Rob Zombies 31 - Die Menschenjagd als Klassenkampf

14.10.2016 - 10:00 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
31Tiberius Film
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Rob Zombie spielt in seinem neuen Horrorfilm 31 A Most Dangerous Game und Johnnie To baut mit Three einen ganzen Film um eine seiner bisher ambitioniertesten Actionsequenzen.

Es ist alles nur Theater. Die Kostüme werden zurechtgezupft, Schminke aufgetragen, der Vorhang öffnet sich für die Schauspieler, die sich in den kommenden 12 Stunden zu Blut und Matsch schlagen, stechen und sägen werden. Rob Zombie hat mit 31 wieder einen Rob Zombie-Film gedreht oder das, was wir in Zeiten von Haus der 1000 Leichen und The Devil's Rejects dafür hielten. Sheri Moon Zombie und einige neue und alte Zombie-Gefährten landen zu Halloween in ihrem eigenen Most Dangerous Game. Ihnen auf den Pelz rücken Kettensägen schwingende Clowns, ein spanisch fluchender Kleinwüchsiger im Nazischick und ein charismatischer Endgegner, der durch (Film-)Zitate monologisiert. Es ist eine spannende Show für das aristokratisch toupierte Publikum, das Wetten abschließt, wer mit dem Leben davon kommt. Mancher Zuschauer mag sich jedoch wünschen, Zombie wäre beim geradlinig abgehandelten Überlebenskampf öfter vom Wege abgekommen.

Auch 31 ist im Jahrzehnt von Zombies großen Horrorvorbildern angesiedelt, diesmal speziell 1976, das Geburtsjahr sowohl der Son of Sam-Morde als auch von U2 (soll noch einer sagen, diese Artikel würden ihre Leser nicht bilden). Einen Tag vor Halloween wird der Minibus von ein paar Jahrmarkt-Hippies per Vogelscheuchen-Straßensperre gestoppt. Die Glücklichen werden schon hier ermordet, die übriggebliebenen wachen in einer leerstehenden Industrieanlage auf, wo ihnen ein paar gepuderte Aristokraten (unter anderem Malcolm McDowell) die Spielregeln erklären. 12 Stunden müssen sie in der Anlage überleben, dann sind sie frei. Ein Aufgabe, die durch oben genannte Menschenjäger ein wenig erschwert wird. Die spätbarocken Veranstalter schließen Wetten ab, wer die besten Chancen hat, rauszukommen. Und los geht das Geschnetzel.

Wie genau die Herrschaften ihre liebste Abendunterhaltung an diesem 31. Oktober observieren, also aus technischer Sicht, bleibt in Rob Zombies Menschenjagd ungeklärt. Bei Eintritt in die Anlage weist der Film nämlich jede zeitliche Verbindung zur Außenwelt ab. Die üblichen Grusel-Clowns aus Zombies grotesker Bilderwelt paaren sich hier mit der fetischisierten Symbolik von Nazisploitation-Filmen, alles überwacht aus einer okkulten Zentrale, bei der der Marquis de Sade offenbar als Innenarchitekt tätig war. Insbesondere die Clowns generieren nicht viel mehr als schlaffe, ausgewrungene Schocks, entweder weil ihr Geseier noch mehr nervt, als das der (viel zu kommunikativen) anderen Figuren oder weil die aktuelle Creepy Clown-Epidemie Rob Zombies Kreaturen den letzten Rest Originalität geraubt hat.

Die Horror-Action entfaltet sich konfus, eintönige, fuck-gespickte Dialoge stellen die Toleranz des Zuschauers auf die Probe. Dafür fiebern wir immerhin mit Sheri Moon Zombie und Meg Foster (Sie leben!). Zusammen mit ihren Kumpanen bieten sie hinsichtlich Alter, Geschlecht und Ethnie eine überaus vielfältige Beute, die auf die thematische Reichhaltigkeit des gar nicht mal so entsetzlichen Films hindeutet. Zombies Außenseitertruppe verkörpert den idealistischen, weltoffenen Hippie-Geist jener Jahre und nun schuftet sie für die reichen Veranstalter in der Fabrik. Ihnen gegenüber stehen ihre Doppelgänger, die Schurken-Kostüme übergeworfen haben. Es ist alles Theater für die Oberschicht, die sich hier an der Zerstörung der Körper des kleinen Mannes labt. Theater auch insofern, als Zombies Reise durch die vertrauten Motive seiner Filmografie und Lieblingsfilme etwas Gestelltes zu eigen ist. Er schlendert in 31 durch seine abgenutzte, angestaubte Garderobe.

