Prinzessin Mononokes Zauber wird dich nie wieder loslassen

07.07.2018 - 08:50 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Mit ungetrügtem Blick die Wahrheit sehen, das will ich!
Walt Disney / moviepilot
Mit ungetrügtem Blick die Wahrheit sehen, das will ich!
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Einer der bekanntesten Filme von Studio Ghibli ist auch nach 21 Jahren immer noch so bildgewaltig schön, Herz und Verstand ergreifend, so unglaublich gut, wie zu seiner Premiere. Noch immer begeistert Prinzessin Mononoke Kinder und Erwachsene gleichermaßen.

Sie ist vielleicht das beste Beispiel dafür, dass wirklich gut gemachte Unterhaltung für Kinder die Erwachsenen gleichermaßen in ihren Bann zieht. So ist es auch nicht verwunderlich, dass es vorkommen kann, dass sie dich ein Leben lang begleitet. Prinzessin Mononoke hat Nebelung, unseren Kommentator der Woche, schon als Kind begeistert

Wenn ihr Hayao Miyazakis bildgewaltiges Meisterwerk von 1997 noch nicht kennt: Geht raus in den Sommer - und besorgt euch den Film so schnell ihr könnt! Es lohnt sich, dafür die Sonne zu verpassen. Und dann kommt zurück und lest unseren Kommentar der Woche, denn er könnte Spoiler enthalten...

Der Kommentar der Woche von Nebelung zu Prinzessin Mononoke

Vor vier Jahren habe ich bereits zu diesem Lieblingsfilm einen knappen Kommentar geschrieben. Kürzlich bekam ich die Gelegenheit, dieses Meisterwerk gleich zweimal im Kino anzuschauen. Man will behaupten, was man will: Auf der großen Leinwand und mit genialem Klang ist so eine Erfahrung einer häuslichen Sichtung weit überlegen. Und ich wurde weggeblasen von der Kraft dieser Bilder! Auch die Musik, die mit ihnen in Einklang steht, und damit für manchen Gänsehautmoment sorgt, ist für sich allein stehend bereits ein Meisterwerk.

Das geniale Konzept ist nur scheinbar einfach: Der Ausgangspunkt für dieses grandiose Erlebnis ist die klassische Heldenreise. Unser Held Ashitaka verlässt sein abgelegenes, in Einklang mit der Natur befindliches Heimatdorf, nachdem ein herumirrender, wild und zu einem Dämon gewordener Ebergott ihn verletzt und tödlich infiziert hat. Auf der Suche nach dem Ursprung des Fluches und einer möglichen Heilung kommt unser junger, aber erfahrene Bogenschütze in eine für ihn fremde Umwelt, wo die Götter der Natur gegen die frühindustrialisierten Menschen kämpfen. Es ist ein neues, lebendiges Universum, wo sich Magie und Fabelwesen, sowie die Kräfte der Wissenschaft und Technik bekämpfen, gefüllt mit erinnerungswürdigen Kreaturen, Schauplätzen und Charakteren. Dabei geht es in diesem, im japanischen Mittelalter angelegten Kampf nicht schlicht um Moral, sondern um urtümliche Kräfte, jene der Natur und der Zivilisation, die aus sich heraus gegeneinander streiten und für die man selbst, schon als junger Zuschauer, Sympathien und Antipathien gleichermaßen empfinden kann.

Auf Dir liegt also ein Fluch, sagst du? Der liegt auf der ganzen Welt.

Eboshi, die Anführerin der industriellen Eisenstadt ist eine wahrhaftige Zerstörerin der Natur: Ihre faustischen Ambitionen haben im Namen des Fortschritts die einstige Natur zerstört, in harter Arbeit abgerodet und den frühen Widerstand des Eberstammes in einem grausigen Feuerkrieg vernichtet. Seitdem sinnen die Götter des verbliebenen Waldes auf Rache. Gleichzeitig ist sie voller Fürsorge, Schutz und Nahrung für die Menschen, und ihre Stadt bietet auch den ansonsten ausgestoßenen Aussätzigen Schutz. Sie behandelt ihre Untergebenen anständig und kauft Frauen aus den Bordellen frei.

Und die Waldgeister und - götter? Sie befinden sich ohne Zweifel in einem Abwehrkampf, doch sie sind dadurch auch zutiefst verwirrt und wild, brutal und arrogant, und gehen in ihrer Entschlossenheit, die Menschen nicht nur zu vertreiben, sondern restlos auszulöschen bis zum Äußersten, ja bis zum selbstmörderischen letzten Kampf - voller Würde, aber auch mit der schrecklichen Bereitschaft zum Untergang.

