Kalter Engel, der erste Fall der neuen Kommissare aus Erfurt. Damals ging es um das Problem der Überladung der Charaktere mit Eigenschaften, die sie unter den vielen Krimis hervorstechen lassen sollen. Der neue Tatort aus dem Hause MDR scheut sich größtenteils vor abgefahrenen Eigenheiten und begnügt sich mit drei ausgesprochen austauschbaren Kommissaren, sodass wir auf den Fall zurückgeworfen werfen, um Interesse für das Geschehen aufzubringen. Leider passt der den Ermittlern wie angegossen.

Lokalkolorit: Im waschechten MDR-Look bewegt sich der erste Thüringer Tatort mit leidlich kaschiertem Desinteresse durch die Landeshauptstadt. Lokalpatriotische Bewohner nicht näher genannter Nachbarstädte mögen dies zwar nachvollziehbar begründen. Es dominiert allerdings die Abwesenheit jedweder ästhetischer Ambition in der Annäherung an die Stadt oder auch nur das eigene Genre. Petersberg, RWE-Wimpel, Uni (1) und Krämerbrücke huschen durchs Bild und für ganz Träge gibt’s eine idiotisch nebensächliche Referenz an den Amoklauf am Gutenberg-Gymnasium 2002, damit sich auch der letzte Hirni erinnert, woher er dieses Erfurt kennt.

Plot: Ein Serienmörder wird gefasst. Unklar ist, ob er auch das dritte Opfer auf dem Gewissen hat, das nahe der Gera gefunden wurde. Die beiden Kommissare Henry Funck (Friedrich Mücke aus Friendship!) und Maik Schaffert (Benjamin Kramme) ermitteln mit der Praktikantin Johanna Grewel (Alina Levshin aus Kriegerin) in Studentenkreisen. Mit Aufputschpillen und anderen ungewöhnlichen Nebenverdiensten wird das Studium hier finanziert. Der kalte Engel, das Opfer Anna, machte sich dadurch wenige Freunde und viele Feinde. Und was hat der Frauenmörder Roman Darschner mit der Sache zu tun?

Unterhaltung: … wenig. Die Serienmörder-Handlung dient in diesem Tatort erstens als Beleg, wie tough die beiden Kommissare sind. Zweitens können so Fotos gequälter Frauenkörper zwecks exploitativer Nippelschau durchs Bild gewedelt werden. Anstatt hier in einen Essay über die Darstellung sexueller Gewalt gegen Frauen in modernen Krimiserien umzuschwenken, sei noch auf die fehlende Chemie zwischen den Hauptdarstellern, insbesondere das lustlose Macho-Gehabe der Herren und die als “quirk” angelegte Faktenflut der Praktikantin vom Dienst (2) verwiesen, denen es überraschenderweise nicht gelingt, diesem Krimi auch nur für eine Sekunde so etwas wie Spannung, Witz oder Charme einzuflößen.

Tiefgang: Zum gefühlt vierhundertsiebzigsten Mal taucht ein Sonntagskrimi ins studentische Milieu über den Umweg eines Escortservices ab, was vielleicht an den damit assoziierten Fantasien auf Seiten der Autoren liegt – oder aber an Ideenarmut. Angereichert wird das Ganze mit dem ungeheuer tagesaktuellen Thema der Aufputschmittel, mit der sich anscheinend eine ganze Generation den Bachelor of Arts and Whatever erkämpft. Motivation und Konsequenzen bleiben auf Schlagworte begrenzt (Gier! Stress!), da keine der beteiligten Figuren eine hinreichende Charakterisierung erfährt. Darüber können die ungelenken Hinweise, dass Prakti Grewel sich viel zu gut mit diesen Tabletten auskennt, kaum hinwegtäuschen. Bedenken wir also, dass hier ein extrem junges Team ermittelt, das selbst noch mit einem Bein im thematisierten Lebensabschnitt steht, ist Tatort – Kalter Engel nichts weiter als eine vertane Chance.

Mord des Sonntags: Entweder die Lebenszeit oder die Hoffnung auf einen guten Sonntagskrimi aus Thüringen.

Zitat des Sonntags: “Alter!”

Ein furchtbarer Erstlingstatort aus Erfurt war das oder was meint ihr?


(1) Hier muss eine Lanze für die gar nicht so schnippischen Mitarbeiter der Erfurter Unibibliothek gebrochen werden, die auch ahnungslosen Jenensern mit Höflichkeit begegnen.
(2) So ein IKEA-Bett lässt sich problemlos allein aufbauen. Hab ich gehört.

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