Moonlight ist erst der Anfang

25.03.2017 - 08:50 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
I'm me, man. I ain't trying to be nothing else.DCM Film Distribution/moviepilot
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All die Argumente, die gegen andere Oscargewinner nicht vorgebracht würden, können nicht darüber hinwegtäuschen, nicht verdecken, dass Moonlight mehr ist als nur ein weiterer "Bester Film". Moonlight ist wichtig. Moonlight ist jetzt. Und Moonlight ist ein Anfang.

Jeden Samstag präsentieren wir euch an dieser Stelle einen Kommentar, der euch ein Lächeln (oder gar ein Lachen) auf die Lippen zauberte, euch nachdenken ließ, euch eine Träne entlockt oder zum Nicken gebracht hat - kurzum, einen Kommentar, der euch bewegt hat. Wenn euch da draußen ein Kommentar ganz besonders beeindruckt hat, dann sagt uns Bescheid, denn dann sollte er hier stehen!

Der Kommentar der Woche
Der große Eklat mit den Umschlägen wäre überhaupt nicht nötig gewesen, um eine Kontroverse um den Oscar für den Besten Film für Moonlight zu entfachen. boxcarsboxcars erinnert uns daran, dass hinter den Diskussionen mehr steckt, und Barry Jenkins' Film so viel wichtiger ist als nur ein weiterer Oscargewinner.

Sylvia Lacan hat einen Satz in Erinnerung behalten, den Foucault eines Abends bei ihr in der Rue de Lille äußerte: 'Es wird keine Zivilisation geben, solange nicht die Ehe unter Männern zugelassen ist.'

- "Michel Foucault", Didier Eribon

Im Kern dieser Tragödie steht die Rasse. Die Rasse ist in weitem Maße ein ikonenhaftes Geld. Es erscheint auf dem Umweg über den Handel - den der Blicke. Dieses Geld dient dazu, das, was man sieht (oder auf keinen Fall sehen will), in ein Element oder Symbol innerhalb einer allgemeinen Ökonomie von Zeichen und Bildern zu konvertieren, die man austauscht, die zirkulieren, denen man einen Wert beimisst oder nicht und die zu einer Reihe von Urteilen und praktischen Einstellungen berechtigen. Die Rasse, so kann man sagen, ist zugleich Bild, Körper und Zauberspiegel innerhalb einer Ökonomie der Schatten, deren Eigenheit darin besteht, dass sie das Leben selbst in eine geisterhafte Realität verwandelt.

- "Kritik der schwarzen Vernunft", Achille Mbembe

Moonlight ist ein Anfang. Und Anfänge müssen wissen wie sie beginnen möchten. Moonlight möchte mit Boris Gardiner beginnen  und verheißt schon an dieser frühen Stelle einen Schulterschluss, hat doch vor ziemlich genau zwei Jahren ein weiterer Anfang  mit ihm begonnen. Genauso wie Kendricks To Pimp a Butterfly ist Moonlight mit dem Prädikat ‘game changing’ zu versehen. Genauso wie bei To Pimp a Butterfly soll Moonlight sich in Acht nehmen. Im Taumel der Diskurse, der verwirrten Twitteraccounts und selbstbesoffenen Filmfreunde, soll auf einmal das gelten, was doch sonst nie interessiert: Der Film ist nur zur rechten Zeit am rechten Ort. Ohne die oscarssowhite-Debatte hätte Moonlight nicht gewonnen. Ohne die 'Black Lives Matter'-Bewegung hätte Kendrick niemals den ‘Key of Compton’ erhalten. Hinter Argumentationsmustern wie diesen verbirgt sich nichts als ein zutiefst rassistisches Denkschema, dessen Salonfähigkeit betrifft. Dass ein Film den Oscar erhält, weil er ‘zur richtigen Zeit am richtigen Ort’ war, wird wohl den Preis in der Kategorie der grenzdebilen Kurzschlüsse im Abonnement haben. Denn um nichts anderes geht es doch. Darum zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Darum einen Zeitgeist warhzunehmen, ihn aufzunehmen und in etwas ganz Wundervolles zu transponieren. Nichts anderes tut Moonlight.

Er erzählt von einer unzivilisierten Gesellschaft, einer, in der Gewalt mit ungleichen Mitteln bekämpft wird.

Er erzählt von Körpern, deren einzige Bestimmung darin liegt, malträtiert und nicht berührt zu werden.

Er erzählt von Körpern, die geformt, die trainiert werden müssen, um dem Martyrium zu entgehen.

Er erzählt von Körpern, die nicht mehr sind als Masken. (Und man würde den Film sträflichst unterschätzen, wenn man an dieser Stelle nicht an Frantz Fanons Schwarze Haut, weiße Masken dächte.)

Masken, deren Fallen nicht nur unmöglich scheint, sondern ist.

i, ii, iii. Moonlight macht keinen Hehl daraus, dass es sich beim Protagonisten nicht um eine Einzelperson handelt. Namenlos schliddern Little, Chiron, Black durch die Gegend und passen sich den äußeren Umständen an. Aber es gibt keinen Kern, es gibt nur noch die Maske. Wenn in den letzten Minuten die Maske zu sprechen beginnt, dann ist das bewusst als Utopie inszeniert.

Die letzte Szene ist ein Anfang. Die Diskussionskultur, die diesen Film umweht, sollte auch ein Anfang sein. Einer, der ohne Umschweife die Richtung Zivilsation einschlägt. Eine Zivilisation, deren Willen die geisterhafte Realität zu zerschlagen klar erkennbar ist.

Den Originalkommentar findet ihr hier.

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