Ich, Shining und die blitzende Axt

10.02.2012 - 08:50 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Jack Nicholson in Stanley Kubrick's Shining
Warner Bros.
Jack Nicholson in Stanley Kubrick's Shining
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Stanley Kubricks zeitlose Studie über den Zerfall des menschlichen Verstands gehört auch mehr als 30 Jahre später zu den besten seiner Art und verdient höchste Anerkennung. Mein Herz für Klassiker gibt’s heute für Shining.

Der Meisterregisseur und zwanghafte Perfektionist Stanley Kubrick war zweifelsohne ein Virtuose. Er ließ sich in keinster Weise von Produzenten, Schauspielern oder sonstigen Besserwissern reinreden und verfolgte seine Vorstellungen und Ideen konsequent und rücksichtslos. In einem seiner späteren Werke, dem Psycho-Thriller Shining trieb er diese Manie auf die Spitze und hält dafür noch heute den Rekord für die meisten Wiederholungen einer einzigen Szene. Doch seine Kompromisslosigkeit zahlte sich vollends aus, denn heraus kam ein zeitloser Klassiker des Horror-Genres, der sich in das weltweite popkulturelle Gedächtnis eingeätzt hat und einen festen Platz in der Filmgeschichte einnimmt. So scherte es den Amerikaner auch nicht sonderlich viel, dass Kultautor und Shining-Schöpfer Stephen King nichts anfangen konnte mit seiner Interpretation des Psychothrillers. Genauso geht es mir, denn ich vergebe heute Mein Herz für Klassiker an Shining.

Warum ich Shining mein Herz schenkte
Ich will mich nicht als Horror-Fetischist bezeichnen, denn das klingt irgendwie falsch. Ich gönne mir von Zeit zu Zeit liebend gerne einen gepflegten Schocker und doch hat es bisher kaum ein anderer Genrefilm hinbekommen, mich derart zu fesseln wie es bei Kubricks Klassiker Shining der Fall war. Trotz oder gerade wegen seiner gar nicht so komplexen Geschichte zieht mich der Psychothriller mit seiner magischen Wechselwirkung zwischen Wirklichkeit und Schein immer wieder voll in seinen Bann. Abgerundet wird das makellose Zusammenspiel aus Optik, Atmopshäre und Drehbuch aber natürlich von der schizophren-traumatischen Performance des befreit aufspielenden Jack Nicholson, der den psychologischen Zerfall seines Charakters mit herausragender Überzeugung auf die Leinwand bannte. Die Abbildung der schwelenden und gestörten Vater-Sohn-Beziehung wäre aber auch ohne die naive, aber scharfsinnige Leistung des damals erst siebenjährigen Danny Lloyd kaum möglich gewesen.

Warum auch andere Shining lieben werden
Es ist fast unmöglich sich der unheilvollen Atmosphäre des Films zu entziehen. Schon die Eröffnungssequenz, das sich langsam durch die Berge und Wälder windende Auto der Familie Torrence, ist ein wahrer Augenschmaus und deutet allein schon optisch durch den Gebrauch von starken Kontrasten und den bedrohlichen Abgründen am Straßenrand den psychologischen Zerfall des wahnsinnigen Familienvaters an. Die darauf folgende Abschottung von jeglicher Zivilisation in dem pompösen Skihotel erstickt unweigerlich jeden vermeintlichen Gedanken an Rettung im Keim und erschafft ein unvergleichliches und nervenaufreibendes Ambiente. Kubrick schuf mit Shining einen Klassiker des Horror-Genres, an dem sich noch heute genreähnliche Veröffentlichungen messen lassen müssen.

Warum Shining einzigartig ist
Filme, die seit dem Erscheinen des aufreibenden Psychothrillers 1980 versucht haben, in dessen Fußstapfen zu treten, gab es reichlich. Trotzdem hat es meiner Meinung nach bis heute kein anderer Film geschafft, eine derart glaubhafte und einschüchternde Studie über das Scheitern des menschlichen Verstands anzustellen wie Kubricks drittletzter Film. Zugleich erzählt Shining aber auch eine Geistergeschichte, schafft dies allerdings ohne gängige Genre-Klischees aufzugreifen und verwischt dabei viel lieber die Grenze zwischen Realität und krankhafter Illusion gekonnt. Das minutiös geplante Zusammenspiel zwischen Ton und Bildebene kratzt dabei konsequent und unermüdlich an den Nerven des Zuschauers und hat sich nicht ohne Grund in das popkulturelle Gedächtnis eingebrannt.

Warum Shining die Jahrzehnte überdauerte
Kubricks andauernder zwanghafter Drang zur Perfektion und seine überbordende Detailverliebtheit fanden in Shining einen neuen künstlerischen Höhepunkt. Bis zu 100 Mal ließ er jede einzelne Szene wiederholen und forderte von seinen Schauspielern Höchstleistungen, so dass die über einjährige Produktionszeit nicht wirklich verwundert. Aber auch seine Crew musste einiges mitmachen. So verlangte er in der berühmten Szene, in der Shelley Duvall einen Stapel Blätter mit dem One-Liner “All work and no play makes Jack a dull boy” ihres Mannes findet, von den Schreibern jedes einzelne dieser Blätter abzutippen; Kopien kamen für den Perfektionisten nicht in Frage. Dieses bedingungslose Verschreiben der optischen und inhaltlichen Perfektion Kubricks ist dem zeitlosen Thriller in jeder Szene anzumerken. Zudem gehörte Shining zu den ersten Filmen überhaupt, die mit einem damals neuartigen und ausgeklügelten Abfederungssystem arbeiteten und damit den Gebrauch der Steadicam perfektionierten und in Mode brachten. Kameramann und Steadicam-Entwickler Garrett Brown musste beim Dreh der Verfolgung im Heckenlabyrinth eine wahre Balance-Meisterleistung vollbringen und bei den Rückwärtsbewegungen in bereits vorhandene Fußspuren treten um so nicht die filmische Illusion zu beeinträchtigen.

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