Michael Klier über Alter und Schönheit

05.01.2009 - 12:00 Uhr
Alter und Schönheit
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Alter und Schönheit
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NEWS» Regisseur Michael Klier über seinen Film Alter und Schönheit und die Frage, was für ein Typ Regisseur er ist.

Es gibt verschiedene Typen von Regisseuren – sind Sie eher der Dompteur oder mehr der Moderator?

Heute bin in meinem Auftreten eher zurückhaltend, also keiner, der am Set groß herumtönt. Ich bin jetzt leise. Ich spreche mit jedem einzeln. Ich stimme sie ein, wie ein Coach einen Fußballspieler, der ihm suggestiv die zwei, drei wichtigen Dinge ins Ohr flüstert, am Spielfeldrand. Mehr braucht man auch den Schauspielern nicht unbedingt sagen.

Das Ziel ist ja ein Wahrhaftigkeitsgefühl im Spiel herzustellen, und die emotionalen Akzente zu setzen, die subtil oder intensiv sein können, je nachdem.

Alter und Schönheit ist ein Film über Männer. Ich habe das Gefühl, dass die Frauen ein wenig zu kurz kommen.

Aber es gibt Sibylle Canonica, und das ist der atomare Kern des Films, wenn man so will, von da geht die Spaltung der Materie aus, denn sie ist die eigentlich starke, die schillernde Figur, die ein Geheimnis hat, was auch nicht gelüftet wird, das man aber erkennen kann, wenn man sehr genau hinsieht. Sie hat ihre Spuren hinterlassen, daran entlang bewegt sich der Film in seiner Inneren Bewegung. Jeder der vier Männer sieht sie anders, du kannst dir kein Bild von ihr machen, das ganz deutlich wäre. Sie ist eine sehr selbständige, starke Figur, auch in der Schwäche stark. Natürlich hat es eine Frau, die älter wird und so derangiert auftritt wie sie, schon äußerlich viel schwerer als die Männer. Aber das juckt eine Figur wie Rosi und auch die Schauspielerin Sibylle Canonica nicht im Geringsten. Insofern bildet sie ein starkes Gegengewicht zu den vier Männern.

Aber es gibt noch einen anderen, interessanten Frauenaspekt im Film. Die Frau von Bernhard, Britt (gespielt von Friederike Wagner), ist scheinbar spröde und kühl. Das soll auch ein Licht auf ihren Mann werfen. Wer sich so eine Frau aussucht, hat Schiss vor Frauen und würde es nie wagen, sich gegen sie durchzusetzen. Braucht aber auch so eine Frau. Trotzdem ist sie es, die alles zusammenhält, die sich nicht in romantischen Flashbacks und nicht in romantischen Krisen suhlt wie er. Er kifft auf einmal wieder und hat irgendwo noch eine Sehnsucht. Diese Sehnsucht ist bei seiner Frau längst nicht mehr da. Sie gehört zu einer anderen Generation, ist zehn Jahre jünger und ist straight. Sie geht ihren Weg. Sie darf nicht ergänzen und alles lieb machen, sondern cool sein. Das war die Idee für diese Figur. Die Männer sind, wenn man will, die letzten Romantiker, danach kommt eine andere Generation.

Haben diese Männer aus dem Film richtig gelebt?

Was heißt schon richtig gelebt. Sie haben gut bis sehr gut gelebt, sind aber irgendwie tief im Innern unzufrieden. Sie haben da und dort Frauen und Kindern, aber es ist so schwierig das alles zusammen zu kriegen, und sie weigern sich eigentlich auch Konsequenzen daraus zu ziehen, obwohl ihnen immer wieder kleine Schreckenschreie entfahren, wenn sie von ihren Frauen oder Kindern reden, weil diese “gestandenen Männer” von ihnen verunsichert werden. Wenn Henry Hübchen rumstöhnt, weil er sich zwischen Ehefrau und Geliebter jetzt entscheiden muss, und klagt, warum kann es denn nicht so bleiben, wie es ist, das ist doch ideal, dann bringt dieser Spruch das ziemlich genau auf den Punkt.

Aber es bleibt nicht, wie es ist. Das ist mehr als die gern beschworene Midlife-Crisis, die ja eigentlich ein Männerprivileg ist. Es geht darum, wie man in diesem Chaos von Extremindividualismus zusammen kommen kann.

Wie geht das Leben für die drei Freunde weiter?

Keine Ahnung. Gut, hoffe ich, sie sind in jedem Fall sensibilisiert, für das was kommt.

Und was nehmen die Kinozuschauer nach Hause mit? Ist das ein Film, der sich nur an Ihre Generation richtet oder ist es auch ein Film, den 30jährige Jugendliche in der Tragweite schon verstehen?

