Ich, Hiroshima mon Amour & samtige Off-Stimmen

27.08.2011 - 16:50 Uhr
Emmanelle Riva und Eiji Okada in Hiroshima mon Amour
Pathé Films
Emmanelle Riva und Eiji Okada in Hiroshima mon Amour
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Hiroshima mon Amour gilt als Vorreiter der Nouvelle Vague. Doch wir können das Drama von Alain Resnais auch unter viel weniger theoretischen Gesichtspunkten betrachten. Hiroshima mon Amour bekommt heute mein Herz für Klassiker.

Dröhnende Musik, epische Schlachtszenen, blutiges Gemetzel, ausgefeilte Schwertkämpfe, eiskaltes Taktieren, heroische Kriegshelden, überzeugungskräftige Truppenführer, zerstörte Städte, bombastische Kugelhagel. All diese Bilder assoziieren wir mit Kriegsfilmen. Und all diese Bilder werden wir in Hiroshima mon amour nicht finden. Die französisch-japanische Koproduktion von Alain Resnais lotete schon im Jahre 1959 neue Möglichkeiten der Erzählung aus. Entstanden ist ein wunderbar nachdenklicher, leiser und trotzdem eindrücklicher Film, dem ich heute mein Herz für Klassiker schenken möchte.

Warum ich Hiroshima mon Amour mein Herz schenkte
Halbdokumentarische Bilder der nuklearen Katastrophe in Hiroshima: ein grauenvoller Anblick, natürlich. Doch in Kombination mit der tiefen, samtig eindringlichen Stimme von Emmanuelle Riva aus dem Off wirkt die Komposition auf mich geradezu poetisch. Sie berichtet mit fast trotzigem Unterton von ihren Erlebnissen, während er stoisch wiederholt: „Du hast nichts gesehen in Hiroshima.“ Diese famose Ouvertüre leitet ein Drama ein, dass trotz seiner eindeutigen Anti-Kriegs-Haltung nie ins Klischeehafte, Moralistische abrutscht. Es zeigt im Grunde die sechsunddreißigstündige Konversation zweier Menschen, die in ihrem Leben an einem Punkt angekommen sind, an dem sie Rückschau halten.

Warum auch andere Hiroshima mon Amour lieben werden
Hiroshima mon amour gilt wegen seiner Jump Cuts und Rückblenden als Vorreiter der französischen Nouvelle Vague, es ist also für kundige Cinéasten und hoffnunglose Romantiker gleichsam etwas geboten. Natürlich ist das zugrunde liegende Thema hoffnungslos tragisch, doch der Regisseur schafft es gleichzeitig, Bilder zu kreieren, die Schönheit, Reinheit, Poesie ausstrahlen. Er fügt Detailaufnahmen mit dokumentarischen Bildern, mit Off-Kommentaren, mit Erinnerungen zu einer gefühlvollen, doch niemals kitschigen Collage. Und auch die Hauptdarstellerin gibt sich großartig in ihrer Rolle. Sie ist nicht nur wunderschön und elegant anzusehen, sondern schafft allein durch ihre wehmütigen Blicke eine distanzlose Intensivität, die den Zuschauer sofort in ihren Bann zieht.

Warum Hiroshima mon Amour einzigartig ist
In Hiroshima mon amour erzählt eine namenlose französische Schauspielerin ihrem japanischen Geliebten (Eiji Okada) von ihrer unerfüllten Liebe zu einem deutschen Soldaten während des zweiten Weltkrieges. In dem Japaner meint sie, ihren damaligen Geliebten wiederzuerkennen, der damals von Mitgliedern der Résistance erschossen wurde. Ein Deutscher stirbt, eine Französin leidet deswegen bis aufs Blut. Diese Perspektive ist für einen französischen Film aus dem Jahre 1959 mehr als ungewöhnlich. Alain Résnais zeigt: Wir alle sind Menschen mit verletzlichen Gefühlen, egal, auf welcher Seite wir kämpfen. Selbst, wenn es nur unsere eigene Seite ist.

Warum Hiroshima mon Amour die Jahrzehnte überdauert
Filmen, die sich mit dem Krieg beschäftigen, wird in so mancher Hinsicht immer eine grausame Aktualität beibehalten bleiben. In Hiroshima mon amour bekommen wir es vielleicht nicht mit epischen Schlachtszenen und heroischen Kriegshelden zu tun, doch auf seine ganz eigene Art bietet das Werk eine neue Perspektive und ein Zeugnis der damaligen Zeit. Wir sehen die kollektive Katastrophe in Japan gegenüber der ganz individuellen Katastrophe einer jungen Frau im krisengeschüttelten Frankreich. Selbst wenn jemand das Glück hatte, in seinem Leben nie mit einem Krieg konfrontiert gewesen zu sein – persönliche Krisen kennt er ganz sicher. Hiroshima mon amour wird definitiv noch so manches Jahrzehnt überdauern.

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