Mit 22 Bahnen wurde der gleichnamige Bestseller von Caroline Wahl verfilmt, in dem die junge Studentin Tilda zwischen der Verantwortung für ihre Familie und ihren eigenen Träumen steht. Dabei lernt sie den geheimnisvollen Viktor kennen, mit dem sie eine schmerzhafte Verbindung teilt.
Wenige Wochen vor Kinostart haben die beiden Hauptdarstellenden Luna Wedler und Jannis Niewöhner der Moviepilot-Redaktion in Berlin einen Besuch abgestattet. Im Interview erzählen sie, was sie zu dem Film hingezogen hat, wie sie sich auf die Schwimmszenen vorbereitet haben, wie es ist, immer wieder gemeinsam vor der Kamera zu stehen und welcher ihr liebster Drehmoment war.
Moviepilot: Kanntet ihr den Roman 22 Bahnen schon, bevor ihr zum Film gekommen seid?
Luna Wedler: Ich hatte ihn noch nicht gelesen. Ich war damals im Urlaub in Italien und das Buch lag schon zu Hause. Das hat mich sehr geärgert, als ich die Mail von meiner Agentin bekommen habe, dass ich ein E-Casting machen soll. Dann habe ich drei Szenen bekommen und mich schon da gefragt, “Wer ist diese Frau?”
Aber das ist immer Abwägung, ob ich ein Buch lese oder nicht. Ich habe jetzt schon ein paar Romanverfilmungen gemacht. In Absprache mit den jeweiligen Regisseur:innen ist es dann immer die Frage, ob man erstmal den Roman liest oder erst das Drehbuch oder den Roman gar nicht. Aber hier war es von Anfang an ganz klar, dass ich ihn auch lese.
Jannis Niewöhner: Ich kannte den Roman vorher auch noch nicht. Ich habe dann erst das Drehbuch gelesen und dann den Roman.
Das heißt, Romanlesen ist gar nicht immer Pflicht bei einer Romanverfilmung?
Luna Wedler: Genau, das ist immer eine intuitive Entscheidung. Bei Marianengraben war es zum Beispiel so. Bei 22 Bahnen war das Drehbuch sehr ähnlich wie der Roman. Aber manchmal gibt es auch Drehbücher, die gehen in eine andere Richtung oder sind ein bisschen anders erzählt. Weil man oft auch nicht den ganzen Roman im Film erzählen kann, müssen Sachen herausgepickt werden. Bei Marianengraben wollte ich die Hauptfigur dann eher auf meine Weise kennenlernen.
Aber sonst ist das ein Riesen-Geschenk. Vor allem bei Tilda, die im Roman so einen inneren Monolog mit ihren Gedanken hat. Der Roman erklärt auch ihre Vorgeschichte, die ich dann natürlich auch benutzen konnte. Momente, die Caro[line Wahl] da wunderschön beschreibt. Und vor allem ihr Humor, der sich darin widerspiegelt und ihre Beziehung zu den Menschen in ihrem Leben.
Jannis Niewöhner: Eigentlich nimmt einem das voll viel Arbeit ab. Im Drehbuch steht oft nur: “Sie öffnet die Tür” und “Sie geht rein.” Es gibt im Roman so schöne, detaillierte Beschreibungen, die einem helfen, die Gefühlswelt der Figuren zu verstehen, die auch hier sehr speziell ist.
Was hat euch zu dem Film hingezogen?
Jannis Niewöhner: Die Themen vor allem, die darin vorkommen. Dass die einem nicht so aufgezwungen werden, sondern einfach mit der Geschichte und den Figuren kommen. Ich mochte an meiner Figur, dass Viktor so rätselhaft ist und dass man ihn nicht so einschätzen kann. Dass das lange braucht, eigentlich bis zum Ende, und man aushalten muss, wenig über ihn zu erfahren. Zum Schluss macht es erst irgendwie Sinn.
Aber auch die Verantwortung, die Tilda für andere übernimmt und dann lernen muss, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen. Und dass es manchmal einen anderen Menschen braucht, um selbst durch die eigene Trauer hindurchzugehen und zur Hoffnung zu finden.
