Tatort - Borowski und das ausgebeutete Meer

30.03.2014 - 20:15 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Tatort - Borowski und das Meer
ARD/NDR
Tatort - Borowski und das Meer
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Mit dem umweltschädigenden Abbau von Rohstoffen beschäftigt sich der neue Tatort aus Kiel, der seinen vorhersehbaren Plot mit einem überflüssig selbstreferentiellen Celebrity-Cameo zu würzen versucht.

Der starke Tatort: Borowski und der Engel hatte daran erinnert, dass ein Tatort zuallererst auch Krimi und nicht nur eine aufklärende Wikipedia-Seite in Bewegtbildform sein kann. Tatort: Borowski und das Meer sinkt zwar nicht in die Untiefen der schlimmsten Problem-Tatorte ab, droht aber immer dann abzusaufen, wenn über Seltene Erden und Mobiltelefone palavert wird. Tiefpunkt ist eine gähnend langweilige Tauchfahrt auf den Spuren James Camerons, deren Inszenierung am Einfangen von Firmennamen mehr interessiert zu sein scheint, als an der Entwicklung irgendeiner Form von Atmosphäre oder Spannung. Dass der Tatort trotzdem nicht in die Neoprenhose geht, verdankt er dem besten norddeutschen Doppel-B seit Bed & Breakfast: Borowski und Brandt.

Plot: Betriebsfeiern haben schon viele kollegiale Beziehungen nachhaltig zerrüttet. Das lernt auch Jens Adam (Andreas Patton), der auf dem Partyklipper frische Luft schnappen will, prompt erschossen wird und ins Meer stürzt. Während die Suche nach seiner Leiche andauert, klopfen Borowski (Axel Milberg) und Brandt (Sibel Kekilli) bei dessen Arbeitgeber Marex an, eine Firma, die mit dem risikoreichen Schürfen nach Seltenen Erden ihr Geld an Land zieht. Hat Adam etwa einen Mord an einem Umweltschützer in Neuseeland dokumentiert (wo übrigens jeder Deutsch spricht)? Oder handelt es sich um ein Eifersuchtsdrama zwischen vernachlässigter Ehefrau (Nicolette Krebitz) und Geliebter (Florence Kasumba)? Wichtiger noch: Diktiert Kim Jong-un neuerdings auch die Frisuren von TV-Auftragskillern?

Lokalkolorit Borowski und das Meer. Was für ein toller Titel. Leider wird sich in diesem Tatort, in dem außerordentlich viel um Gefährdung und Schutz der Tiefseebewohner gebangt wird, kaum mit deren Habitat beschäftigt. Erinnern wir uns kurz, wie Tatort: Mord auf Langeoog die blaue Naturgewalt fast schon zu einem Charakter erhoben hat und Borowski und das Meer wird zwangsläufig enttäuschen. Andererseits passt es ganz gut, dass ein Krimi übers Meer, der große Heldentaten in erbärmlichen Menschen sucht, sich aufs räumlich kleine, aufs überschaubare beschränkt. Da leiden die aufrechten Kommissare über kurz oder lang an Platzangst.

Unterhaltung: Borowski gibt sich etwas entspannter in diese Tatort, soll heißen, er flucht, erforscht den Meeresgrund und bricht bösen Buben die Nase. Das sprengt dank Milberg noch nicht die Grenzen eines “glaubwürdigen Borowski”, muss aber nicht unbedingt zur Nachahmung einladen. In erster Linie bewährt sich die Chemie zwischen Axel Milberg und Sibel Kekilli, die eine gleichberechtigte Sarah Brandt spielt. Auch wenn der neue Kieler Tatort wieder mehr Wert auf Brandts Epilepsie-Subplot legt, belässt er dem dynamischen Duo seinen Humor, selbst dann, wenn sie auf engstem Raum eingepfercht und in ihren Ängsten ähnlicher sind, als gedacht.

Tiefgang: Auch Helden können Feiglinge sein und Konzerne gehen für den Profit über Leichen. Damit sind die Weisheiten dieses Tatorts hinreichend zusammengefasst. Trotzdem wird der Krimi nicht von Schießbudenfiguren überlaufen. Nun gut, einmal abgesehen von einem gewissen Bestsellerautor. Die Storywendungen könnte abgegriffener kaum sein, aber in den Charakterisierungen wird der Tatort über die Ziellinie bzw. Wasseroberfläche gerettet. Ehefrau Adam wird von einer faszinierenden, weil schwer definierbaren Hingabe für ihren Mann getrieben, während die vermeintlich böse Chefin (Karoline Eichhorn) am Ende des Tages auch nur nach Hause zu ihrer Tochter geht. Manches Mal grenzen die Figuren an Fragmente, die ausschließlich den Plot-Entwicklungen zu Willen sind, aber dann sind es wenigstens nuanciert gespielte Fragmente.

Mord des Sonntags: Ertränkt während der Skype-Konferenz.

Zitat des Sonntags: “Seltsamer Fall, seltsame Frauen.”

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