Sorgenkinder in We Need to Talk About Kevin

21.05.2014 - 17:00 Uhr
Eine glückliche Familie.
BBC Films
Eine glückliche Familie.
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Lasst uns heute alle mal über Kevin reden, diesen Satansbraten. Schön in der Gestalt, innen schwarz, verfault, aber trotzdem ein Sohn von Jemandem. Tilda Swinton spielt seine Mutter und muss mit ihm zurecht kommen in We Need to Talk About Kevin.

Wo keine Mutterliebe ist, da kann Liebe auch nicht gedeihen. Kevin (Indie-Darling Ezra Miller) ist ganz gewiss kein Mamakind. Er scheint seine Mutter (Indie-Darling Tilda Swinton) regelrecht zu verachten. Liegt das daran, dass die Reisejournalistin Eva sich von Beginn an, also schon bei der Entdeckung der Schwangerschaft, von ihrem Kind in ihrer Freiheit eingeschränkt fühlt, ihr Leben quasi aufgibt, dem Nachwuchs aufopfert, und das offenkundig widerwillig, auch noch als das Kind dann zur Welt gebracht ist. Wem könnte ein Baby ein schwererer Klotz am Bein sein, als einer Reisejournalistin? Als er, Kevin, schließlich da ist, schreit er erstmal ununterbrochen, nur beim Vater (Indie-Darling John C. Reilly), der im Gegensatz zu seiner Frau den Nachwuchs von Anfang an begrüßt, bleibt der Junge still. Er spürt die Antipathie seiner Mutter und ihr Kind spiegelt sie.

Besser wird es auch nicht, als Kevin älter wird und zu sprechen und zu planen lernt, und schon gar nicht, als er eine Schwester bekommt. Seine Taten werden da schlicht subtiler, klüger versteckt, aber nicht weniger grausam. Die schottische Regisseurin Lynne Ramsay erzählt all das in einer Montage aus Rückblenden und Schnitten zwischen der Vergangenheit mit Kevin und der Gegenwart ohne Kevin, die dieser aufgrund eines lange im Dunkeln gelassenen Vorfalls im Jugendgefängnis verbringt. Seine Premiere feierte der Psychothriller vor drei Jahren beim Festival in Cannes, wo er leer ausging. Mit Auszeichnungen bedacht wurde We Need to Talk About Kevin vor allem von britischen Jurys, unter anderem der des British Independent Film Awards.

Die konsequente, geradezu surreale Bösartigkeit, mit der Ezra Miller als Kevin das mütterliche Selbstverständnis von Eva auf die Probe stellt und bisweilen bricht, ist bahnbrechend böse. We Need to Talk About Kevin ist in seiner Charakterzeichnung derart unangenehm, in seiner Verdorbenheit so kolossal quälend, das die erste Reaktion (Ekel) in Faszination umschlägt. Mit Ungezogenheit hat das nichts mehr zu tun. Wir sollen Kevin hassen, oder? Vielleicht brauchen wir auch einfach mehr Verständnis. Vielleicht stellt Kevin auch uns schlicht auf die Probe. Ihr könnt es heute Abend ja mal versuchen.

Was? We Need to Talk About Kevin
Wann? 21:00 Uhr
Wo? arte

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