Lass uns 'n Wunder sein - auf der Suche nach Rio Reiser

09.07.2009 - 11:37 Uhr
Rio Reiser Live
Arsenal Filmverleih
Rio Reiser Live
Auf seiner Suche nach dem Mythos Rio Reiser gräbt Musikfilm-Veteran Stefan Paul nie gezeigte Fotos und vergessene Konzertmitschnitte aus, lässt Kollegen und Zeitgenossen zum Plattitüdenmarathon auflaufen und beschäftigt sich bereits zum dritten Mal mit einem der wichtigsten deutschsprachigen Musiker überhaupt.

Zyniker würden sagen: Vielleicht ist es gar nicht so schlimm, dass Rio Reiser so früh gestorben ist. Würde Reiser heute 59jährig noch auf Erden wandeln, wäre er womöglich einfach ein weiterer Grönemeyer, Westernhagen, Lindenberg: ein schon etwas überreifer Popstar, der seine Visage in jede Fernsehkamera hält und unqualifizierte Statements zum politischen Tagesgeschehen absondert. Es hat etwas Beruhigendes, dass wir nie erfahren werden, was ein in Würde gealterter Rio Reiser von einer Deutschquote im Radio gehalten hätte.

Nach Rio Reiser – König von Deutschland und dem Konzertfilm Jan Plewka singt Rio Reiser beschäftigt sich der Dokumentarfilmer Stefan Paul in Lass uns’n Wunder sein bereits zum dritten Mal mit dem “Ton Steine Scherben”-Frontman. Im Mittelpunkt sollen der politische und private Mensch Rio Reiser stehen, sowie neue Einblicke in sein Werk.

1970 gründete der gelernte Fotograf die Band “Ton Steine Scherben”, deren Mitglieder mit Stücken wie “Macht kaputt, was euch kaputtmacht!”, dem “Rauchhaus Song” oder “Die letzte Schlacht” schnell zu Ikonen der Sponti- und Hausbesetzerszene wurden. Nebenbei waren sie auch noch die Band, die Rock- und Popmusik mit deutschen Texten erfand, knappe zehn Jahre bevor DAF quasi offiziell die “Neue deutsche Welle” lostraten. Bei allem politischen Engagement zeichneten sich die Songs der Scherben vor allem durch komplexe, mitunter experimentelle Kompositionen und poetische, manchmal pathetische Texte aus. Ein Paradebeispiel dafür wäre “Der Traum ist aus”

Nach der Auflösung von “Ton Steine Scherben” machte Rio Reiser als Solokünstler weiter und bescherte der Welt so schlichten wie eleganten, mal ironischen, mal melancholischen, deutschsprachigen Pop. Politische Anliegen schimmerten nur hier und da noch in poetischen Metaphern durch. 1996 starb Rio Reiser 46jährig an einem Herz-Kreislauf-Kollaps. Bis heute geben einheimische Musiker von “Echt” bis Peter Fox wohl keinen anderen Künstler so häufig als Vorbild an wie ihn.

Für Lass uns ’n Wunder sein grub Stefan Paul bislang unveröffentlichte Dokumente von Reisers Schaffen aus und interviewte Kollegen und Zeitgenossen. Dies verspricht eine für ästhetisch sensible Naturen womöglich schwer erträgliche Freak Show der früher-irgendwie-auch-mal-linken Medienzombies von Scorpions-Sänger Klaus Meine (“Der König von Deutschland, der fehlt heute”) bis zur früheren Scherben-Managerin Claudia Roth (“Wenn er Kämpfe geführt hat mit wem auch immer, der war… schnell unterwegs”).
Zudem darf beim nunmehr dritten Reiser-Projekt wohl so langsam mal gefragt werden, ob der Regisseur eigentlich nichts Besseres zu tun hat. Nachdem Rio Reisers Leichnam jedoch in den letzten Jahren mit Küblböck-Covers und Mediamarkt-Werbung viele gute Gründe zur ständigen Rotation hatte, ist es doch ein Lichtblick, dass sich jemand dem Sänger mal wieder mit Respekt und Leidenschaft nähert.

Hier der Trailer:

Und als Bonustrack mein persönlicher Lieblingssong “Menschenfresser”

Lass uns’n Wunder sein startet diesen Donnerstag, 09. Juli 2009 im Programmkino eures Vertrauens.

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