Paul Greengrass, der Wackler - Ein Blick auf den Regisseur von Jason Bourne

13.08.2016 - 08:50 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Paul Greengrass auf dem Set zu Die Bourne VerschwörungUniversal Pictures
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Jüngst startete mit Jason Bourne der inzwischen fünfte Teil der Action-Reihe in den Kinos. Zwar wurde der Auftakt im Jahre 2002 von Doug Liman inszeniert, doch war es Paul Greengrass, der die prägnante Ästhetik der Wackelbilder konsequent weiterentwickelte.

Paul Greengrass ist ein Scharfschütze. Seit er 2004 die Bourne-Reihe mit dem Sequel Die Bourne Verschwörung übernahm und in Folge nur Das Bourne Vermächtnis, den vierten Teil, ausließ, konnte der aus dem journalistischen Dokumentarfilm kommende Regisseur seine Vorliebe einer besonders physisch geprägten Inszenierung in einer Action-Reihe aus dem Mainstream etablieren. Sein Vorgänger Doug Liman (Edge of Tomorrow) fädelte zwar bereits den ästhetischen roten Faden ein. Es war aber Greengrass, der mit seiner sich ständig in Aktion befindlichen Handkamera dem Action-Genre über Jahre hinweg seinen Stempel aufdrückte und das im dritten Part, Das Bourne Ultimatum, in neue Höhen trieb.

Anders als viele seiner darauffolgenden Nachahmer, bewahrt sich Greengrass trotz aller fiebrigen Zittrigkeit eine Präzision, die stets die richtige Impression im Fokus der Linse zentriert und niemals droht, abzuschweifen.

Paul Greengrass verfehlt sein Ziel nie.

Die Anordnung des dramatischen Spielbretts

Dieses Ziel ist das filmische Motiv, das er stoisch ins Visier nimmt. Der szenische Aufbau folgt dabei einer Sensibilität, die auf den ersten Blick nicht zwangsläufig in der Hektik auffallen mag. Früh etabliert er im Setup seiner Szenen Bilder, auf die er in der darauffolgenden Abfolge von Ereignissen zurückgreift. Zum einen sind dies die wichtigsten Akteure, die Hauptfigur Jason Bourne (Matt Damon) und seine Gegenspieler sowie dessen Schergen, und zum anderen tote Geschöpfe, wie Überwachungskameras, die letztlich denselben dramaturgischen Nutzen haben, nämlich den einstigen Topagenten auf seiner Suche nach Antworten zu stoppen.

Paul Greengrass ordnet seine Spielfiguren in der Spannungspartie in einer somit sehr frühen Phase an, die er mit einer klaren Strategie für sich zu entscheiden vermag. Er lässt sich nicht von Nebenschauplätzen ablenken, selbst wenn er dieses Spiel in einem überfüllten Londoner Bahnhof, wie in Das Bourne Ultimatum, ausfechtet. Trotz aller Gefahr von Chaos, richtet er die Kamera stets auf die zuvor eingeführten Elemente seiner Inszenierung. Das ergibt eine Übersicht in der Unordnung, die ihr wiedererkennbares Set-Piece, ihren Schauplatz, nicht verlässt. Von einigen Parallelmontagen abgesehen.

Der geführte Zuschauer

In der eigentlichen Phase des Geschehens lässt Paul Greengrass seiner Vorliebe für die Handkamera freien Lauf. Entweder schmiegt er sich dicht an seine Figuren oder gewährt dem Publikum selbst aus der Distanz unter variantenreichem Einsatz diverser filmischer Kniffe, wie raschen Zooms oder cleveren Perspektiven, jede Information, die er braucht. Hierbei spielt der Regisseur virtuos mit Nähe und Distanz, was seinem Spielort eine umfassende und einnehmende Räumlichkeit verleiht. Sein actiongetränktes Schnittstakkato bewegt sich in dieser Szenerie in einem hohen Tempo, das es aber immer noch erlaubt, imaginäre Ketten zu schmieden: Der Zuschauer weiß jederzeit, wo er sich befindet und in welcher Phase sich das Dargestellte abspielt.

Statt ihn abzustoßen, wacht Greengrass stets mit einer führenden Hand über das Geschehen und das Publikum. Die rasante Inszenierung verkommt niemals zum Exzess, sondern wird genau in den Nischen inszenatorisch ausgepolstert, in denen das Publikum nicht folgen könnte bzw. sich ob einer allzu anmaßenden Rasanz verwirrt und genervt vom Geschehen abwenden würde.

Konzentriert ans Ziel

Der Kern der Greengrass'schen Meisterschaft findet seinen ultimativen Härtegrad in der inszenatorischen Konzentration. Gänzlich unkonzentriert zeigt sich dagegen Marc Forster mit seinem Bond-Brei James Bond 007 - Ein Quantum Trost, der rund anderthalb Jahre nach dem dritten Teil der Bourne-Reihe in den Kinos serviert wurde. Dieser Film ist die visuelle Inkarnation eines spektakulär unfähigen Trittbrettfahrers. Die einleitende Verfolgungssequenz ist dann ironischerweise doch wieder eine Konzentration - die einer ständigen Ablenkung, Unsicherheit und Kopflosigkeit. Während der Geheimagent vor seinen Verfolgern im hochglänzenden Aston Martin davonprescht, schafft es Forster, seine Kamera fortwährend auf Lückenfüller zu richten.

Da schwenkt sie schon mal aufs luxuriöse Armaturenbrett des britischen Sportwagens - warum? Die Frage drängt sich ebenso im Hinblick auf das scheinbar wahllose Hinzuziehen so mancher als Konflikt gedachten Stolpersteine auf, die Bond (Daniel Craig) in den Weg gelegt werden sollten. In der Verfolgungsjagd wirft der Regisseur z. B. Polizisten in die Handlung und bläht sie als Bedrohung auf, die sich als dramatisch müder Schenkelklopfer entpuppt. Sie tauchen, wie in einem dilettantisch programmiertem Videospiel, plötzlich auf, verkommen zu Schießbudenfiguren und verschwinden wieder. Level erledigt. Kein Anflug von Spannung, da kein Aufbau stattfindet. Wie weit es Bond und seine motorisierten Kletten etwa zum Polizei-Checkpoint haben oder ob sie überhaupt in derselben Geschichte vorkommen, lässt die Inszenierung in ihrer Verlorenheit offen. Sie ist im negativen Sinne ohne Raum und Zeit und reinstes Vakuum.

Marc Forster tötet seinen Film von innen heraus, indem er ihn mit leeren Bildern aushöhlt.

Paul Greengrass lässt keinen Leerraum entstehen. Sein ständiger Blick aufs Wesentliche droht nicht einmal in der Gefahr allzu dynamischer Perspektivwechsel faul zu werden, sondern offenbart gerade in dieser Sprunghaftigkeit seinen Scharfsinn, der Lücken aus-, statt füllt. Es folgt Schuss auf Schuss auf Schuss, ohne zu verfehlen. Das ist die große Präzision, mit der Greengrass die Bourne-Reihe weiterentwickelte und ihr einen unverkennbaren Stil aufdrückte, der ihr bis heute anhaftet. Ein Stil, der ein ganzes Genre definierte. Der Stil eines gekonnten Schützen. Paul Greengrass.

Wie steht ihr zur Bourne-Reihe und zu Paul Greengrass?

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