Ich, Sie leben! & John Carpenters Konsumkritik

07.01.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Der schreckliche Moment des Erkenntnis in Sie leben!
Kinowelt
Der schreckliche Moment des Erkenntnis in Sie leben!
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Ende der 1980er Jahre hatte der einstige Horror-Filmer John Carpenter seinen Höhenpunkt zwar bereits überschritten. Mit Sie leben! von 1988 schraubte er die Schauwerte runter und die beißende Kritik an der wirtschaftsliberalen Politik und dem Konsumismus der USA rauf. Und lieferte damit einen seiner besten Film ab.

Der arbeitslos gewordene Ölarbeiter John Nada (Roddy Piper) kommt nach Los Angeles, der Stadt der Träume. Er glaubt an den American Way of Live, daran, dass jeder zu seiner verdienten Chance kommt und dass jeder sein Auskommen findet, so lange er nur hart genug dafür arbeitet. So macht es ihm auch nichts aus, als Tagelöhner auf einer Baustelle zu arbeiten, um kraft seiner eigenen Hände am Wirtschaftswachstum teilzuhaben. Dort lernt er den früheren Stahlarbeiter Frank (Keith David) kennen. Mit ihm geht er am Abend in eine Art illegale Vorstadtsiedlung. Hier haben sich fernab, aber in Sichtweite zum glänzenden Stadtzentrum die Armen und Mittellosen zurückgezogen, parallel zur Wohlstandsgesellschaft.

Während sich die Slumbewohner vom Fernsehen einlullen lassen, rauscht immer wieder ein Mann durchs Programm, der von einer Verschwörung spricht, durch die die Menschen in einem künstlichen Bewusstsein gehalten werden. Demnach sind alle Konflikte der menschlichen Gesellschaft erzeugt, um Zwietracht und Misstrauen zu streuen. Das Fernsehen, Werbung und überhaupt alle medialen Erzeugnisse sind nur zu dem Zweck da, den menschlichen Geist zu täuschen und in einer Art Trance gefangen zu halten. Als Frank durch Zufall in einer kleinen Kirche auf einen Karton mit Sonnenbrillen stößt und eine davon aufsetzt, sieht er die Welt mit anderen Augen. Unter den Menschen wandeln grässlich aussehende Aliens, hinter den omnipräsenten Werbebotschaften erkennt er ihren wahren Sinn. Sie sollen die Menschheit zum Konsum verführen und gehorsam und jede eigene Willensäußerung unterdrücken.

Warum ich Sie leben! mein Herz schenke
John Carpenter kritisiert mit seiner Geschichte manipulierender Aliens die Folgen der Wirtschaftspolitik der Reagan-Zeit. Diese führte trotz Wachstum zu höheren Arbeitslosigkeitsquoten. Gleichzeitig erreichte die Werbeindustrie nie dagewesene Umsatzzahlen. Ende der 1980er Jahre war die Welt in Ideologien geteilt. Hinter den Fronten des Kalten Krieges standen sich die Machtblöcke der freien, westlichen Welt und die Sowjetstaaten gegenüber. Für Carpenter hat der Kapitalismus in den USA dabei alptraumhafte Dimensionen angenommen. Die Verwalter und Akteure der US-Gesellschaft sind für ihn nichts als Außerirdische. Deren vorgesehenes Lebensmodell, der Konsumismus – nach dem Motto: Kauf dich glücklich – gerät zur Pervertierung des freiheitlich demokratischen Grundsätze. Denn dieses Freiheitsversprechen gilt zu allererst für die herrschende Wirtschaftselite des Landes, durch Wachstum Wohlstand zu generieren. Der so genannten trickle-down-Strategie nach sollte der Wohlstand bei einer prosperierenden Marktsituation bis in die unteren Gesellschaftsschichten durchziehen. Dass dies nur in der Theorie möglich war und auf den Schultern der arbeitenden Bevölkerung ausgetragen wurde, wird in sie Sie leben! augenscheinlich.

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