Der Tod ist in diesem Alter kein Thema. Ich glaube, dass mein Publikum im Bereich der zweiten
Lebenshälfte anzutreffen ist, und ich glaube, dass diese Zielgruppe immer relevanter wird, denn es gibt jetzt öfters Filme für sie. Diese Menschen gehen ins Kino, um etwas über das Leben zu erfahren. Und sie haben ganz bestimmt eine dringliche Neugier für Fragen, die mit ihrer aktuellen Lebenssituation zu tun haben. Altern, Sterben, Verlust von Schönheit, auch im weiteren Sinne, sind große Themen.

Sie haben eine lange Filmbiografie, aber in diesem Filmleben relativ wenig Filme realisiert.

Als ich angefangen habe, Ende der 80er Jahre, war es gar nicht so leicht, Filme zu machen. Ich war der erste Regisseur, der beim Kleinen Fernsehspiel Filme gemacht hat, die nach der Fernsehausstrahlung ins Kino gekommen sind, denn ich habe die Rechte von meinen eigenen Filmen gekauft und innovative Verleiher haben sie ins Kino gebracht. Die Filme waren auch auf Festivals sehr erfolgreich und ich habe viele Filmpreise gewonnen. Ich habe zwar früh angefangen mit kurzen Filmen und Portraits über berühmte Filmeregisseure, dann aber Philosophie und Geschichte an der FU studiert und mein Leben mehr dem Fußball zugewandt und sehr lange in Vereinen gespielt. Die Stimmung war also Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre ganz anders, weitaus schwieriger als heute. Damals gab keine richtige Filmwelt und es gab in dieser Zeit keinen Filmemacher, der kontinuierlich drehen konnte, denn es war schwer, einen anspruchsvollen Film zu finanzieren. Ich war gewissermaßen zu früh – und dadurch auf mich allein gestellt. Fernsehen habe ich nicht gemacht.

Sie waren sozusagen ein Vorläufer der Berliner Schule. Gleichzeitig merkt man ALTER UND SCHÖNHEIT an, dass Sie vom französischen Film beeinflusst sind. Das ernste Thema wird nicht teutonisch schwer abgehandelt, stattdessen hat Ihr Film eine französische Anmutung.

Kamera und Musik haben dazu natürlich beigetragen. Die Kamerafrau Sophie Maintigneux ist Französin, der Komponist Laurent Petitgand ist Franzose. Und ich selber fühle mich ein bisschen der Nouvelle Vague verbunden, was man an dem erwähnten Kurzfilm erkennen kann, von dem ja ein paar Ausschnitte in Alter und Schönheit zu sehen sind. Bei aller befürchteten “Dunkelheit” des Themas Sterben war es mir wichtig, die klare Transparenz der Bilder, ihr Leuchten dagegen zu setzen. Und auch eine Kamera zu haben, die den Figuren Raum gibt als Zeichen dafür, dass sie, im Alltag längst erstarrt, während der Geschichte wieder in Bewegung kommen. Wir schauen den Figuren dabei zu wie sie sich öffnen: für sich selbst, für die anderen, für das, was noch kommt in ihrem Leben. Laurent Petitgand hat eine echte Kinomusik komponiert, die einen Film und seinen Protagonisten Flügel verleihen kann. Kamera und Musik, der Film hat von beiden auf schöne Weise profitiert.

ALTER UND SCHÖNHEIT hebt sich ab von dem, was als deutscher Film im Kino läuft. Ein stiller, leiser Film, der zurückhaltend, geradezu scheu seine großen Themen umkreist statt sie kinomäßig groß auszustellen.

Was heißt denn schon “kinomäßig”? Große Gefühle, große Gesten, denen ich nicht eine Sekunde lang trauen würde? Ich will auch niemand “packen” oder ergreifen. Heute muss man bei der Darstellung von Gefühlen auf Distanz gehen, sie eher andeuten als bunt ausmalen, denn in der großen Geste findest du keine Wahrhaftigkeit mehr, sondern billige und abgenutzte Klischees wie man sie oft im Kino oder im Fernsehen sehen kann. Für mich völlig uninteressant.

Alter und Schönheit ist ein Film, der nicht altmodisch auf Pathos setzt, sondern ganz modern ist in der minimalistischen Beschreibung der Emotionen. Ein Film, der kein Gemälde sein will, sondern ein Aquarell ist, eine Tuschzeichnung mit leichten Farben, die ein paar Männer und eine Frau in einem Moment ihres Lebens zeigt, wo sie noch einmal aufblühen. Wenn man so will ein Patchwork aus Blicken, kaum sichtbaren Gesten, einer gelegentlich komödiantisch anmutenden Körpersprache und lakonischen Dialogsätzen besteht – eine filmische Meditation über Tod, Alter, Schönheit, Verfall, Freundschaft und Liebe.

Copyright: X-Verleih AG

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