Eigentlich könnte dieser Artikel auch “In 5 Schritten zum… Sternberg/Dietrich-Experten” heißen. Die sieben Filme umspannende Zusammenarbeit des in Wien geborenen und in den USA aufgewachsenen Josef von Sternberg mit Marlene Dietrich überschattet nicht nur in der Veröffentlichungspolitik seine übrigen Werke. Hierzulande konzentriert sich die Nacherzählung dieser komplizierten künstlerischen Beziehung meist auf ihre erste gemeinsame Arbeit Der blaue Engel. Deswegen soll sich diese kleine Einführung in das Werk des exzentrischen wie talentierten Regisseurs mit seinem einzigartigen Wirken außerhalb des deutschsprachigen Raums beschäftigen, was die Bedeutung von Der Blaue Engel, der Sternbergs Karriere neuen Schub gab und Dietrich den Weg nach Hollywood ebnete, nicht schmälert.
Warum ausgerechnet… Josef von Sternberg?
Seine Karriere führte den 1894 geborenen Sternberg von den Ursprüngen des Gangsterfilms in der Stummfilmära zum freizügigen Melodram des frühen Tonfilm, bis ins Japan nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Zwischen diesen Etappen entwickelte der am Set als unsicherer Tyrann beschriebene Regisseur einen unverwechselbaren visuellen Stil, mit dessen Hilfe er seine privaten Obsessionen in den fiktionalen Schicksalen von Gangsterbossen, Huren und Agentinnen auslebte. Heute wirken die Filme in ihrem zügellosen Stilwillen und ihrer Abkehr von traditionellen Erzählmustern sowie in ihrer flexiblen Moral und der Brechung zeitgenössischer Geschlechterrollen außerordentlich radikal.
Sternbergs Neigung zur Abstraktion im Dietrich-Zyklus und darüber hinaus hat nichts von ihrer verstörenden Kraft eingebüßt. Werden seine großen Melodramen in der Kritik oft als leer, seine Figuren als flach umschrieben, mag das darauf zurückgeführt werden, dass Sternberg mit den konventionellen Gradmessern der von ihm verarbeiteten Genres nach Der Blaue Engel nicht mehr zu fassen ist.
Der perfekte Einstieg… ins Werk von Josef von Sternberg
Für den noch auf Emil Jannings zugeschnittenen Der Blaue Engel entdeckte Sternberg seine Muse Marlene Dietrich. Damit begann 1930 die von Dietrich mit Pygmalion verglichene Kultivierung einer Berliner Schauspielerin in eine ikonische Diva, deren Gesichtszüge von Sternbergs Licht- und Schattensetzung modelliert wurden. Der wenig später für Paramount gedrehte Marokko – Herzen in Flammen markierte Dietrichs Hollywood-Debüt und darf angehenden Sternberg-Enthusiasten als Einstieg wärmstens ans Herz gelegt werden.
War Der Blaue Engel durch seine Romanvorlage ansatzweise in der Realität verankert, erschafft Sternberg in Marokko eine exotische Fantasiewelt, die ob ihres Ursprungs in Studiokulissen nach Gutdünken manipuliert werden konnte. Dietrich spielt gewissermaßen den Professor Unrat, eine Nachtclubsängerin, die sich in einen bindungsscheuen Legionär (Gary Cooper) verliebt und nicht von ihm loskommt. Mit Seidenschals und Netzen verhangene, im Licht der Studiosonne flirrende Bilder findet Sternberg, um diese unzähmbare Leidenschaft auf Film zu bannen.