Luna Wedler: Auch, dass Tilda und ihre Geschichte so authentisch nah am Leben ist. Man kennt das, Entscheidungen treffen zu müssen. Das ist etwas, was wir auch irgendwann selbst lernen müssen. Dann machen es nicht mehr Papa oder Mama, und bei Tilda sowieso nicht. Aber diese Entscheidungen zu treffen und nicht zu wissen, ob das jetzt die richtige ist, oder wo es hingeht, wenn ich das so entscheide. Das ist sehr nachvollziehbar.
Jannis Niewöhner: Auch diese Ambivalenz. Bei der Entscheidung, die Sie zum Schluss trifft, weiß man nicht klar, ob es eigentlich die richtige Entscheidung ist, dass sie sich für sich selbst entscheidet, oder nicht. Da gibt es unterschiedliche Blickwinkel, von denen aus man daraufgucken kann und das ist schön, wenn ein Film oder eine Geschichte diese unterschiedlichen Blickwinkel zulässt. Dass es nicht nur eine Antwort gibt, die sagt, "Das war jetzt richtig". Weil so funktioniert das Leben ja auch nicht.
Eure beiden Figuren schwimmen im Film sehr viel. Hattet ihr da extra Schwimmtraining oder war es schon ein Casting-Kriterium, dass ihr gut schwimmen können müsst?
Jannis Niewöhner: Da wäre ich raus gewesen [lacht]. Ich musste es richtig lernen über zwei bis drei Monate, aber Luna nicht.
Luna Wedler: Ich konnte zum Glück kraulen, war schon immer gerne im Wasser und habe auch keine Angst davor. Ich glaube, das macht einen großen Unterschied. Ich verstehe Menschen, für die das sehr einengend sein kann. Ebenso von Wasser umarmt zu werden und einfach schweben zu können und unter Wasser diese Stille zu haben. Deshalb macht es auch Sinn für mich, dass das für Tilda ein Ruhepol ist, wo sie frei sein kann. Das, was für andere vielleicht Joggen ist, wo man einen klaren Kopf bekommt und es fast schon meditativ ist.
Man muss aber wirklich sehr viel trainieren, um 22 Bahnen kraulen zu können. Es ist ein bisschen peinlich, weil ich musste nur einmal eine ganze Bahn am Stück schwimmen. Aber ich musste vorher ein Video schicken, um zu zeigen, dass ich kraulen kann.
Jannis Niewöhner: Ach, echt? Bei mir war es so, dass Mia [Meyer] meinte: “Ich habe eine ganz tolle Trainerin, in zwei bis drei Stunden hast du das drauf.” Und dann hat es wirklich lange gedauert. Man hat richtig gemerkt, wie die Trainerin irgendwann so war: “Der hat das ganz schnell raus?” Nix da [lacht].
Gab es einzelne Elemente, die ihr selbst in eure Figuren und den Film einbringen konntet?
Luna Wedler: Wir hatten mit Mia totale Freiheit. Wir hatten viele Proben und Gespräche. Ich habe versucht, da reinzugehen und mir zum Beispiel zu überlegen, “Wie redet sie?” Als Tilda musste ich dann immer etwas tiefer reden, als sowieso schon.
Das läuft sehr intuitiv und da muss auch nichts erzwungen werden. Auch die Kostüme und Maske kommen noch dazu. Das ist sehr wichtig, um einen Charakter zu kreieren. "Wie viele Hosen hat sie?" "Hat sie gefärbte Haare oder nicht?" "Hat sie Nagellack?" "Nee, wenn dann vielleicht eher abgekaut." Das sind alles Sachen, an die man vorher manchmal gar nicht denkt. Gerade in der Vorbereitung ist das aber total spannend.
Jannis Niewöhner: Manchmal bringen Leute aus dem Team auch coole Ideen ein. Bei Viktor gab es diese Szene, wo er in einer Bar ist. Da trägt er eine gute Jeans mit einem Hemd und Kragen und Seitenscheitel und dazu Turnschuhe. Das ist so spannend. Es passt zu dem Ganzen, zu diesem Typ, den man nicht einschätzen kann und es ist nur noch ein Add-on zu dem Auto, das er fährt, zu seinem Trainingsanzug und der Einkaufsliste. Es ist immer spannend, wie viel man mit Kostümen ausdrücken kann.
