Ich, Judd Hirsch und die Definition von normal

28.04.2015 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Bild zu Ich, Judd Hirsch und die Definition von normalParamount Pictures
1
4
Robert Redford setzt sich das erste Mal auf den Regiestuhl. Donald Sutherland und Mary Tyler Moore stellen sich vor die Kamera und spielen heile Welt mit Timothy Hutton. Judd Hirsch richtet das Ganze und bekommt dafür heute mein Herz.

Reden wir heute einmal von einem simplen Familiendrama. Die Ausgangssituation von Eine ganz normale Familie ist grausam und einfach. Familie Jarrett hat ihren ältesten Sohn Buck bei einem Segeltörn verloren. Seitdem versucht Mutter Beth (Mary Tyler Moore) so zu tun, als wäre nichts gewesen, Vater Calvin (Donald Sutherland) versucht angestrengt die Bindung zur Familie zu verbessern und der jüngere Sohn Conrad (Timothy Hutton), der mit auf dem Törn war, hat danach versucht, sich das Leben zu nehmen. Aus dem Krankenhaus wieder entlassen, ist er nun in Therapie bei Dr. Berger (Judd Hirsch) und kriegt das mit dem normalen Leben nicht so richtig hin.

Keine schöne Ausgangslage, aber ein Punkt von dem aus man sehr gut eine Geschichte erzählen kann. Trotzdem hat sich Drehbuchautor Alvin Sargent bei der Adaption des gleichnamigen Romans von Judith Guest sehr schwer getan und zweieinhalb Jahre daran herumgeschraubt. Das Buch ist absichtlich charakterlos und ohne örtliche Beschreibung geblieben, denn die Geschichte sollte nicht auf einen bestimmten Typ Familie übertragen werden, sondern zeigen, dass diese Tragödie zu jeder Zeit jedem passieren könnte. Der Film gibt den Personen natürlich ein Gesicht. So wird Beth zu einer Art gefühlskalter Matriarchin, die sich von ihrem Jüngsten distanziert, ihm indirekt die Schuld am Unfalltod seines Bruders gibt. Dieser betrachtet die Sache ziemlich ähnlich, was ihn zum Suizidversuch führt. Und erst hier setzt der Film an.

Was wir also beobachten können, ist eine Familie, die vor einem immensen Berg emotionaler Probleme steht und diesen versucht zu bearbeiten. Natürlich will keiner von ihnen schwach sein, sondern ein ganz normales Leben führen, denn was passiert ist, kann nicht rückgängig gemacht werden. Uns wird das Bild einer Familie gezeigt, die gerade nicht funktioniert, dies aber nicht wahrhaben möchte.

Mehr: 5 nackte Fakten über ... Robert Redford

Und dann kommt Dr. Berger. Judd Hirsch mimt den Psychiater als professionellen, verständnisvollen Onkel Doktor, der für Conrad vielmehr ein Freund wird. Während also der Junge seinen seelischen Ballast ablädt, ist Berger im kompletten Film die einzige Person, die das Zeigen von Schwäche nicht als Problem betrachtet und immer wieder an den Emotionen Conrads kitzelt, um diesen aus der Reserve zu locken und ihm zu zeigen, dass er des Lebens noch nicht müde sein kann, sondern eigentlich noch am Anfang davon steht.

Warum ich Eine ganz normale Familie mein Herz schenke

Es ist unbeschreiblich, aber ich fühle mich auf einmal als Teil dieser "ganz normalen Familie". Jede Regung der drei Protagonisten geht mir unfassbar ans Herz, sodass ich sie in den Arm nehmen möchte und ihnen sagen will, dass wir das alles zusammen hinbekommen. Judd Hirsch ist die gute Seele, die wir alle in unserem Umfeld wissen möchten. Der Ruhepol, der uns zeigt, dass nicht alles schlecht ist. Hirsch hat die Rolle in acht Tagen abdrehen müssen, weil er Teil der Besetzung von Taxi war, es fühlt sich jedoch an, als wäre er durchgehend präsent. Er ist derjenige, der der Familie, die so arg auseinander zu bröckeln droht, wieder Form gibt. Was er damit bewirkt, ist auch eine neue Form für mich. Seine Monologe, die vollgepackt sind mit weisen Onelinern, schaffen es, mich am Ende des Filmes auch anders über bestimmte Dinge denken zu lassen.

Mehr: Independence Day 2 mit Bill Pullman & Judd Hirsch

Warum auch andere Eine ganz normale Familie lieben werden

Nicht jeder von uns hat wahrscheinlich eine solch grausame Geschichte vorzuweisen, aber jeder hat zumindest ungefähr eine Idee, wie man mit einer Familie umgehen muss bzw. sollte. Natürlich ist Familie Jarrett nicht ansatzweise so blass und beliebig wie im Buch, aber sie vertreten Menschen, die uns allen sehr nahe sind: Mutter, Vater und Kind. Irgendwie sollte diese Bindung im Normalfall funktionieren, weswegen wir auch während der kompletten Laufzeit mitdenken, wie wir die Familie beieinander halten können. Und wenn uns nichts einfällt, sind wir traurig und niedergeschlagen. Im Prinzip sollte ein gutes Familiendrama genau dies schaffen.

Warum Eine ganz normale Familie die Jahrzehnte überdauern wird

Familie Anfang der 1980er war nichts anderes als das, was es heute ist. Auch die Tragödien, die wir mit Familie Jarrett durchleben, sind niemals fern von unserer Realität. Steile Hypothese: In fünfzig Jahren wird dies immer noch so sein. Und weil Robert Redford das wusste, hat er den Stoff für seine erste Regiearbeit auserkoren und sofort einen Volltreffer gelandet, denn sowohl Regie und Drehbuch als auch die Schauspielkunst haben diverse Preise abgeräumt. Wenn übrigens jemand von euch nach diesem Film von Judd Hirsch begeistert ist, dann empfehle ich, sich ein wenig durch seine Filmographie zu gucken. Der hat nämlich noch eine ganze Menge mehr drauf.

Seid ihr mit einem Familiendrama zu begeistern?

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News