Tatort aus Ludwigshafen - Von Pferden & Pornos

18.01.2015 - 20:10 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Tatort: Die Sonne stirbt wie ein Tier
SWR/ARD
Tatort: Die Sonne stirbt wie ein Tier
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Lena Odenthal entlässt sich selbst aus der Reha, um einem Pferde-Ripper und Mörder zu jagen, was in Tatort: Die Sonne stirbt wie ein Tier leider nur als Aufhänger für allerhand Psycho-Gebrabbel dient.

"Be careful what you wish for", heißt es schön im Englischen und in diesem Fall muss ich mir an die eigene Nase fassen. Beim letzten Ludwigshafener Tatort: Blackout hatte ich mich noch verhalten gefreut über die psychische Labilität Lena Odenthals (was übrigens viel fieser klingt, als es gemeint ist). Ähnlich wie die Krimis von Klara Blum in Konstanz erzielen die Ludwigshafener Einsätze ihre einschläfernde Wirkung, weil bei ihnen auf Seiten der Kommissare nie wirklich etwas zu Bruch geht, was ein Glas Rotwein nicht ersetzen kann. Blackout bot nun kein erschütterndes Drama in den Reihen der Polizei, zumindest aber die Einsicht, dass Odenthal verletzlich ist, was sie in einem Meer von konstruiert wirkenden Krimiplots plötzlich menschlicher aussehen ließ. Tatort: Die Sonne stirbt wie ein Tier folgt Odenthal daran anschließend in die Reha. Doch alles, was das Drehbuch von Harald Göckeritz daraus zaubert, ist eine krude Mischung aus Peter Shaffers "Equus" und Thomas Harris' "Roter Drache", angereichert mit einem Volkshochschulkurs zur Trauminterpretation (nichts gegen Volkshochschulen!).

Tatort: Die Sonne stirbt wie ein Tier

"Superscharfe Pfälzer Hausfrauen warten auf dich", heißt es auf der letzten aufgerufenen Website eines ermordeten Tierpflegers, der auf einem Pferdehof gefunden wurde. Das vernichtende Urteil der Polizei: "Er hat Science-Fiction, Pornos und Actionfilme geguckt." Die mit einem gut situierten Anwalt verheiratete Besitzerin des Hofs (Alma Leiberg) trauert mehr um den Tod eines Pferdes als den Verblichenen im Stall. Das verwundert ihre Umgebung nach dieser erst im Nachhinein mühsam begründeten Figureneinführung und -entsorgung allerdings gar nicht. Odenthal (Ulrike Folkerts), von den örtlichen Polizisten aus der Reha an den Tatort gerufen, kann den Fall nicht ad acta legen und mischt sich trotz Burnout ein. Dabei lässt sie keine Minute ungenutzt, ihrer Umgebung von ihren Träumen zu erzählen. Ein komödiantischer Höhepunkt ist das Gespräch mit Fallanalytikerin Stern (Lisa Bitter). "Das Blut weht mir immer ins Gesicht", heißt es da im Klimax eines Traumes und Stern antwortet mit einer Bestimmtheit, die schon wieder Respekt einfordert: "Ja, kenn ich." Oversharing nennt man das, nur leider tut es Odenthal in einem Tatort und nicht auf ihrer imaginären Facebook-Seite. Träume schön und gut, der dialogtechnische Glanzpunkt des Krimis folgt, als die Frage "Warum wird man Fallanalytikerin" mit einem aus einer anderen Galaxie hergeholten Vergleich zum Kriegsfotografen beantwortet wird. Der schaffe sich durch seine Kamera Distanz, wie die Analytikerin, die von draußen zuguckt, während drinnen seziert wird. Da will man glatt mit dem durchdringenden Migräne-Schrei antworten, den Alma Leibergs Figur an anderer Stelle in höchster Qual ausstößt.

Koppers schillerndes "Wehe, wenn sie losgelassen" bei Ansicht der besoffenen Bürgerwehr grenzt zwar an Selbstparodie, die Macher von Tatort: Die Sonne stirbt wie ein Tier meinen es völlig ernst. Das lässt sich am Titel ableiten, aber auch an der durchaus nicht mit Einfühlsamkeit sparenden Nebenerzählung eines stalkenden Tierliebhabers. Nur gibt sich die Abhandlung dieses interessanteren der beiden Erzählstränge ähnlich einfältig wie der Rest. Mit den Worten des Drehbuchs zusammengefasst: "Pferden kann man vertrauen." - "Menschen nicht?" - "Doch, ja, da hab' ich nie drüber nachgedacht."

Mord des Sonntags: Odenthal verabreicht den Gnadenschuss.

Zitat des Sonntags: "Wenn's hier so weiter geht, brauch' ich auch ein psychiatrisches Gutachten."



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