Joon-ho Bong über den erbitterten Kampf einer Mutter

04.08.2010 - 08:50 Uhr
Mother: Sie kämpft für ihren Sohn
MFA
Mother: Sie kämpft für ihren Sohn
Joon-ho Bong, der mit seinem Werk The Host den bis heute erfolgreichsten koreanischen Film aller Zeiten geschaffen hat, bringt nun seinen neuen subtilen Psychothriller in die Kinos. Der Film Mother kommt zwar dieses Mal ohne ein Monster aus, dennoch begegnet uns hier ein Horrorerlebnis der besonderen Art.

Was tust du, wenn deinem Kind ein Verbrechen angelastet wird und du dich der Korruption der Polizei völlig ausgeliefert siehst? Yoon Do-jun wird des Mordes an einem Schulmädchen bezichtigt und von der Polizei sofort weggesperrt. Seine Mutter setzt daraufhin alles daran, ihren Sohn aus dem Gefängnis zurückzuholen. In einem Interview verriet Regisseur Joon-ho Bong, welche Erwartungen der Zuschauer an den Film Mother haben sollte.

Worum geht es in Mother?
Joon-ho Bong: Es geht um eine Mutter, die sich für ihren Sohn extrem stark einsetzt. Wie weit wird eine Mutter gehen, um ihre Sohn zu retten? Hier wird dem Sohn ein Mord angehängt, und seine Mutter kämpft verzweifelt darum, ihn aus der Haft zu befreien.

Sie sind eingestandenermaßen ein Fan der Hauptdarstellerin Hye-ja Kim, wie war die Zusammenarbeit?
Joon-ho Bong: Sie meinte zu mir, dass sie es nicht mag, wenn ihr ein junger Regisseur sagt: ‘Zeigen Sie uns was, und wir werden applaudieren’. Ich sagte ihr: ‘So etwas habe ich keinesfalls vor’. Wir haben dann mit großer Synergie zusammen arbeiten können und hatten eine Menge Spaß. Schon seit ich klein war, war ich ein Fan von ihr, und die Tatsache, dass sie und ich nun als Schauspielerin und Regisseur einen Film miteinander drehen würden, war eine unglaubliche Erfahrung. Doch sobald die Dreharbeiten begannen, spielten wir uns schnell aufeinander ein, und man hatte das Gefühl, schon seit über zehn Jahren gemeinsam zu filmen. So wurde alles noch besser.

Was sind Ihre Kriterien bei der Besetzung?
Joon-ho Bong: Ich mache mir Gedanken, wie ich Darsteller mit guten schauspielerischen Fähigkeiten finde. Natürlich lasse ich intensiv vorsprechen, aber darauf kann man sich nicht 100%-ig verlassen. Denn Vorsprechtermine sind zeitlich eng begrenzt. Am besten findet man Schauspieler, indem man sich Filme anschaut, in denen sie Hauptrollen spielen. Im Fall von Bühnenschauspielern da gehe ich oft selber ins Theater und schau mir das Stück an. Bei Ku Jin war es so, dass ich nie zuvor mit ihm zusammen gearbeitet hatte, doch er war beeindruckend in Straßen der Gewalt und einigen anderen Filmen. In diesem Film spielt er nun einen faulen jungen Provinzburschen, der mit der Hauptfigur Doo-jun ein gutes Paar abgibt. Tatsächlich hatte ich Ku Jin schon beim Schreiben des Drehbuchs im Auge. Zum Glück rief er sofort, als ich es ihm zeigte: ‘Diese Figur, das bin ich!’

In anderen Fällen haben mich Schauspieler beim Casting für meine früheren Filme, wie The Host oder Memories of Murder, sehr beeindruckt, passten da aber nicht zu den Rollen. So habe ich sie jetzt engagiert und mit ihnen zusammen gearbeitet.

Gab es Probleme bei den Dreharbeiten?
Joon-ho Bong: Das Team war so talentiert, dass der Drehplan und das Budget für diese Produktion so gut wie möglich eingehalten wurden. Dabei hatten wir, glaube ich, rund 30 Drehorte, und sie waren über die ganze koreanische Halbinsel verstreut, ausgenommen Nordkorea. So brauchten wir manchmal sieben oder acht Stunden, um an einen anderen Drehort zu gelangen. Doch ich wollte Orte finden, die genau meinen Vorstellungen entsprachen. Ich kann verstehen, wenn sich Schauspieler fragen, ‘warum drehen wir diese Szene ausgerechnet an so einem Ort’, und ihre Bereitschaft zum Agieren nachlässt.