Der Mensch ist nunmal so, dass er alles zwischen Himmel und Hölle will und sich nicht mit weniger zufrieden geben kann.

Der Waldgott selbst ist indifferent gegenüber unseren menschlichen Wünschen, und selbst denen der Waldgeister gegenüber: den einen schenkt er das Leben, den anderen nimmt er es unterschiedslos, und wirkt dann wie eine mächtige Naturgewalt, ein Taifun oder Erdbeben. Nur er selbst kennt seine Ambitionen, wenn er denn welche hat, denn offenbaren tut er sie nicht. Er ist, wie Ashitaka einmal sagt:

Wie das Leben selbst.

Diese erwachsene Zweideutigkeit faszinierte mich bereits als kleiner Junge, ebenso wie die hin und wieder völlig ungeschminkte Darstellung von Gewalt. Wie echte Gewalt, kommt sie im Film überraschend und mit purer Kraft, die durch die hervorragenden Anime-Bewegungen realisiert wird. Doch das Blut bleibt dabei extrem stilsicher eingesetzt: Beispielhaft durchexerziert in der wirklich kurzen, aber legendären Szene, in der Ashitaka das erste Mal das Wolfsmädchen Mononoke aus der Ferne erspäht, wie sie ihrer Wolfsmutter das Blut aus einer Wunde saugt und ausspuckt. Mit blutverschmierten Mund und herausfordernden Blick schaut sie in seine Richtung. Ein ikonisches animalisches Bild, das es auch auf die Filmplakate geschafft hat. Ebenjenes Plakat habe ich als Knabe im zarten Alter von vielleicht sieben Jahren das erste Mal in einem Kinoflur gesehen, blieb auf dem Teppich stehen und war wie Ashitaka sofort fasziniert von dieser Archaik, die wie ich Jahre später dann bei der ersten Sichtung erfuhr, den Inhalt des Films gut wiederspiegelt.

Was Miyazaki hier gelingt ist der beispielloser Balanceakt eine erwachsene Geschichte mit kindlicher Begeisterung am Mythos und der Kunst zu verbinden. Es gelingt ihm auf allen Ebenen. Selbst das abrupte Ende, das ich teilweise auch kritisch sehe, steht für die Tragik der Ereignisse und eine zwar vorhandene, aber unsichere Hoffnung auf Wiedergeburt, sowohl einer "besseren Stadt" für die Menschen auf den Ruinen der alten, als auch für die Natur, die zwar großen Schaden erlitten hat, aber wie das Leben selbst nicht ausgelöscht werden konnte und bereits neue Knospen treibt.

Es wirkt, als wäre ein Zyklus zu Ende gegangen und als würde ein neuer beginnen. Weder die Fraktion der Eisenstadt ist hier der Sieger, noch die Waldgeister, (die sich beide in ihrem brutalen Konflikten und einer Spirale aus Hass und Furcht aufrieben) und erst recht nicht der abwesende ferne Kaiser, der den Staat in der reinsten Form des Machthungers repräsentiert und leer ausgehen wird. Es ist unser Held Ashitaka. Der Film ist damit auch eine Ode an die heroische Weltanschauung. Der Held, der durch allerlei Gefahren Recht behielt, der versuchte zwischen Natur und Mensch zu verhandeln und Umkehr zu erwirken und dabei einem strengen Ehrenkodex folgte, der sich "dem ungetrübten Blick" verpflichtet fühlt und der hilfsbereiten Achtung allen Lebens, ob Mensch oder Tier.

Hier, Waldgott! Lass uns Frieden schließen!

Berührend sind seine Szenen mit der beeindruckenden San, der Kriegerprinzessin, die selbst zwischen beiden Welten gefangen ist und auch weiß Ashitaka, dass er trotz allem um ihre Liebe weiterhin wird kämpfen müssen, denn ihr weiteres Schicksal lässt der Film offen. Und da Myazaki keine Fortsetzungen einer einmal erzählten Geschichte dreht, bleibt es bei unseren guten Wünschen diesem Jungen und diesem Mädchen gegenüber, die vielleicht wirklich vor langer, langer Zeit gelebt haben, als unendliche Wälder das Land bedeckten und seit Alters die Geister von Göttern und Dämonen wohnten.

Eine mystische bild- und tongewaltige Heldengeschichte voller Schönheit und Strahlkraft, die seit ihrem Erscheinen 1997 davon keinen Jota eingebüßt hat.
10/10 Lieblingsfilm.

Den Originalkommentar findet ihr hier.

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