Viren mögen Menschen. Menschen mögen Viren – nicht. Menschen mögen Kinofilme. Menschen mögen Kinofilme über Viren. Viren ist das egal. Viren verbergen ihre wahre Natur oft hinter aufreizenden Akronymen: LCMV zum Beispiel heißt mit richtigem Namen “lymphozytäre Choriomeningitis”. CCHFV steht nicht für einen atombetriebenen Traktor aus sowjetischen Restbeständen, sondern für das Krim-Kongo-Fieber. Besonders heimtückisch klingt HCoV 229E – dahinter verbirgt sich allerdings nur die allseits beliebte Erkältung. Doch grau ist alle Viren-Theorie, es folgt die Anwendung in der Praxis.
7. Carriers ist das Frischfleisch unter den Viren-Schockern…
…denn der Streifen mit Chris Pine ist gerade erst in Deutschland angelaufen. Carriers setzt auf eine Stimmung der Paranoia und des gegenseitigen Misstrauens: Eine Epidemie hat große Teile der Weltbevölkerung dahingerafft. Vier junge Freunde versuchen, an einen einsamen Strand zu fliehen. Unterwegs treffen sie auf ein infiziertes Mädchen – werden sie ihm helfen?
Carriers demonstriert bereits im Trailer ein beliebtes Muster von Epidemie-Filmen: Eine Nebenfigur infiziert sich mit dem jeweils aktuellen Virus, verheimlicht dies jedoch vor ihren Weggefährten. Die Betroffenen sagen oft Sachen wie: “Nur weil mir Blut aus sämtlichen Körperöffnungen läuft, habe ich mich noch lange nicht angesteckt. Das ist nur ein Schnupfen. Hatte ich letzte Woche schon.”
6. Der Tod kommt auf leisen Sohlen: Outbreak – Lautlose Killer
Das Motaba-Virus, eine Ebola-Variante, verbreitet sich in einer amerikanischen Kleinstadt und droht sich binnen weniger Stunden bis in den letzten Winkel der Welt auszubreiten. Dustin Hoffman, Kevin Spacey und Rene Russo wollen dies verhindern. Outbreak – Lautlose Killer setzte viele Standards für den modernen Epidemie-Film: Wir sehen Virologen in luftdichten, grellgelben Anzügen, Quarantäneinrichtungen mit begehbaren Schläuchen und dicktürigen Schleusen und Militärs, die am liebsten alles wegbomben wollen. Spannend und hintergründig: Ein niedliches Mädchen spielt mit einem possierlichen Äffchen – gemeinsam sind sie der Schlüssel für das Überleben von Milliarden.
5. Leben und sterben in den Straßen von Philadelphia
Andrew Beckett (Tom Hanks) sucht bei Anwalt Joe Miller (Denzel Washington) rechtlichen Beistand, da er aufgrund seiner AIDS-Erkrankung entlassen wurde. “Was ist mit ihrem Gesicht passiert?” fragt Miller bei der Begrüßung – “Ich habe AIDS”. Mit einem gepressten “Oh” zieht Miller die Hand zurück. Der Anwalt sucht danach einen Arzt auf, um eine Infektion mit dem HI-Virus aufgrund des Handschlags mit einem AIDS-Kranken auszuschließen. Stellvetretend für viele Zuschauer im Jahr 1993 erklärt der Mediziner dem Miller daraufhin die Übertragungswege des Erregers – Philadelphia hat seinerzeit echte Aufklärungsarbeit betrieben. Natürlich verlangt die ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema Infektion eine entsprechende Dramaturgie: Im Vergleich zu den blutrünstigen Vertretern der Gattung entschleunigt Philadelphia den Krankheitsverlauf – der Gerichtsprozess wie der körperliche Verfall ziehen sich über viele Monate hin.
