Wie sind Sie zu dem Projekt gekommen, Karola Hattop?
Als die Provobis gemeinsam mit dem rbb Das Morphus-Geheimnis -Filmstoff entwickelt hatte, hat sie mir dieses Projekt angeboten. Ich fand sofort Gefallen an der phantasievollen Geschichte und hatte auch Lust, wieder einmal mit Kindern zu arbeiten.
Sie haben lange für das Projekt gekämpft, was genau hat Sie an dem Buch so sehr überzeugt?
Es ist schon eine tolle Idee: Man spielt eine Musik, alle schlafen ein und schon hat man die Gelegenheit, sich nach Herzenslust Wünsche zu erfüllen… Nicht ganz legal, aber wer käme da nicht in Versuchung? Gefallen hat mir aber vor allem, wie ein kleiner Mensch unter schwierigen Bedingungen ganz groß wird, Ängste überwindet, Gangster austrickst und im schlimmsten Chaos die Nerven behält.
Karola Hattop, Sie haben schon einige erfolgreiche Kinderfilme gedreht. Was verbindet Sie insbesondere mit dem Kinderfilm?
Wenn ich einen Kinderfilm drehe, kann ich mir immer auch ein paar von meinen Kinderträumen erfüllen. Ich kann naiv, übermütig und ganz und gar unvernünftig sein. Außerdem macht mir die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen immer wieder großen Spaß, weil deren Spiel etwas Einmaliges, sehr Authentisches hat.
Warum finden Sie, Karola Hattop, es wichtig, Kinderfilme fürs Kino zu produzieren?
Es ist ein Angebot, welches Kinder und Erwachsenen gemeinsam wahrnehmen können. Vielleicht erfahren sie beim Besuch des Kinos mehr voneinander, finden nach dem Film Zeit zum Reden und gehen nicht, wie beim Fernsehen, sofort zur Tagesordnung über. Die Welt und die Dinge des Lebens auf eine ganz besondere phantasievolle Weise entdecken – darin sehe ich die Chance des Kinos für Kinder.
Was ist einem Kinderfilm anders?
Dreharbeiten mit Kindern sind insofern schwieriger, als dass sie eine zeitliche Einschränkung bedeuten. Die Drehzeit für Kinder ist gesetzlich geregelt und man muss natürlich darauf Rücksicht nehmen. Kinder beherrschen darüber hinaus das schauspielerische “Handwerk” nicht. Sie erleben und erfinden den Augenblick und für mich als Regisseurin ist es sehr wichtig, den Moment zu finden, in dem alle organisatorischen Verabredungen vor der Kamera getroffen sind und die Spielfreude kurz vor dem Höhepunkt ist. Oft ist es dann so, dass die erste gedrehte Einstellung die beste ist: Da ist alles noch neu und überraschend. Oft machen die Wiederholungen den jungen Darstellern Probleme. Das können die erwachsenen Schauspieler sicher besser. Aber schwierig finde ich das nicht. Es fordert einfach eine Menge Konzentration und innerlich spiele ich alle Rollen mit.
Haben Sie einen Lieblingskinderfilm?
Für mich sind das Ronja Räubertochter und die vielen wunderbaren DEFA- und Fernsehmärchenfilme: Das singende, klingende Bäumchen oder Sechse kommen durch die Welt.
Was war Ihre größte Herausforderung bei den Dreharbeiten?
Drehen im Winter ist immer eine Herausforderung: Es wird zu früh dunkel, es ist kalt und wenn man den ganzen Tag im Schnee herumläuft, werden auch die wärmsten Klamotten nass. Ich fand es sehr aufregend, als an einem Tag unser Motiv in so dichtem Nebel lag, dass wir keinen Meter weit sehen konnten. Wir haben den halben Tag warten müssen, ehe wir die erste Einstellung drehen konnten. Auf dem Weg zum Motiv bin ich in den dichten Nebel eingetaucht, habe jegliche Orientierung verloren und konnte mich nur nach den Stimmen richten, die ich irgendwo in der Ferne hörte. Keine angenehme Situation, wenn man weiß, dass es irgendwo ganz dicht neben einem steil bergab geht. Lustig war es immer, wenn Oliver Korittke und Arndt Schwering-Sohnrey dabei waren. Die beiden spielen die Gangster und haben wirklich hinreißend gelitten, wenn sie in ihren dünnen Klamotten und in Turnschuhen durch den tiefen Schnee mussten.
Was hat Ihnen an Jonas Hämmerle, der als Neuentdeckung gilt, während der Dreharbeiten besonders gefallen? Wie war Ihre Zusammenarbeit?
Jonas hat bereits in anderen Filmen gespielt, bei meiner Kollegin Imogen Kimmel eine sehr große Rolle. Er ist natürlich ein sehr hübscher Junge mit wunderbar großen Augen und alle möchten ihn immer wieder knuddeln. In unserem Film musste er viel Energie zeigen, sich vom verzärtelten Muttersöhnchen zum Lebensretter entwickeln. Jonas Hämmerle ist ein außerordentlich kluger Bursche, der ganz schnell die Zusammenhänge einer Filmproduktion begriffen hat. Mich hat fasziniert, wie er alle körperlichen Anforderungen erfüllt hat (er ist sehr sportlich und wir mussten ihn hindern, alle Stunts selber zu machen) und wie er sich ebenso in den emotionalen Szenen gesteigert hat. Dieser kleine Typ hat Kraft, Witz, Intelligenz und er ist sehr ehrgeizig. Er hat sogar Trompete spielen gelernt und uns damit ein Double erspart. Ich fand die Zusammenarbeit mit ihm toll, wenngleich ich glaube, dass ihm die Kamera, der Panther und die Beleuchter am allerbesten gefallen haben.
Das Morphus-Geheimnis erzählt von einem ängstlichen Jungen, der Kraft der Musik über sich hinaus wächst. Karola Hattop, wie waren Sie als Kind und was war Ihr größter Kindheitstraum?
Ängstlich war ich als Kind nicht. Eher neugierig. Ich habe immer irgendwie etwas mit Kunst zu tun gehabt, habe im Chor gesungen, Theater und Kabarett gespielt. Theater und Film haben mich sehr fasziniert. Das war wie ein Zauber und ein Platz für Träume. Schauspielerin wollte ich werden, fand es dann aber spannender, selbst Geschichte zu erzählen. Meine Mutti hätte mich sehr gern als Lehrerin gesehen, aber ich habe nach dem Abitur ein Volontariat beim Fernsehen begonnen und danach an der HFF in Babelsberg Regie studiert. Damit hat sich mein Kindheitstraum erfüllt, was aber nicht heißt, dass ich heute keine Träume mehr habe. Ich würde schon gern wieder so einen Film wie “Wer küsst schon einen Leguan?” machen oder ein Musical oder einen psychologischen Krimi. Bestimmt klappt das auch – irgendwann.
Verraten Sie uns Ihren Lieblingsmusiker?
Ich liebe Bach und Beethoven, finde Gabarek toll und Udo Lindenberg.
Welche neuen Projekte sind in der Planung?
Demnächst beginne ich mit den Dreharbeiten für einen Polizeiruf und dann hoffe ich, dass ich endlich einmal Zeit finde, um mit meinem Mann nach Vietnam zu reisen und dort eine Geschichte zu recherchieren, die uns beiden schon lange im Kopf herum geht.
Quelle: Progress Film