PreAct - Schreibt Hollywood seine ganz eigene Dystopie?

26.02.2015 - 10:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Nicht nur im Namen ähnlich: Precrime aus Minority Report.
20th Century Fox
Nicht nur im Namen ähnlich: Precrime aus Minority Report.
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PreAct nennt sich das neuste Marketing-Tool der amerikanischen Traumfabrik und wird von Rentrak entwickelt. Das Besondere an der Software ist dabei die Möglichkeit, schon vor dem Kinostart den Erfolg eines Streifens vorhersagen zu können.

Es ist kein Geheimnis, dass ein zunehmender Teil unseres Lebens immer häufiger digital vonstatten geht. Während beispielsweise der Einzelhandel leidet, boomt der internationale Versandhandel derart, dass die hiesigen Logistiker Jahr für Jahr Rekordumsätze vermelden können. Auch die, für eine Gesellschaft wichtige, sozialen Aktivitäten werden immer häufiger nicht mehr Face-to-Face abgehalten, sondern finden auf der Highspeed-Autobahn des Internets statt. Web 2.0, das lustige Mitmach-Netz für alle und jeden. Neben kurzem Small-Talk und trivialen Geburtstagswünschen findet auch der Austausch über wichtige Themen der modernen Pop-Kultur vorwiegend digital statt. Hier kommt PreAct ins Spiel. Ein Stück Software-Code aus dem Hause Rentrak, die schon jetzt regelmäßig das Box-Office analysieren. PreAct soll den nächsten großen Schritt im Entertainment-Marketing darstellen und dabei helfen, jeglichen Film möglichst massenwirksam zu bewerben.

Was ist PreAct überhaupt?

Stolz verkündete Rentrak in der passenden Pressemitteilung  den erfolgreichen Start von PreAct, dem ersten Marketing-Messinstrument, welches bereits ein Jahr zuvor in der Lage ist, das Publikums-Interesse an einem Film und der dazugehörigen Werbekampagne zu ermitteln. Dafür nutzt das komplexe System eine umfassende Überwachung der elektrischen Datenströme. Soziale Netzwerke, Film-Foren und Internet-Blogs sind dabei ein immer sprudelnder Quell an Information, den PreAct fix auswertet und ein Ergebnis ausspuckt. Anhand dieser Bits und Bytes ist das Studio dann in der Lage, den eingeschlagenen Kurs entweder auf der Zielgeraden zu ändern oder zu intensivieren.

Dabei ist es wahrlich nicht neu, dass Studios ein durchaus offenes Ohr für das gemeine Volk haben und stets darauf bedacht sind, zu sehen, ob die millionenteure Flut an Werbung auch tatsächlich ihren Zweck erfüllt. Schon in den frühen 1980ern begannen Filmemacher, mit Hilfe der National Research Group, derartige Daten zu erheben. Jedoch eröffnet die Möglichkeit, ein Jahr vor offiziellem Start in die Zukunft zu schauen, völlig neue Wege. Während heutige Werbeagenturen häufig nur hoffen können, dass ihre Kampagne am Ende den gewünschten Erfolg erzielt, kann mithilfe von PreAct aktiv in den Prozess eingegriffen werden. So bestätigte Sonys Marketing-Vorstand Dwight Craines gegenüber der New York Times , dass durch die neuartige Software die Entscheidung gefällt wurde, The Equalizer mit Denzel Washington in der Hauptrolle in Verbindung mit einem Song von Rapper Eminem zu bewerben. Dies sollte das Interesse einer jungen, männlichen Zielgruppe wecken. Mit insgesamt etwas über 190 Millionen US-Dollar war der Action-Streifen zwar nicht der ganz großen Kassenschlager, konnte aber immerhin sein Produktionsbudget von 55 Millionen locker wieder einspielen. Zumindest die großen Studios scheinen an die Strategie zu glauben, immerhin sind - außer Warner Bros. und Walt Disney - alle an Bord. Dabei geht es mir nicht darum, das Marketing generell zu verteufeln. Filme zu produzieren ist eine teure Angelegenheit, außerdem stehen die Werbemaßnahmen dem Produktionsbudget häufig in nichts nach und sollten deshalb sinnvoll eingesetzt werden. Dennoch lässt mich der zweifelhafte Grundgedanke von PreAct schaudern.

Pessimistischer Blick in die Zukunft

Auch wenn eine wirklich genaue Vorhersage über ein Jahr weiterhin schwer bleibt, wagt PreAct zumindest einen nächsten Schritt in diese Richtung. Spinnen wir das Rad der Zeit einmal weiter und blicken in die Zukunft, könnte der eingeschlagene Weg unschöne Folgen haben. Sollte diese Strategie beispielsweise ausgeweitet werden auf Drehbücher, würde dies unweigerlich eine in den Grundfesten veränderte Stoffentwicklung bedeuten. Gerade im Blockbuster-Geschäft wird schon heute versucht, eine möglichst breite Zielgruppe anzusprechen. Diese ist jedoch nicht unbedingt für ihren anspruchsvollen Filmgeschmack bekannt, was der unglaubliche Erfolg der Transformers-Reihe und Honig im Kopf aktuell eindrucksvoll beweist. Eine modifizierte Version des Marketing-Tools würde interessanten Streifen wie Interstellar oder möglicherweise auch einem Guardians of the Galaxy wohl wenig Chancen am Box-Office errechnen. Während Christopher Nolans Weltraum-Epos im wahrsten Sinne zu abgespaced für die Masse daherkommt, waren die Wächter der Galaxie selbst in erlesenen Comic-Kreisen zu unbekannt, um wirklich einen starken Buzz im Vorfeld zu generieren. Mut und Innovation sind im umkämpften Blockbuster-Geschäft ohnehin schon selten geworden und wurden auf diese Weise vielleicht gänzlich aussterben.

Überspitzt gesagt, sehe ich in der Zukunft eine komplexe Maschine, die gierige frische Drehbücher verzweifelter Jung-Regisseure frisst und gnadenlos eine vernichtende Prozentzahl des zu erwartenden Erfolges ausspuckt. Der Autor geht geknickt nach Hause, während das Studio fies lächelt. Möglicherweise ist dies auch nur ein erstes Anzeichen von aufkommender Paranoia, einer im Alter beginnenden Technophobie oder der simple Wunsch, dass auch im Blockbuster-Geschäft etwas Originalität erhalten bleibt.

Was sagt ihr zu PreAct? Was glaubt ihr, wie die Zukunft in Hollywood aussehen wird?

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