Dankenswerterweise mochte Hye-ja Kim, die ja nun keine junge Dame mehr ist, gern an unterschiedlichen Orten arbeiten und herumfahren. Sorgen bereitete mir auch noch, dass beim vielen Herumkutschieren ein Autounfall passieren könnte. Doch zum Glück gab es, von kleineren Vorfällen abgesehen, keine größeren Unfälle oder Verletzungen beim Dreh.
Da im ganzen Land mit großem Tempo Neubauten entstehen, kann es vorkommen, dass ein Drehort, den man vor Beginn der Aufnahmen mal ausgesucht hat, dann ein, zwei Monate später schon ganz anders aussieht – das war ein Problem. Außerdem kam es vor, dass eine zuvor gegebene Dreherlaubnis dann doch nicht genehmigt wurde. Aber letztlich klappte es, zu 99% wurde vor Ort gedreht, nicht im Studio oder mit Computergrafik.

Welches Konzept gab es für die Gestaltung der Kostüme?
Joon-ho Bong: Es ist die Geschichte einer Mutter, und zu Beginn sieht die Mutter aus wie jede andere normale Mama. Aber später im Film macht sie eine extreme Veränderung durch, und die Gestaltung der Kostüme musste sich ganz nach der Persönlichkeit der Mutter richten. Ob es nun ihre Gedanken sein mochten, oder ihr Charakter – welche Farbe kann das am besten ausdrücken? Der Raum, in dem sie ist, die Kleidung, die sie trägt, das waren Fragen, über die wir uns am meisten Gedanken gemacht und mit der Ausstatterin Ryu Seong-hie heftig diskutiert haben.

Und die Musik?
Joon-ho Bong: Der musikalische Leiter Lee Byung-woo ist auch jemand, den ich schon seit meiner High-School-Zeit bewundere. Er ist ein so berühmter Gitarrist, und ich war sein Fan, seit er im Duo ‘Etteonnal’ spielte. So war es aufregend und wunderbar, mit ihm zu arbeiten, und da wir ja bei The Host und Tokio! bereits zusammengewirkt haben, klappte die Zusammenarbeit auch bei Mother gut. Ich mag seine Musik nicht nur in meinen, sondern auch in allen anderen Filmen, bei denen er dabei war.

Haben Sie wieder selber Storyboards gezeichnet?
Joon-ho Bong: Das mache ich immer. Meiner Meinung nach ist der Aufbau der Szene die wichtigste Aufgabe des Regisseurs. Ich könnte Storyboard-Zeichner engagieren, aber oft ist es schwierig, etwas zu erklären, und obwohl meine Hände schmerzen, bekomme ich akkuratere, bessere Resultate, wenn ich es selber mache. Bei The Host habe ich den Drama-Part gezeichnet, und den Monster-Part übernahm ein anderer Künstler. Aber die Storyboard für meine anderen Filme stammen komplett von mir.

Warum haben Sie mit anamorpher Linse gedreht?
Joon-ho Bong: Ich dachte, es ist ein gutes Format, um Ängste oder Hysterie auszudrücken, wenn die Kamera das Gesicht oder den Köper aufnimmt. Es wirkt völlig anders, wenn man auf das Gesicht eines Schauspielers zoomt im Format 2.35:1, und nicht 1.85:1. Das ist irgendwie intensiver. Mein Lieblingsfilm im 2.35:1-Format ist Punch-Drunk Love von Paul Thomas Anderson. Das ist ja auch kein monumentaler Film, aber das mysteriös leere Unwohlsein oder die Einsamkeit der Figuren wird im 2.35:1 Format sehr gut deutlich.

Vielleicht noch ein paar Worte fürs Publikum von Mother?
Joon-ho Bong: Der Film ist voller heftiger Gemütsbewegungen, trotzdem hoffe ich, dass ihn die Leute mit leichtem, offenen Herzen betrachten, ohne sich zu viele Gedanken darüber zu machen. Jeder einzelne Zuschauer hat eine Mutter oder Erinnerungen an eine Mutter. Wenn man überlegt ‘würde meine Mutter auch so handeln’ oder, falls man selber Mutter ist, ‘wäre ich dazu auch fähig’, kann der Film Emotionen auslösen und noch interessanter wirken.

Mother läuft bei uns am 5.8.2010 in den Kinos an. Mehr dazu erfahrt ihr in unserem Kinoprogramm.

Mit Material von MFA.

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