Rob Zombies 31 mag 1976 spielen, das Theaterstück in seinem industriellen Schloss des Schreckens könnte in jedem Jahrzehnt aufgeführt werden. Darin findet sich die pessimistische Crux seines Films, den nostalgische Super-8-Aufnahmen der fröhlichen Hippies eröffnen und abschließen. Diese Zeit ist vorbei.

Three

Keine Fabrik, sondern ein Krankenhaus in Hongkong wählte Johnnie To als Bühne für seinen Thriller Three. Ein Krankenhaus, das so nicht existiert. In einem chinesischen Studio wurden Patientenbetten und Operationssäle nach Wunsch des Regisseurs arrangiert, wie die kurze Dokumentation The Weaving of a Dream: Johnnie To's Vision and Craft schildert. Beim Festival des fantastischen Films in Sitges wurden beide Filme gezeigt, erst die Doku über Three, dann Three. Wir dürfen in die Trickkiste des Meisters spähen, die zweierlei Erkenntnisse offenbart: Drehbuchautor Yau Nai-Hoi besitzt eine engelsgleiche Geduld und ja, man kann eine Waffe in Zeitlupe werfen.

Die Zeitlupe kommt im großen Finale des Films ins Spiel, eine Plansequenz, um die der ganze Film aufgebaut wurde, wie die Doku zeigt. Mehrere Wochen mussten die Komparsen und Stars für die Sequenz lernen, wie sie sich in Zeitlupe bewegen, aber am ersten Drehtag lagen nur zwei Seiten des Skripts vor. Die Ärzte im Film wurden in Operationstechniken umfangreich geschult. Wie die jeweils nächste Szene auszusehen hat, diskutierten To und Yau trotzdem erst am Set. Der improvisierte Arbeitsprozess resultierte in einem hochkonzentrierten Thriller, kleiner angelegt als das Musical Office, aber ebenso den Studiokulissen verschrieben. Die drei, das sind Louis Koos Polizist, Wallace Chungs Räuber, der mit einer Schusswunde im Kopf eingeliefert wird und Zhao Weis Ärztin, die sein Leben retten will. Die Station im Krankenhaus gleicht einem Panoptikum, an den Rändern die Patientenbetten, im Zentrum Ärzte und Polizisten. Wo bei Rob Zombie die Desorientierung herrscht, die verwinkelten Anlagen seines Sets sich als Labyrinth entpuppen, wird in Three jeder Quadratmeter samt Bewohner ausgespäht. Der Patient im Wachkoma, der geistig verwirrte ältere Herr, der Gelähmte, der seiner Ärztin gewaltige Vorwürfe macht. Und stets der Blick von der Mitte, von Zhao Weis überforderter Medizinerin oder Louis Koos Cop in der Grauzone zum plappernden, lächelnden Wallace Chung, dessen Gangster die Kontrolle über den Raum innezuhaben scheint, ohne einen Finger zu rühren. Er weiß um seine Befreiung.

Auch Three ist Theater, was sich spätestens dann zeigt, wenn der Impro-Ansatz der Milkyway-Filme an seine Grenzen stößt. Wenn also die nächste Szene die Welt des Sets verlässt und notdürftige Computereffekte herbeigerufen werden, um den Kulissenbau zu ersetzen. Was dann doch wieder zum Film passt, dessen Professionals wie immer in ihrer eigenen kleinen Welt feststecken, wo Waffen in Zeitlupe geworfen und gefangen werden können und Lam Suet 20 Minuten mit einem Messer im Hintern herumrennt. Rob Zombies Filmen wurde in der Variety  vorgeworfen, sie würden keine "normale" Welt etablieren, sondern ihre Stimmung gleich von "0 auf 11" anziehen. Sie existieren gewissermaßen in einer totalen Genrewelt. Aber außerhalb wartet wahrscheinlich sowieso nur schlechtes CGI.

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