Luna Wedler: Wir haben dabei auch ein Easter Egg eingebracht. Im Buch wird es ja immer so schön beschrieben, dass Tilda keine Schmetterlinge im Bauch hat, sondern Libellen. Und sie hat im Film immer eine Kette mit einer Libelle an.
Ihr habt ja auch schon öfter zusammen vor der Kamera gestanden. Seht ihr das eher als Vorteil oder als Nachteil, wenn man sich schon länger kennt und dann wieder zusammen dreht?
Luna Wedler: Das ist eher ein Vorteil. Es gibt vielleicht auch Leute, die sagen, “Och nö, nicht schon wieder.” Aber bei uns würde ich sagen, ist es nur ein Vorteil. Je suis Karl war sowieso eine sehr intensive Zeit und da hatten wir auch krasse Rollen. Es war beim ersten Mal Proben zu 22 Bahnen schon komisch, weil Karl und Maxi so prägend für uns waren.
Jannis Niewöhner: Ja, sobald eine Kamera da ist oder wir in einer Spielsituation waren, hat man die andere Rolle wieder gesehen. Aber wir hatten zum Glück ein bisschen Zeit zum Proben.
Luna Wedler: Da ist es wirklich toll, dass wir schon so vertraut sind. Vor allem bei Viktor und Tilda, die ja auch schon eine Bindung durch diesen Verlust und diese Trauer haben, für eine Person, die sie sehr geliebt haben. Da ist ein Verständnis da.
Jannis Niewöhner: Manchmal denke ich, das ist eine der größten Aufgaben beim Film. Egal, ob das mit anderen Spieler:innen oder Regisseur:innen ist; innerhalb kürzester Zeit. Man muss in der Lage sein, eine Sprache zu sprechen und miteinander zu funktionieren, sich zu kritisieren oder Dinge zu verändern. Dafür ist ganz viel Vertrauen nötig.
Noch mehr als die Beziehung von Tilda und Viktor steht die Schwesternbeziehung von Tilda und Ida im Zentrum des Films. Luna, wie war die Zusammenarbeit für dich mit Zoë Baier?
Luna Wedler: Wirklich wunderschön. Da war ich vorher sehr gespannt und ein bisschen aufgeregt, weil dieses Geschwisterband ein Grund war, warum ich den Film machen wollte. Als wir uns das erste Mal getroffen haben, war das direkt da. Wir haben Tage im Schwimmbad verbracht und sehr viel Spaß gehabt. Ich hatte das Gefühl, sie hat mir auch da schon sehr vertraut und dass wir ein Team sind.
Aber das ist auch nicht einfach. Sie war damals 11 Jahre alt und das sind wirklich heftige Themen für ein Kind. Wir haben auch viel über die Szenen geredet. Ich war für sie da und sie war für mich da und wir haben das zusammen gemacht. Sie ist ein echter Profi.
Tilda und Ida haben ja auch einen gemeinsamen Song: Durch den Monsun von Tokio Hotel. Habt ihr selbst auch eine Verbindung zu dem Lied?
Jannis Niewöhner: Auf jeden Fall, ich glaube jeder in unserem Alter. Der ist einfach gut.
Lunda Wedler: Den kennt man einfach und ich habe den dann rauf und runter gehört.
Wenn Durch den Monsun Tildas und Idas Hymne ist, was wäre denn Viktors Hymne, Jannis?
Jannis Niewöhner: Vielleicht sowas wie Nickelback. Etwas, das er aber auch nicht zugibt. Das passt gut zu der Zeit und seinem Auto.
Gibt es einen schönen Moment vom Dreh, der euch in Erinnerung bleiben wird?
Luna Wedler: Die Szene oben auf dem Dach, wo Tilda und Viktor sich endlich küssen. Wir hatten mega Zeitstress, um während der Blue Hour zu filmen und das alles im 30. Stock. Es ist schön, dass das alles geklappt hat.
Jannis Niewöhner: Wir hatten nur eine Viertelstunde Zeit, was wirklich wenig ist, um diese Szene zu drehen. Weil das Licht perfekt sein musste, mit der Sonne, die gerade untergeht.
Luna Wedler: Da haben alle im Team an einem Strang gezogen und meinten, “Let’s go, wir schaffen das.” Das war ein cooler Moment.
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22 Bahnen läuft seit dem 4. September 2025 in den deutschen Kinos.