4. Stellvertretend für das Vampirfilm-Genre Durst
Sind Vampirfilme immer auch Virenfilme? Über diese Frage lässt sich vortrefflich streiten. Die Grundkomponenten beinahe aller Blutsaugerfilme sind: Vampire beißen Menschen und saugen ihnen das Blut aus. Wenn dabei bestimmte Bedingungen erfüllt sind, verwandelt sich der Körper des Opfers, um selbst zum Vampir zu werden. Ist das nun eine Infektion oder nicht? Chan-wook Park, der Regisseur von Oldboy, bejaht diese Frage in seinem neuen Film: In Durst stellt sich ein philantropischer Priester für medizinische Experimente zur Verfügung, damit ein Mittel gegen ein tödliches Virus entwickelt werden kann. Versehentlich erhält er eine Transfusion mit Vampirblut – und wird selbst zum Blutsauger. Diagnose: Klassische iatrogene Infektion. (Durst kommt übrigens am 15. Oktober in die deutschen Kinos.)
3. In Matrix dreht Agent Smith den Spieß um
Selbstverständlich ist Matrix kein reinrassiger Viren-Film. Doch zum Glück liefert Agent Smith schlagende Argumente dafür, dass es insgeheim um Krankheitserreger geht:
Es fiel mir auf, als ich versuchte, eure Spezies zu klassifizieren. Ihr seid im eigentlichen Sinne keine richtigen Säugetiere! Jedwede Art von Säugern auf diesen Planeten entwickelt instinktiv ein natürliches Gleichgewicht mit ihrer Umgebung. Ihr Menschen aber tut dies nicht. Ihr zieht in ein bestimmtes Gebiet und vermehrt euch bis alle natürlichen Ressourcen erschöpft sind. Und der einzige Weg zu überleben ist die Ausbreitung auf ein anderes Gebiet. Es gibt noch einen Organismus auf diesen Planeten der genauso verfährt. Wissen sie welcher? Das Virus! Der Mensch ist eine Krankheit, das Geschwür dieses Planeten. Ihr seid wie die Pest. Und wir sind die Heilung.
Schön gesagt, Agent Smith! Wir geloben Besserung.
2. Viren und Weltschmerz in 12 Monkeys
Der Film von Terry Gilliam verknüpft Zeitreisen und eine Epidemie, die große Teile der Menschheit dahingerafft hat. Bruce Willis reist in die Vergangenheit, um herauszufinden, wann die geheimnisvolle “Armee der Twelve Monkeys” das todbringende Virus in Umlauf gebracht hat. Doch auf dem Weg dorthin geht einiges schief. 12 Monkeys ist ein zutiefst melancholischer Film, der sich nicht wirklich für die Krankheits-Thematik interessiert. Das Virus und die “Twelve Monkeys” entpuppen sich als MacGuffin, das eigentliche Geheimnis des Films wird erst am tieftraurigen Ende gelüftet…
(Bis heute habe ich nicht verstanden, warum die Wissenschaftlerin aus der Zukunft den Täter im Flugzeug den Behälter mit dem Virus öffnen lässt. Aus Fatalismus? Kommentare sind willkommen!)
1. Das Virus in 28 Days Later ist anders
Militante Tierschützer dringen in einen Forschungskomplex ein. Ein Wissenschaftler warnt, dass die Affen einen aggressiven Erreger in sich tragen, dass sie infziert sind mit “Wut”. Eine Aktivistin wird von einem Affen angefallen, nach wenigen Sekunden setzen heftige körperliche Reaktionen ein – die Wut wurde soeben freigesetzt. Später berichtet Selena im Rückblick, was danach geschehen ist:
Es begann als Aufstand. Aber jeder wusste von Anfang an, dass das etwas anderes war. Denn es verbreitete sich in kleinen Orten. Und dann kam es nicht einmal mehr im Fernsehen. Es war draußen, auf der Straße. Es kam durch deine Fenster herein. Es war ein Virus. Eine Infektion.
Die Wut frisst ihre Kinder, die Folgen sind Entfesselung, Flucht, Chaos – doch wie sich am Ende zeigt, müssen die Wütenden dazu nicht mit einer Krankheit infiziert sein. Denn das Virus in 28 Days Later ist anders.
Nachdem wir unsere Vorschäge für die besten Infektions-Filme präsentiert haben, seit Ihr jetzt am Zug: In welcher Form tauchen Krankheitserreger in älteren Filmen auf? Wie sieht’s im Cyperspace aus? – Sind Tron und der Puppetmaster in Ghost in the Shell nicht auch Viren? In welcher Romanze wird das Paar besonders heftig mit dem Liebes-Virus infiziert?
Eine Kritik zu Carriers findest du auf HorrorBlog.org.