Sieh genau hin!

12.11.2016 - 08:50 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
You can't see what is good for youSunfilm/moviepilot
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Wenn ihr euch nur darauf einlasst, kann Kino so viel mehr sein, als nur Konsum und Popcorn und folgenlos.Er kann euch in den Magen schlagen und wehtun. Only God Forgives will mit euch, gegen euch, um euch kämpfen - lasst euch darauf ein!

Jeden Samstag stellen wir euch einen Kommentar zu einem Film, einer Serie, einer Person vor, der sich irgendwo auf moviepilot versteckt hat - manche heimlich, andere gefeiert, aber jeder einzelne davon auf seine Art groß. Ihr habt Worte gelesen, bei denen ihr laut lachen musstet, und alle im Büro euch komisch anguckten? Ihr habt einen Kommentar gelesen, der euch die Luft nahm, der euch Zwang, vom Rechner aufzustehen und eine Auszeit zu nehmen, damit ihr ihn verdauen konntet? Ihr habt eine Kritik gelesen, die euch so begeistert hat, dass ihr sein Thema unbedingt sehen müsst, erleben müsst, obwohl es euch zuvor eigentlich gar nicht interessiert hat? Dann ist das ein Kommentar der Woche, und der sollte hier stehen - also sagt uns Bescheid!

Der Kommentar der Woche
Viele Filme werden einfach nur gemacht, um für zwei Stunden am Abend etwas zu tun zu haben. Ihr könnt aufs Klo gehen, besprechen, was ihr morgen einkaufen wollt, Witze machen - und ihr verpasst trotzdem nichts. Das muss nicht schlecht sein und es heißt auch nicht, dass sie einfach nur hingeklatscht wurden. Was aber ist mit Filmen, die euch umhauen, die euch ins Gesicht schreien, die nicht angenehm sind - und es auch gar nicht sein wollen? Filme wie Only God Forgives von Nicolas Winding Refn? Lasst euch darauf ein, so wie Velly, unsere Kommentatorin der Woche - und vielleicht entdeckt ihr auch mehr als nur einen Film...

ONLY GOD FORGIVES ist wie ein Traum… ein Alptraum… ein Drogentrip.

Nicolas Winding Refn schlägt mir so gewaltige Bilder ins Gesicht und füllt meine Ohren mit solch einem einnehmenden musikalischen Klangteppich, dass ich in den ersten Momenten des Films nur Sinne bin. Sehen, Hören, Fühlen.
Treibend, drängend, bedrückend, als würde er mich bei der Kehle packen, sitzt mir dieser Sound im Nacken.
Aber obwohl diese Sinneseindrücke mein Denken zu betäuben scheinen, schaffen sie es auch, irgendwo in meinem Hinterkopf anzuklopfen.
Wenn die Kamera immer wieder ganz langsam durch blutrote Gänge oder durch Gassen kalten Lichts fährt und der Sound sich von hinten bedrohlich anschleicht, dann spüre ich, dass da mehr ist, als ich auf den ersten Blick sehe.

"Sieh genau hin!" Aber ich fühle mich anderthalb Stunden fast wie ein Kaninchen im Scheinwerferlicht.
Erstarrt, so wie die Bilder im Film.
Hier findet Action nicht durch rasante Kamerafahrten oder schweißtreibend schnelle Kampfszenen statt. Hier gibt es keine Helden, die sich zu heroischer Musik minutenlang harte Kämpfe liefern, aus denen nicht mehr folgt, als ein Tropfen Blut im Mundwinkel oder die typische Schramme auf der Nase.
Die Action findet hier innerlich statt, sowohl bei den Charakteren als auch bei mir, dem Zuschauer. Und die Ausbrüche von Gewalt sind kurz, statisch und haben Konsequenzen.
Gewalt wird hier als etwas gezeigt, was sie auch ist. Nicht witzig, nicht stylish. Sie ist roh und brutal. Ich will eigentlich weg gucken, aber ich kann es nicht. Bin äußerlich wie gebannt und innerlich rattert alles… ich will keinen Fetzen von Refns Werk verpassen.

ONLY GOD FORGIVES kann man nicht entspannt konsumieren. "Lass Dich verdammtnochmal richtig auf mich ein, oder ich lass Dich im Regen stehen!", sagt mir der Film an jeder Ecke und in jeder neuen Szene. Und ich kämpfe, um mit ihm Schritt zu halten.

ONLY GOD FORGIVES ist denkbar weit entfernt von all dem, was Popcorn-Kino ausmacht.

"Wanna fight?" Der Film fordert mich geradezu dazu heraus, dass mein Kopf sich durch meine Emotionen (die einfach nur in diesem wunderbaren Rot schwelgen wollen) hindurchprügelt, dass er sich nicht all diesen Sinneseindrücken hingibt. Er fordert mich dazu heraus, immer wieder hinter den Vorhang zu blicken, macht mir das aber gleichzeitig verdammt schwer. Der Vorhang ist so dicht und rot und laut und schön und hypnotisierend...

ONLY GOD FORGIVES ist wie ein abstraktes modernes Gemälde. Wie eine Leinwand in tiefem Rot. Wir können es abfällig als sinnlos abtun, wir können oberflächlich die Farbe genießen oder wir wagen die Auseinandersetzung. Gehen über den ersten Eindruck hinaus. Stellen uns selbst in Verbindung mit dem, was wir sehen. Werden aktiv.

VALHALLA RISING, DRIVE, ONLY GOD FORGIVES… "Lass Dich drauf ein, blick unter die Oberfläche und Dein Verstand kann soviel mehr sehen als Deine Augen."

Und DAS ist Refn für mich.

DAS ist Kino.

Das ist KUNST.

Den Originalkommentar findet ihr hier.

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